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„Was Frauen lieben …“

Rudi Bartlitz

Die Sportschulen der Landeshauptstadt verlieren im Mädchenhandball den Leistungsstatus. Der HSV Magdeburg schlägt Alarm. Eine Kette ohne Ende?

Im stillen Protest vereint: Die Handballmädchen des HSV Magdeburg. Foto: Peter Gercke

Ob es sich um ein neues Kapitel in der nach unten offenen Skala des langen Abstiegs des Magdeburger Frauenhandballs handelte, lässt sich derzeit noch nicht endgültig beurteilen. Viele befürchten es zumindest. Als ziemlich sicher darf jedoch die Annahme gelten, dass das, was da an einem Februarabend in der rappelvollen Halle des HSV Magdeburg zu hören und zu erleben war, selbst Optimisten wenig hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt.


Worum geht es? Die Leitung des HSV hatte zu einer Zusammenkunft geladen, um über eine Entwicklung zu informieren, die nach ihrer Ansicht das Flaggschiff des hiesigen Frauen- und Mädchenhandballs in ganz schweres Fahrwasser zu bringen droht. In der Kritik steht eine Entscheidung des Handball-Landesverbandes, wonach es in Magdeburg an den beiden Sportschulen (Gymnasium und Sekundarschule) ab dem Schuljahr 2023/24 den sogenannten Leistungsstatus („L-Status“) ab der siebten Klasse nicht mehr geben wird (Zur Erklärung: Den Trainerstab für diesen Zusatzunterricht stellt derzeit der HSV). Wer es in dieser Sportart also zu etwas bringen will und deshalb Wert auf zusätzliche Förderung legt, ist in der Landeshauptstadt künftig an der falschen Adresse. Als Alternative wurde besorgten Eltern, die an diesem Abend mit ihrem Unmut über diese Entscheidung nicht hinter dem Berg hielten, angeboten, ihre Kinder nach Halle an die dortige Sportschule zu schicken. Wie es übrigens im umgekehrten Fall längst Usus ist: Wer bei den Jungs den L-Status in Anspruch nehmen will, muss sich in Magdeburg einschreiben.


Die Gründe dafür, warum es zu einer derart zugespitzten Situation kommen konnte, versuchte der Sportvorstand des Landessportbundes (LSB), Torsten Kunke, den Betroffenen an diesem Abend zu erläutern. Der weibliche Handball in Sachsen-Anhalt, sagte er, sei „in den letzten Jahren aus dem Förderstatus herausgerutscht“. Es existierten „exakte Bewertungsmasken“, fügte er hinzu, nach denen der Stellenwert einer Sportart und selbst der ihrer Untergruppierungen bemessen werde. Und da reiche es eben für den Magdeburger Mädchenhandball letztlich nicht. Generell gebe es zudem ein Ressourcenproblem, so Kunke, angesichts dessen man sich „einfach nicht mehr alles leisten kann“. In diesem Fall geht es, so war der Diskussion zu entnehmen, um 50.000 Euro, die fehlten. Um jegliche Missverständnisse auszuschließen: Es wird in Magdeburg bei den Frauen und Mädchen an den Sportschulen weiter Handball gespielt, nur eben künftig ohne den Leistungsstatus.


Was jedoch noch zusätzlich Brisanz in die Angelegenheit brachte, sind die Umstände, unter denen die betroffenen Eltern und Mädchen von der Entscheidung gegen Magdeburg erfuhren. Obwohl diese offensichtlich längst feststand, sei weder beim erforderlichen Leistungstest Ende vergangenen Jahres noch bei der Anmeldung fürs Internat davon die Rede gewesen, berichteten wütende Eltern. Derweil hielten die Mädchen-Teams des HSV im stillen Protest noch Plakate mit der Aufschrift „Wo bleibt die Gleichberechtigung im Handball?“ hoch. 

