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Magdeburger Gesichter:
Physik für Töchter

Karin Kanter

Über Karl Samuel August Richters (1786–1867) frühe Lebensjahre ist lediglich bekannt, dass er bis 1819 als Direktor an der höheren Töchterschule in Dessau amtierte. In diesem Jahr wechselte er als 2. Lehrer (Vizedirektor) an die höhere Gewerbe- und Handelsschule in Magdeburg. Äußerungen aus dem Jahre 1824 belegen, dass er bei seinen Vorgesetzten kein hohes Renommée erwarb. Stadtschulrat Gerloff schrieb, Richter sei charakterlich für das Abhalten des Religionsunterrichtes geeignet, sprach ihm aber alle anderen Kompetenzen ab. Oberbürgermeister Francke pflichtete dieser Einschätzung bei. Ab 1826 erlebte Richter die von Gerloff ausgelöste Krise im Magdeburger Bildungswesen: Gerloff bewirkte, dass der Magdeburger Magistrat die Lehrergehälter auf ein Niveau herabsenkte, das weit unter dem Existenzminimum lag, sodass Lehrer genötigt waren, außerhalb ihrer Tätigkeit private Nebenbeschäftigungen anzunehmen, Privatunterricht zu erteilen und Nachhilfestunden zu geben. Gerloff hatte diesbezüglich in Zerrenner einen einflussreichen Bundesgenossen.

 

Als Sickel, der Rektor der höheren Töchterschule, nach vergeblicher Opposition gegen diese Politik 1836 sein Amt aufgab, war die Attraktivität Magdeburgs dermaßen gesunken, dass sich kaum geeignete Bewerber für seine Nachfolge finden ließen. Da zur selben Zeit in der höheren Gewerbe- und Handelsschule erstmals ein Englischlehrer eingestellt wurde, wurde Richter auf das Rektorat der höheren Töchterschule versetzt, zumal „seine ganze Persönlichkeit sich mehr für diese als für seine jetzige Stelle eigne“. Fortan wirkte er in der Fürstenwallstraße 6.

 

Richter muss anfangs Schwierigkeiten mit dem Lehrerkollegium in dieser Schule gehabt haben. Auch brachen einige Schülerinnen ihre Ausbildung unmittelbar vor ihrem Abschluss unter Hinweis auf ihn ab. (…) Trotz aller anfänglichen Skepsis scheint Richter mittelfristig erfolgreich gewesen zu sein – ab 1838 stieg die Zahl der Schülerinnen. 1845 führte er unter Berufung auf eine Kabinettsordre Friedrich Wilhelms IV. von 1842 als einziger den Turnunterricht auf freiwilliger Basis ein. Eine weitere Neuerung bestand in der Aufnahme des elementaren Physikunterrichts in den Stundenplan der höheren Töchterschule. Damit ging ein gesteigertes Interesse am Lehrinstitut einher. Hatte die Anstalt zuvor aus einer einzigen Klasse pro Jahrgang bestanden, wurde ab 1843 die sukzessive Einrichtung von Parallelklassen erforderlich. 1846 besuchten über 400 Mädchen die höhere Töchterschule, und Stadtschulrat Grubitz bemerkte, die höhere Töchterschule wachse „allerdings zu einem Koloß heran“.

 

Der akute und unvorhergesehene Platzmangel bewog den Magdeburger Magistrat dazu, Richter gegen eine Entschädigung von 200 Talern die Dienstwohnung zu kündigen, musste sich aber dennoch zu einem Neubau durchringen. Dort, heute Leiterstraße 9, wirkte er von der Einweihung 1848 bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden. Francke erlebte die Gründung im letzten Monat seiner Dienstzeit als Oberbürgermeister noch mit. Im Verlauf seiner Erfolge muss Richters Selbstbewusstsein beträchtlich gestiegen sein, wie sich auch an dieser Zeichnung ersehen lässt. Mit ihrer Erstellung war 1825 der Direktor der Dresdner Kunstakademie, Ferdinand Hartmann, beauftragt worden. Der zeitweise in Dessau tätige Künstler porträtierte auch Oberbürgermeister Francke. Am 1. Oktober 1852 ging Richter in den Ruhestand und zog zurück in seine Heimatstadt Dessau.

Seite 12, Kompakt Zeitung Nr. 227

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