Magdeburger Gesichter:
Die Ratsherrenrunde
Sabine Liebscher
Das Gemälde zeigt einen Innenraum des alten Magdeburger Rathauses, das nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nach Entwürfen des Ingenieur-Hauptmanns Heinrich Schmutze zwischen 1691 und 1698 wiederaufgebaut wurde. Das abgebildete sogenannte „gotische Zimmer“ wurde nach der Zerstörung restauriert und dient heute noch als Beratungsraum im Rathaus.
Schreibend, am Tisch über einen Plan gebeugt, sitzt Heinrich Behrens. Er war unter dem Oberbürgermeister August Wilhelm Francke ab Oktober 1841 zweiter Bürgermeister der Stadt Magdeburg. Als Francke am 30. Juni 1848 nach fast dreißig Jahren sein Amt aufgab, übernahm Behrens die Geschäfte. Die um den großen runden Tisch gruppierten sechs Ratsherren schenken ihre Aufmerksamkeit dem neben Behrens sitzenden Oberbürgermeister Francke. Zwei weitere Männer diskutieren im Stehen am Bildrand. Einer der beiden trägt als Einziger einen Mantel, als ob es sich um einen Gast handelte, der nur vorübergehend der Versammlung beiwohnte. Alle anderen Herren tragen, der Würde des Amtes entsprechend, einen schwarzen Frack mit Weste und einer schleifenartig gebundenen Krawatte über dem Stehkragen.
1848 war ein bewegtes Jahr in der Provinzhauptstadt Magdeburg. Die Stadt war eines der Zentren der Revolution in Preußen. Bereits im März fanden blutige Auseinandersetzungen auf dem Domplatz statt. Im August brach eine Cholera-Epidemie aus und forderte über 2.400 Opfer unter den Magdeburgern. Welches Ereignis den Magdeburger Künstler Edmund Wodick zum Bildmotiv veranlasste oder wer ihn beauftragte, ist nicht bekannt. Vielleicht handelte es sich um ein Abschiedsgeschenk für den scheidenden August Wilhelm Francke.
Obwohl der Maler nur ein kleines Format für das figurenreiche Bild wählte, ist der Arbeitsraum bis ins Detail getreu wiedergegeben. Links neben der Holztür im Hintergrund steht zum Beispiel die Originaluhr des berühmten Wissenschaftlers und Magdeburger Bürgermeisters Otto von Guericke, die sich heute noch im Sammlungsbestand des Kulturhistorischen Museums Magdeburg befindet. Herrscherporträts und Stadtansichten hängen an den Wänden. Schreibutensilien und Akten liegen verstreut auf dem Tisch und einem der Biedermeierstühle. Eine angespannte Atmosphäre ist in den ernsten Gesichtern und der Körperhaltung einiger Ratsherren zu spüren.
Seite 12, Kompakt Zeitung Nr. 226