 
Bei aller Sympathie für die Mädchen – um Gleichberechtigung, sicher in diesen Tagen ein schönes Schlagwort, geht es nicht. Das, was sie derzeit erleben, ist ein klitzekleines Mosaiksteinchen dessen, was sich unter dem großen, übergreifenden Begriff „Konzentration im Leistungssport“ subsumieren lässt. Eine Entwicklung übrigens, auf die sich der deutsche Sport im Allgemeinen nur sehr langsam und sehr schwer einstellen kann. Das Motto dieses Prozesses lautet (auf den wirklich niedrigsten Nenner heruntergebrochen): Die Mittel sind – ob man das nun wahrhaben will oder nicht – begrenzt. Überall. Also wandern sie dorthin, wo sie vermeintlich am effektivsten eingesetzt werden können – und wo die Leistung eben am besten ist. Und da gehört nun einmal, auf Sachsen-Anhalt bezogen, der weibliche Handball nicht mehr dazu. Das ist der, sicher schwer zu schluckende, bittere Teil der Wahrheit.


Apropos bittere Wahrheit. Dieser musste sich eine Magdeburger Frauen-Handballmannschaft schon einmal stellen. Und damals, 1996, kam es knüppeldick. Als die SCM-Frauen, in der DDR-Oberliga übrigens 1981 sogar Meister geworden und zwei Jahre später ins Europacup-Finale eingezogen, in jenem Jahr aus der Bundesliga abstiegen, wurde ihr Spielbetrieb gleich völlig eingestellt. Sie verschwanden einfach von der Landkarte. Der bittere Gang nach unter begann. Seinerzeit hieß es noch, die Frauen-Abteilung werde aus dem SCM „ausgegliedert“ – das (un)schöne Wort „Abwicklung“ würde es eher besser treffen – und als Spielgemeinschaft mit dem HC Niederndodeleben in der zweiten Liga weitermachen. Fünf Jahre hielt man (besser: Frau) sich dort, bevor finanzielle Schwierigkeiten und Querelen ein weiteres Stoppzeichen setzten.


Der HSC 2000 Magdeburg übernahm das Spielerpotenzial und sollte als „Schlachtschiff des Frauenhandballs“ in der Region entwickelt werden. Falsch gedacht: Es gab nur noch eine Richtung – und die wies strikt nach unten. Auf der Internetseite „Frauenhandball in der Börde“ heißt es dazu: „Nach dem freien Fall von der 2. Bundesliga bis in die fünftklassige Landesliga kam 2014 das endgültige Aus des Vereins. Alle Bemühungen der Vereine der Region, eine Zusammenarbeit im Sinne des Erhalts des Frauenhandballs zu organisieren, scheiterten über die Jahre mehrfach.“ Von einer Zeitenwende – keine Spur. Wer heute im Internet den Suchbegriff „Handball/SCM/Frauen“ eingibt, dem springt als erstes die schöne Textzeile entgegen: „Was Frauen lieben – Grün-Rot ist in Mode“.


Noch einmal kurz zurück zu den Mädchen des HSV Magdeburg. Ob sie einmal diejenigen sein werden, die auf der Leiter des hiesigen Frauenhandballs nun den nächsten bitteren Schritt nach unten machen müssen, steht, wie gesagt, noch nicht endgültig fest. Die Befürchtungen, die Trainer Harry Jahns gegenüber KOMPAKT äußerte, sind allerdings nicht von der Hand zu weisen: „Vier bis fünf junge Mädchen spielen bei uns heute schon in der Oberliga-Mannschaft. Dieser Weg wird aber abrupt enden, wenn wir niemand mehr haben, der ihn fortsetzt.“ Es bestehe, fügt der 71-Jährige hinzu, „zumindest die Hoffnung, dass der Landesverband – auch im Lichte der jetzigen Diskussion – seine Entscheidung noch einmal überdenkt.“ Zumal der Verein sich in der Lage sieht, mindestens bis 2024 dieses zusätzliche Training mit eigenen Kräften abzusichern.

Seite 16, Kompakt Zeitung Nr. 228

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