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Stadtmensch:
Döpfner, eine West-Erfindung?

Lars Johansen

Ich bin ein wenig überrascht darüber, dass alle so überrascht sind, dass Mathias Döpfner eine so unangenehme Person ist. Er ist Chef beim Springerverlag und die hauptamtliche Verlegerwitwe Friede Springer hat ihm für seine gute Arbeit Aktien am Konzern geschickt, die wohl sogar Milliarden wert sind. So etwas bekommt man nicht, wenn man ein netter Kerl ist. Und so etwas bekommt man bei Springer ganz gewiss nicht, wenn man aus Ostdeutschland kommt. Was Döpfner in seinen E-Mails geschrieben hat, das ist doch für Menschen, welche die WELT oder die BILD lesen nicht unbedingt neu. So tickt der ganze Konzern und so ticken die meisten seiner Angestellten. Und so wird es täglich tausendfach den Lesern erklärt.


Der Osten ist Terra Incognita, ein exotisches Anhängsel für einen Staat, der immer noch westlich geprägt ist. Wenn es nicht Berlin gäbe, das nun zufälligerweise im Osten liegt und auch über einen Ostteil verfügt, dann würden sie dort gar keinen Kontakt zu diesem Landesteil haben. Natürlich mag man aus diesem Grund auch die Merkel nicht, weil ihre uckermärkische Vergangenheit verdächtig erscheint. Eine Frau und aus dem Osten, das ist für die Döpfners dieser Welt gleich schwierig und potenziert das Problem sogar. Nicht umsonst hielt er viel zu lange an dem ehemaligen Chefredakteur der BILD, Julian Reichelt, fest, obwohl auch dessen Menschenbild von Verachtung für Frauen geprägt zu sein schien. Da ist die Welt eben noch in Ordnung, mit schnellen Wagen und willigen Weibern, mit ungebremstem Hedonismus und gut gelauntem Genuss unter ihresgleichen. Dass man da dazu aufruft, die FDP zu wählen, verwundert nur diejenigen, die einen Lindner oder einen Wissing für eher sekundärbegabt halten. Solange ihnen ein Döpfner Platz einräumt, wird das nach außen anders kommuniziert. Dass mag man für ärgerlich halten, aber wundern sollte man sich nicht.


Was mich wirklich wunderte, war die Rechtschreibung der ehemaligen Edelfeder Döpfner. Scheinbar sind ihm die Grundlagen der deutschen Sprache nicht geläufig. Da schreibt einer, wie er spricht. Wie viele Korrektoren müssen denn seine Texte in die Lesbarkeit übertragen? Oder macht das eine künstliche Intelligenz, um die natürliche Dummheit zu übertünchen? Das holzschnittartige Weltbild hätte man ihm an seiner Eliteschule oder im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eigentlich austreiben können, aber vielleicht ist Döpfner resilient genug, um so einfach gebaut zu bleiben. Da helfen die teuren Maßanzüge wenig, wenn man sich selbst so sehr mag, dass man sich für das Maß aller Dinge hält. Wenn einer nicht dazulernen will oder kann, dann bleibt der Osten die Ostzone, wie man in seiner Kindheit gesagt hat. Das Problem ist nur, dass sich die Welt seither weiterbewegt hat. Wobei das nicht sein Problem sein muss, denn ein viel größeres Problem für ihn ist doch, wer diese privaten Mails weitergeleitet hat.


Und da sind wir schon bei einem ganz anderen Problem. Denn dass ausgerechnet die ZEIT sich an investigativem Journalismus versucht, hat mich ein wenig überrascht. Und wenn ich ehrlich bin, dann gefällt es mir nicht, auch wenn ich Döpfner nicht besonders ins Herz geschlossen habe. Denn auch ich mag meine private Korrespondenz nicht unbedingt in der Zeitung wiederfinden. Vor allem nicht in Halbsätzen und ohne Relativierungen. Der eigentliche Skandal ist nicht, dass Döpfner das ist, was wir alle schon ahnten, sondern die Veröffentlichung der Mails. Wenn es im SPIEGEL oder in der BILD geschehen wäre, dann hätte ich das erwartet. Die ZEIT dagegen stellte für mich bisher eine Hochburg der Seriosität dar, ein analytisches Blatt, welches platte Tagesaktualität und frisch geleakte Texte eben nicht abdruckte. Es hat mich enttäuscht, auch wenn es gewiss für die Verkaufszahlen und die Öffentlichkeitswirksamkeit eine positive Auswirkung gehabt haben dürfte.


Und für noch jemanden hat der Zufall, dass der ganze Rummel ausgerechnet jetzt stattfindet, eine positive Auswirkung. Denn ausgerechnet jetzt veröffentlicht Benjamin von Stuckrad-Barre seinen neuen Roman, der sich, was für ein Zufall, natürlich rein fiktiv, mit der Causa Döpfner beschäftigt. Schließlich waren die beiden einmal befreundet und bis vor fünf Jahren hat Stuckrad-Barre auch sehr gut dotiert für Springer gearbeitet. Natürlich sind beide heute keine Freunde mehr und der Autor schämt sich auch ein wenig dafür, dass es einmal anders war, aber das Geld hat er zehn Jahre lang sehr gerne genommen. Und gegangen ist er vermutlich nur, weil ihn sein Ziehvater Döpfner nicht mit einem noch besser dotierten Chefredakteursposten versorgt hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, auch wenn Stuckrad-Barre natürlich vehement abstreitet, mit diesen Enthüllungen etwas zu tun zu haben. Letztendlich ist es auch gleichgültig, aber einen seltsamen Geschmack hat die ganze Geschichte schon. Ich gestehe, dass ich das Buch noch nicht gelesen habe und die bisherigen Werke des Autors eher als flott geschriebene Zeitgeistwerke wahrgenommen habe, die von nachhaltiger Literatur so weit entfernt sind wie die BILD von der Seriosität. Aber vielleicht tue ich ihm auch Unrecht und muss nach diesem Roman mein böses Urteil revidieren.


Was ich gewiss nicht revidieren muss, das ist mein unfreundliches Urteil über die Döpfners dieser Welt. Die Zeiten misogyner Alphamännchen sollten eigentlich Geschichte sein. Aber zwischen diesem eigentlich, dem Springer-Verlag und der Realität, klaffen große Abstände. Und so ist es eben noch, wie es eben ist.

Seite 7, Kompakt Zeitung Nr. 231

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