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Die zwei Gesichter des Kohlendioxids

Prof. Dr. Peter Schönfeld

Was vom sogenannten Klimakillergas CO2 auch wissenswert ist.

Kohlendioxid (richtig müsste es eigentlich Kohlenstoffdioxid heißen) schürt Ängste und die sind inzwischen allgegenwärtig. Wir müssen unser schlechtes Gewissen beruhigen, wenn wir mit dem Verbrenner-Auto fahren, eine Urlaubsreise planen, die nur mit dem Flugzeug zu erreichen ist, oder an das nächste Grillen im Garten denken. Bei mir meldet sich dieses jetzt schon, wenn ich meinen Durst mit spritzigem Mineralwasser stille. Auch wenn man das Wort Kohlendioxid kaum noch hören kann, ist es von Wert, ein wenig mehr über das Gas zu wissen, das von den Chemikern mit der simplen Formel CO2 getauft wurde.


Die Weltbevölkerung erzeugt durch die Verbrennung von Kohle (5 Milliarden), Erdöl (3 Milliarden) und Erdgas (2,5 Milliarden) geschätzte 34 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Davon werden 55 % von den Ozeanen und der Biosphäre aufgenommen. Der Rest geht in die Luft. Aber im Vergleich zum CO2 ist dort der Stickstoff rund 2.000-mal häufiger vorhanden. Gebunden als Karbonat-Salze gibt es das CO2 in den Kalkstein-Gebirgen, wie in den norditalienischen Dolomiten. Auch die Rügener Kreide und der Marmor (die Edelausgabe) gehören dazu. Da CO2 aus Karbonaten leicht durch Säuren befreit wird, ist es angeraten, eine marmorne Badegarnitur vor jeglicher Säure zu schützen. Andernfalls muss man mit dem Ärger über stumpfe Flecke auf dieser leben. 

 
Man will es nicht glauben wollen, dass CO2 mit dem Sand an der Ostseeküste, dem Feuerstein und dem als Schmuckstein begehrten Rauchquarz chemisch eng verwandt ist. Sand und Quarz bestehen aus Siliziumdioxid (SiO2). Das eine Oxid ist ein Gas, das andere ein harter Feststoff. Das Silizium, von der Photovoltaik-Industrie hochgeschätzt, und der Kohlenstoff stehen je nach Betrachtung untereinander oder übereinander in der 4. Hauptgruppe des vor reichlich hundert Jahren entdeckten Periodensystems der Elemente. Die Eigenschaften der beiden Oxide (CO2 und SiO2) machen eines der von Hegel aufgestellten Dialektischen Grundgesetze, das später von Engels materialistisch uminterpretiert im Anti-Düring niedergeschrieben wurde, den „Umschlag von Quantität in Qualität“, anschaulich.


CO2 begegnet uns auch in fester Form als Trockeneis. Mit diesem wird bei Bühnenshows künstlicher Nebel erzeugt und in den Filmen kochendes Wasser simuliert. Im Gegensatz zu seinem „kleineren Bruder“, dem Kohlenmonoxid, brennt es nicht und es ist auch kein Gift. Weil es aber schwerer ist als die Luft, kann man trotzdem an diesem sterben, immer dann, wenn es in Senken den Sauerstoff verdrängt.


Im Unterschied zu CO2, Methan und Lachgas (Distickstoffmonoxid) sind Stickstoff, Sauerstoff und Argon (zusammen 99,9 %) keine der sogenannten Klimakiller oder Treibhausgase. In der erdnahen Atmosphäre beträgt der Volumenanteil des CO2 nur 0,038 Prozent. Ein anderer Blick auf das CO2 ergibt sich allerdings, wenn dessen Anteil auf die Summe der Treibhausgase bezogen wird. Dann sind es nämlich rund 66 Prozent und in Deutschland entfallen 87 Prozent der freigesetzten Treibhausgase auf CO2 (Umweltbundesamt). Andererseits gäbe es ohne das CO2 in der Luft keine Vegetation und keine Tiere auf der Erde, also uns auch nicht. Dieses wird zusammen mit dem Wasser und dem Sonnenlicht für die Photosynthese der Kohlenhydrate benötigt. Dadurch wird der Erdatmosphäre ständig CO2 entzogen. Umgekehrt geben die Pflanzen (im Dunkeln) und Tiere, also auch wir, zur Aufrechterhaltung ihres Energiestoffwechsels ständig CO2 ab.

