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Gleichbeachtung im Wasser

Rudi Bartlitz

SCM-Schwimmerin Isabel Gose, Sachsen-Anhalts Sportlerin des Jahres 2022, gehört zu den herausragenden Athletinnen des Landes. Warum es für Männer im Wasser bald mehr Gleichbeachtung gibt.

Zwei Meldungen aus der weiten Welt des Sports, beide aus diesen Tagen. Sie haben, zumindest auf den ersten Blick, eigentlich nichts miteinander zu tun. Weil die eine Nachricht eine Magdeburger Schwimmerin betrifft und die andere das Synchronschwimmen bei Olympischen Spielen. Und doch haben sie einiges miteinander zu tun. Nicht nur des Wassers wegen. Weil sich in ihnen und an ihnen zeigt, dass der Vormarsch der Frauen im Sport weitergeht. Einerseits. Und andererseits der Drang der Männer nach sportlicher Gleichbeachtung, wir vermeiden hier bewusst das Wort Gleichberechtigung, eine Entsprechung zu finden scheint. In diesem Fall bei den Körperakrobaten im Wasser. Und das ist gut so. Gerade im Schlagschatten des Frauentages.


Aber der Reihe nach. Zunächst zum Synchronschwimmen. Zu jener Sportart, oft zu Unrecht belächelt, die seit 2017, der Teufel weiß warum, auf einmal Kunstschwimmen heißt. Aber konzentrieren wir uns auf die guten Nachrichten: Das Internationale Olympische Komitee hat der Zulassung von Männern im Olympischen Mannschaftswettbewerb zugestimmt. Endlich. Noch in Tokio im vorvergangenen Jahr war das Synchronschwimmen die einzige Sportart bei Sommerspielen, bei der ein Geschlecht komplett zuschauen musste – die Männer nämlich! In Paris 2024 nun sollen zwei der zehn Plätze in den Teams an sie gehen dürfen. Gleichbehandlung ist das zwar noch nicht ganz, ein Schritt in die richtige Richtung allemal. Man sieht daran: Rund um den 8. März hat nicht nur ein Geschlecht etwas zu feiern.


Nun zur Magdeburger Schwimmerin. Zu Isabel Gose. Eine Frau, die sich im emanzipatorischen Musterländle Deutschland um Gleichberechtigung wahrlich keine Sorgen machen muss. Und um Gleichbeachtung schon gar nicht. Im Gegenteil. Anfang Februar waren die Scheinwerfer der Öffentlichkeit wieder auf die Europameisterin vom SCM gerichtet, als sie zur „Sportlerin des Jahres“ in Sachsen-Anhalt gekürt worden war. Die beste Freistilschwimmerin des Kontinents, die die von den Sportjournalisten des Landes vergebene Ehrung bereits zum zweiten Mal in Folge gewann, steht damit in einer Reihe herausragender Frauen, die das sportliche Gesicht des Landes prägten und dieser Galerie seit 1990 ein Gesicht geben: Dagmar Hase, Ilke Wyludda, Antje Buschschulte, Grit Breuer, Manuela Lutze, Conny Waßmuth, Tatjana Hüfner, Andrea Eskau. Letztere taucht in dieser Riege der Besten gemeinsam mit Buschschulte und Breuer sogar gleich viermal auf.
Allesamt sind sie sportlich hoch anerkannt – und natürlich gleichberechtigt. Das war nicht immer so. Ein Blick in die Historie zeigt, dass die ersten Olympischen Spiele vor über 100 Jahren noch fest in Männerhand waren. Turnen oder nicht Turnen – vor einem Jahrhundert war dies vor allem eine Frage des Anstands. Tatsächlich wollte man aber gerade zum Anfang der olympischen Bewegung verhindern, dass auch Frauen gegeneinander kämpfen. Die Argumente? Überanstrengung, Vermännlichung, ja gar mögliche Unfruchtbarkeit. In Wahrheit kam natürlich noch die Angst vor einem Machtverlust hinzu.

 

Für Frauen war das Turnen zwar schon seit Jahrzehnten gestattet, aber nur um der Gesundheit willen und mit strengen Sittlichkeitsregeln. Das bedeutete: Springen oder das Spreizen der Beine waren verboten, Anstrengung und Leistung verpönt. Geräteturnen war umstritten, geduldet wurden Freiübungen und Reigenturnen, die wenig Kraft und Können erforderten. Oberste Maxime dabei: Der Kopf einer Turnerin hatte oben zu sein, die Beine bitte schön unten und geziemend geschlossen! Zwischenzeitlich hat sich diese Situation gewandelt, denn bei den letzten Olympischen Spielen 2020 in Tokio war mit einem Anteil von 48 Prozent Frauenstartplätzen weitgehende Parität erreicht.


Eine, die sich für eben diese Startplätze qualifiziert hatte, war Isabel Gose. In Tokio reichte es für sie gegen die absolute Weltspitze aus den USA und Australien zwar noch nicht zu einer olympischen Medaille. Mit zwei sechsten Rängen in den Finals (400 Meter Freistil, 4×200 Meter-Staffel) deutete sie ihr riesiges Potenzial jedoch an. Daran, dass es einmal bis zu Olympia reichen würde, war allerdings weder zu denken, als sie mit vier Jahren das Schwimmen erlernte noch als sie zehn Jahre später ans Sportgymnasium in Potsdam kam. Obwohl: Das Talent der 1,82 Meter großen Freistilspezialistin war schon damals unübersehbar. Mit 16 Jahren holte sie den ersten deutschen Meistertitel bei den Erwachsenen und wechselte später an den Olympiastützpunkt Heidelberg. Doch der exzellente Ruf des Magdeburger Schwimmteams um Cheftrainer Bernd Berkhahn und die Sehnsucht nach der Familie im ostaltmärkischen Osterburg („In Heidelberg hat mir der Ruhepol gefehlt. Ich habe das große Bedürfnis verspürt, wieder nach Hause zu kommen.“) veranlassten sie 2020, an die Elbe zum SCM zu wechseln.


Es ist eine Menge, was auf die junge Frau aus Osterburg derzeit zukommt. Die Vorbereitung auf Olympia 2024 und die entsprechenden (höchst anspruchsvollen) Normen dafür stehen im Fokus. Davor geschaltet sind noch zwei Welttitelkämpfe. Hinzu kommen Dinge, die über den reinen Sport hinausgehen. Zu dem, was ihr Leben als Profi-Schwimmerin mit beeinflusst, gehört die allenthalben um sich greifende Kommerzialisierung des Hochleistungssports. In deren Verwirbelungen geriet Gose jüngst unmittelbar selbst hinein: Die Verleihung der Pokale für „Sachsen-Anhalts Sportler des Jahres“ (sie gingen außer an die Schwimmerin an den Hallenser Bob-Doppelolympiasieger Thorsten Margis und die SCM-Handballer) sollte nach erzwungener zweijähriger Corona-Unterbrechung erstmals wieder in gemeinsamer feierlicher Runde stattfinden. Als Gose dazu eingeladen wurde, forderte ihr Management für die Teilnahme ein „Antrittsgeld“. Der Ausrichter sagte die Veranstaltung, die fern irgendwelcher kommerziellen Zwecke gewesen wäre, daraufhin ziemlich enttäuscht ab.

Seite 17, Kompakt Zeitung Nr. 228

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