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Die Nr. 1 wird 100!

Serie zur Entstehung des Gebäudes am Breiten Weg.
Teil 4: Operation D-Mark

Die D-Mark kommt: Am 20. Juni 1990 rollt der millionenschwere Geldtransporter auf den Hof.

Die politischen Umbrüche vom Herbst 1989 leiten das Ende der Deutschen Demokratischen Republik ein. Mit der Währungsunion vom Sommer 1990 löst sich auch die Staatsbank der DDR auf. Ihre Aufgaben werden von der Bundesbank übernommen.


Für Reisen von DDR-Bürgern in die BRD durfte bis dahin jeder Reisende 15 Mark im Kurs 1:1 in DM tauschen. 1989 wollten mit einem Mal ganz viele in den Westen reisen. Um an das Umtauschgeld zu kommen, bildeten sich im September 1989 vor dem Staatsbankgebäude lange Schlangen. Die DM-Bestände im Tresor reichten für den Ansturm nicht aus. Als sie zur Neige gingen, wurde der damalige Justiziar Thomas Fischbeck nach draußen geschickt. „Es war eine äußerst komplizierte Situation. Vor der Bank hatte sich eine Schlange gebildet, die gut und gern bis zur Leiterstraße reichte. Ich habe den Leuten zu verstehen gegeben, dass die DM-Bestände erschöpft seien und dass sie bitte morgen wiederkommen sollten, dann gäbe es frisches Geld. Es war eine angespannte Atmosphäre, die Leute bestanden auf ihren Umtausch und wollten ihren Platz in der Schlange nicht verlassen, vereinzelt gab es sogar unflätige Zwischenrufe aus der Menge“, erinnert sich Thomas Fischbeck. Die DM-Beschaffung muss Uwe Senff, Direktor der Filiale am Bezirksplatz auf eigene Faust organisieren. Per Telefonat holt er sich für die nötigen Transaktionen die Zustimmung des stellvertretenden Vizepräsidenten der Staatsbank Meyer in Berlin ein. Dann ruft er bei der Braunschweiger Filiale der Deutschen Bank an und erbittet die Hilfe der Banker.  Im Dienst-Pkw und ohne Eskorte fahren er und Justiziar Fischbeck kurz darauf nach Braunschweig und tauschen gegen Verrechnungsscheck große Mengen D-Mark ein. Auf der Rückfahrt haben Sie einen Millionenbetrag an DM-Noten im Kofferraum ihres 353er Wartburgs. In den nächsten Wochen wiederholen sie die Fahrt mehrfach.


Einige Monate später, im Februar 1990, stehen alle Vorzeichen auf eine deutsche Währungsunion. Mit dem Staatsvertrag 1 zwischen BRD und DDR werden die Grundlagen der Wirtschafts- und Währungsunion festgelegt, weswegen von Seiten der Bundesbank schon neue Filialstellen in der DDR gesucht werden, um den bevorstehenden Tausch von Ost-Mark gegen DM sicherzustellen. Die Filiale Magdeburg wurde im Rahmen einer „Patenschaft“ von der Landeszentralbank Niedersachsen übernommen. Reibungslos funktionierte das nicht. Das Handelsblatt schreibt am 11. Mai 1990 in einem Beitrag von einer „Tresorkrise in Magdeburg“ und zitiert einen Bundesbanker mit den Worten: „Sollen wir etwa die frischen DM-Milliarden für die Erstausstattung in Magdeburg in einer Büroetage aufstapeln?“ Hintergrund dieser Krise ist, dass die Bundesbanker mehr Platz haben wollen, sich das Gebäude am Dom aber mit der bereits Anfang 1990 eingezogenen Deutschen Bank, der Belegschaft der Staatsbank sowie der ausgegründeten Deutschen Kreditbank AG teilen müssen. Man einigt sich schließlich auf eine geteilte Kassenhalle. Die Deutsche Bank und die DKB gehen zusätzlich am 1. Juni 1990 ein gemeinsames Joint-Venture ein.


Damit alle Bürger der DDR pünktlich zum 1. Juli 1990 die DM in den Händen halten konnten, musste die Bundesbank viele Vorbereitungen treffen. Im Juni 1990 bringen Geld-Transporter insgesamt 440 Millionen Banknoten und 102 Millionen Münzen in die Filialen. Einer der Geldtransporte kommt am 20. Juni 1990 in Magdeburg an. In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 21. Juni 1990 liest sich das so: „Ein seltsamer Konvoy schob sich da durch die Innenstadt: Autos der Volkspolizei, zwei Schwertransporter mit klobigem Kastenaufbau, ein Jeep mit Blaulicht auf dem Dach, begleitet von einem Hubschrauber, der knatternd über der Kolonne schwebte.“


Der Umstellungstag ist der 1. Juli 1990 – ein Sonntag. Wie fast alle anderen Banken und Sparkassen der DDR öffnet auch die Staatsbank am frühen Morgen und sieht sich einem riesigen Ansturm von Menschen zum Umtausch ihres Geldes ausgesetzt. Sparguthaben bis zu einer Höhe von 4.000 DDR-Mark pro Person werden danach im Verhältnis 1:1 umgestellt, alle weiteren Guthaben im Verhältnis 2:1. Rentner durften sogar bis zu 6.000 DDR-Mark im Verhältnis 1:1 tauschen. Im Großraum der Stadt werden insgesamt 60,7 Millionen DM ausgezahlt. Vom ganzen Geldumtausch bleiben republikweit etwa 200 Tonnen Altpapier und tonnenweise Aluminiummünzen übrig. Ebenso wie die aus einer Kupfer-Zink-Legierung bestehenden 20-Pfennigstücke wird das Aluminiumgeld bald darauf eingeschmolzen. Die alten Banknoten, die zum 7. Juli 1990 offiziell ungültig werden, müssen dennoch bewacht werden, weil in Ausnahmefällen noch ein Umtausch bis zum 30. November möglich ist.


Zunächst verschwinden die Scheine in den Tresoren der Staatsbank. Die geplante Verbrennung scheitert wegen möglicher giftiger Dämpfe an Umweltbedenken. Stattdessen beginnt man, die in Jutesäcke verpackten Geldscheine im ehemaligen „Komplexlager 12“, einem verzweigten Stollensystem in den Thekenbergen bei Halberstadt einzulagern. Unter einer Kiesschicht sollten Sie dort verrotten. Weil das eingelagerte Altgeld immer wieder Begehrlichkeiten von Tunnelkletterern weckt, entschließt sich die Kreditanstalt für Wiederaufbau, das Geld doch noch zu vernichten. 2002 werden die Scheine zur Verbrennung ins Kohlekraftwerk Buschhaus gebracht.


Schon 1990 denkt man bei der Bundesbank an einen Neubau. Mit dem wird im Sommer 1996 auf einem gegenüberliegenden Grundstück begonnen. Am 3. September 2001 erfolgt die Einweihung. Das alte Bankgebäude hat damit nach knapp 80 Jahren als Geldhaus seine Schuldigkeit getan.

(Auszüge aus dem Heft „Breiter Weg Nr. 1“, herausgegeben von der Wobau; Text- und Fotoabdruck mit freundlicher Genehmigung)

Seite 13, Kompakt Zeitung Nr. 232

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