 
Gemahnt wird schon lange vor der klimaverändernden Wirkung des atmosphärischen CO2. So schrieb der Klimaforscher Hermann Flohn (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität) 1941: „Damit wird aber die Tätigkeit des Menschen zur Ursache einer erdumspannenden Klimaänderung, deren zukünftige Bedeutung niemand ahnen kann“ (H. Flohn, Z. f .Erdkunde 1941, 9, 13-22). Heute gibt es aber auch verschiedene technologische Strategien zur Wiederverwertung von industriell freigesetztem CO2, die als „Power-to-Gas“ und „Power-to-Liquid“ bekannt sind. Mit diesen werden die Grundchemikalien Methan und Methanol erzeugt. Auch die aktuell kontrovers diskutierte Herstellung der E-Fuels als eine Überlebensstrategie für den Verbrenner, ist ein Beispiel für die „Power-to-Liquid“-Technologie. So werden zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen, die Einsparung von fossilen Rohstoffen und die Verminderung des Eintrages von CO2 in die erdnahe Atmosphäre.

 
Warum wird eigentlich bei der Verbrennung von Erdgas oder Erdöl weniger CO2 gebildet als bei der Kohleverbrennung? Ein Beispiel dazu. Die Brennwerte (gespeicherte Energie pro Masseneinheit) von Steinkohle und Erdgas (bestehen zu 75 bis 99 % aus Methan) betragen rund 30,9 und 55,5 MJ/kg. Demnach müssen zur Freisetzung der gleichen Wärmemenge (55,5 MJ) von den beiden fossilen Brennstoffen 1,8 kg Steinkohle bzw. 1 kg Erdgas verbrannt werden. Nehmen wir an, dass Erdgas zu 100 Prozent aus Methan besteht, dann werden bei dessen Verbrennung 1.400 L CO2 gebildet, wogegen es bei der Steinkohle rund 3.360 L sind, also mehr als das Doppelte. Wie kann man das erklären? Bei der Erdgas-Verbrennung wird der darin enthaltene Kohlenstoff und Wasserstoff verbrannt (oder anderes ausgedrückt, die Elektronen von beiden gehen zum Sauerstoff über), aber bei der Steinkohle nur der Kohlenstoff.

 
In unseren Zellen wird CO2 fortlaufend bei der „Verbrennung“ von Zucker (Glucose) und Fettsäuren gebildet. Mit Wasser reagiert es langsam zu der Kohlensäure (H2CO3), weil das CO2 chemisch gesehen eine „lahme Ente“ ist, addiert sich Wasser nur schwer an dieses. Im Gegensatz dazu zerfällt die Kohlensäure sehr schnell in ein Wasserstoffion (H+) und ein Bikarbonat-Ion (HCO3-).

 

CO2 + H2O → H2CO3 → H+ + HCO3

 

