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Wieder 18 sein –
mit dem Wissen von heute

Tina Heinz

Das Meer hat es mir angetan. Wenn ich die Augen schließe, mir den salzigen Geschmack auf den Lippen vorstelle, den Wind auf der Haut, den nass-kalten Sand unter den Füßen und das beruhigende Rauschen der Wellen, dann keimt ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit in mir auf. Vermutlich geht es zahlreichen anderen Menschen ähnlich. Es gibt etliche Studien, die belegen, dass das Meer den Stresspegel senkt und das Wohlbefinden steigert. Also – auf zum nächsten Urlaub am Meer! Doch bei mir geht die Liebe zum Meer über den Wunsch, ein paar Tage am Strand zu verbringen, hinaus. Die Schönheit und Eleganz der Wale faszinieren mich ebenso wie die Reisen der großen Entdecker oder die Rolle des Phytoplanktons bei der Regulierung des Klimas. Zu meinen Lesegewohnheiten gehört daher auch, jede Ausgabe der Zeitschrift „mare“ von vorn bis hinten zu verschlingen. Und wenn ich dann Berichte von Bord der Polarstern – dem Flaggschiff des Alfred-Wegener-Instituts – lese, frage ich mich: Was wäre gewesen, wenn …?

 

… ich einen anderen Berufsweg eingeschlagen hätte? Dass ich Journalistin werden, dass ich schreiben möchte, stand für mich schon immer fest – zumindest solang ich mich zurückerinnern kann. Etwas anderes kam nicht in Frage, weshalb ich als Schülerin einige Praktika bei Tageszeitungen absolvierte und schließlich meine Heimat in Südthüringen verließ, um in Leipzig Journalistik zu studieren. Bereut habe ich diese Wahl bis heute nicht. Meine Familie hat mich diesbezüglich unterstützt. Sätze wie „Lern doch erstmal etwas Vernünftiges“ musste ich mir von meinen Eltern nie anhören. Und nun sitze ich also an meinem Schreibtisch und verfasse diese Zeilen.

 

Wie erwähnt, zweifle ich diese Entscheidung nicht an, aber hin und wieder stelle ich mir eben diese Frage: „Was wäre gewesen, wenn …?“ Wenn beispielsweise meine Eltern andere Berufe ergriffen oder gar ein Familienunternehmen geführt hätten. Würde ich heute Lauscha nicht nur meine Heimat, sondern auch mein Zuhause nennen und im elterlichen Betrieb arbeiten? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Sich diese Fragen zu stellen, ändert natürlich nichts an den Tatsachen. Aber sich vor Augen zu führen, wer und was Einfluss auf den Lebensweg nimmt, hilft auch, sich selbst etwas besser zu reflektieren.

 

Oder: Was wäre gewesen, wenn ich an der Küste aufgewachsen wäre? Dann hätte ich nicht erst als Teenager das Meer kennengelernt. Meine Großeltern, meine Tante und ihre Familie in Ungarn waren stets das Ziel unserer Urlaube – wofür ich sehr dankbar bin. Aber so kam es eben, dass ich das Meer zum ersten Mal in der neunten Klasse erblickte – Exkursion nach Südengland, die See war rau, vom Sturm gepeitscht, hin und wieder von Sonnenstrahlen gestreichelt, die blaue Flecken in allen Nuancen auf die Wellen malten. Wenn ich diesem Meer also schon viel früher begegnet wäre, an seinen Stränden gespielt, Sandburgen gebaut, Muscheln, Steine und Treibgut gesammelt, Tiere beobachtet hätte, dann wäre eventuell der Wunsch in mir gewachsen, Meeresbiologie oder Marine Umweltwissenschaften zu studieren.

 

„Du und Biologie“, höre ich nun einige Menschen, die mich gut kennen, vorwurfsvoll sagen. Ja, Biologie und ich waren in der Schule nie die besten Freunde. Und das lag nur teilweise an mir. Vornehmlich an dem Teil, der als pubertierende Schülerin froh war, sich im Biologieunterricht von Videos berieseln lassen zu können und für die Tests die Aufgaben von der Parallelklasse zu erhalten. Unsere Lehrerin war nicht darauf erpicht, uns persönlich etwas zu vermitteln. Das überließ sie lieber den VHS-Kassetten (so lange ist die Schulzeit schon her!). Und es störte sie auch nicht, wenn im Raum Dinge umherflogen, lautes Gemurmel herrschte oder Hausaufgaben für andere Fächer erledigt wurden. Sie erhob sich von ihrem (Schlaf-)Platz erst, wenn das Band zu Ende war. Fragen zum Unterrichtsinhalt wurden nie beantwortet, denn sie kamen erst gar nicht auf. Welchen Schaden sie – und auch wir Schüler – damit angerichtet hatten, stellten wir erst fest, als im Biologie-Kurs der elften und zwölften Klasse dank eines neuen Lehrers ein anderer Wind herrschte. Wissen war Mangelware und dieser Zug längst abgefahren.

 

Was also, wenn ich von einer Lehrerin unterrichtet worden wäre, die meine Begeisterung für Biologie entfacht hätte? Das Thema geht schließlich jede(n) von uns etwas an und ist nicht uninteressant. In Kombination mit allem Wissenswerten rund ums Meer – unschlagbar! Oder wenn ich die Online-Welt mit ihren Möglichkeiten schon damals hätte nutzen können. Vielleicht hätte es mich beruflich in eine andere Richtung gezogen … Diesen Gedanken könnte ich noch weiterspinnen, es ändert jedoch nichts an der Realität. Doch hin und wieder lohnt es sich, solch spekulativen Spielereien hinzugeben.

Seite 18, Kompakt Zeitung Nr. 226

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