Ebenso langsam läuft natürlich auch die umgekehrte Reaktion ab. Mit dieser Langsamkeit könnten wir aber nicht leben. Deshalb hat die Evolution einen Katalysator erfunden, die Carboanhydrase, ein Zink-haltiges Enzym. Erst durch dieses wird der schnelle Austausch von CO2 im Blut gegen den Luft-Sauerstoff möglich, was erst das Atmen möglich macht. Im Körper wird CO2 hauptsächlich als Bikarbonat-Ion transportiert und durch Vermittlung des Blutes und der Lunge in die Umwelt entsorgt.
Das CO2 sorgt auch für den Erhalt des „richtigen“ pH-Wertes im Körper. Allerdings können Panik, Angst, Aufregung und Stress dabei einen Strich durch die Rechnung machen. Diese Erregungen lösen die sogenannte Hyperventilation aus, eine tiefe Atmung mit hoher Atmungsfrequenz (Kussmaul’sche Atmung). Das hat zur Folge, dass der pH-Wert sich nach basisch verschiebt, was in der Medizin respiratorische Alkalose genannt wird. Darauf reagiert wiederum das Gehirn mit Schwindel oder Ohnmacht und die Muskulatur verkrampft (Tetanie). Letzteres wird durch einen Calciummangel im Blut verursacht. Lässt sich dieses Unheil verhindern? Ja, mit einer Tüte vor Mund und Nase, denn dann wird das abgeatmete CO2 zum großen Teil wieder eingeatmet und schiebt so den pH-Wert wieder in den normalen Bereich.
Extrembergsteiger fürchten die Höhenkrankheit, denn durch sie wird auch die Hyperventilation ausgelöst. Um das zu verhindern, hemmen sie die Carboanhydrase ein wenig mit dem verschreibungspflichtigen Acetazolamid. Mit dem Medikament im Körper scheiden Nieren viel Bikarbonat-Ionen aus, was den pH-Wert im Normalbereich belässt. Der Hemmstoff hat aber auch Nachteile, einer führt dazu, dass den Bergsteigern der Sekt schal schmeckt. Denn das durch den Sekt auf der Zunge erzeugte kribbelnde, leicht brennende Gefühl stellt sich nur bei ungehemmter Carboanhydrase ein. Denn nur dann kann das Sekt-CO2 im Zungengewebe Kohlensäure bilden, die dann über die Aktivierung von Nervenzellen das erwünschte Gefühl erzeugt.


Bei einer konsequenten CO2-phoben Lebensweise müssten wir auch auf Brot und Kuchen verzichten. Denn der Brotteig bläht sich nur durch das bei der Hefe-Gärung gebildete Gas auf. Beim Rührkuchen setzt die Hitze des Backofens aus dem Backpulver (ein Bestandteil ist das Natron, NaHCO3) CO2 frei. Auch das Bier, den Wein und den Sekt müssten wir verweigern. Übrigens für den Letzteren wird ja betont mit „Flaschengärung“ geworben. Aber wenn der Sekt so beworben wird, ist auch Etikettenschwindel dabei. Die Werbung impliziert, dass der Traubensaft zusammen mit der Hefe in Flaschen abgefüllt wird und diese danach verkorkt werden. Im Flascheninneren vergärt Hefe den Traubenzucker zu dem begehrten Getränk. Wenn wirklich so verfahren würde, würde sich die Flasche aber schnell zu einer Bombe durch die Menge des bei der Vergärung freigesetzten CO2 entwickeln. Die Realität sieht anders aus. Bei der Hauptgärung befindet sich der Traubensaft in einem offenen Behältnis, aus dem das CO2 folgenlos entweichen kann. Erst danach wird der schon fast vollständig vergorene Traubensaft in Flaschen abgefüllt, in denen dann eine schwächere Zweitvergärung abläuft.


Auf den Münzen der Römer war oft das Abbild des Gottes Janus geprägt, dessen Kopf zwei Gesichter hat. Er gilt als der Gott des Anfangs und des Endes. Der Januskopf ist aber auch das Symbol der Zwiespältigkeit, also von etwas, das gleichzeitig eine positive wie auch eine negative Bedeutung besitzt. Klimatologen betonen das Negative des CO2. Diese Sicht fordert es geradezu heraus, auch seinen guten Seiten etwas mehr Licht zu geben. Mit dem CO2 beginnt unsere Nahrungskette, CO2 aktiviert die Atmung und es hat Anteil an der Stabilität unseres inneren Milieus. Aber auch fast alle Stoffe unseres Körpers (Lipide, Eiweiße, Kohlenhydrate) werden mit dem CO2 als Molekülbaustein gebildet. CO2 schützt uns ebenso gegenüber den Attacken von Bakterien, denn es ist die Quelle für die Salzsäure in der Magensäure. Mit dieser wird letztlich auch unsere Verdauung befördert.

Seite 4-5, Kompakt Zeitung Nr. 231

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