Römers Reich:
Patriarchalische Macker

Axel Römer

Leute in der Kultur- und Medienbranche gehören nicht unbedingt zu den kultivierten unserer Gesellschaft. Das wurde jüngst deutlich, als es nach einem Beitrag im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ um einen unangemessenen Ausbruch des Schauspielers, Filmproduzenten und Regisseurs Til Schweiger ging. Inzwischen haben sich die Wogen ein wenig geglättet, auch weil der Spiegel nachlegte und die sittlichen Vorwürfe gegen Schweiger selbst relativierte. Menschen mit nonkonformen Persönlichkeitsmerkmalen stehen häufiger im Rampenlicht einer Beurteilung. Sie ziehen die Aufmerksamkeit an, weil sie eben aus der sogenannten grauen Masse herausragen. Ob sie deshalb künstlerisch qualitätsvoller, einzigartig wertvoller oder irgendwie besser sind als andere, liegt letztlich stets im Auge des Betrachters. 


Doch auch diese Betrachter dürfen in ihren oft überschwänglich subjektiven Urteilen – zumal, wenn sich diese zu einem Massenphänomen generieren – nicht zum Maßstab für alles werden. Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth von der Partei Die Grünen hat das Beispiel Schweiger jedenfalls genutzt, um einen Verhaltenskodex für die Kulturbranche zu fordern. „Die Kultur- und Medienbranche ist aufgrund ihrer Struktur offenkundig anfällig für Machtmissbrauch, für sexualisierte Übergriffe und auch für den Verstoß gegen Arbeitsschutzregeln … Und ich sage ganz deutlich: … die Zeiten patriarchalischer Macker, die ihre Machtposition in übelster Form ausnutzen, sollten wirklich vorbei sein“, so Roth vor der Presse. Matthias Döpfner vom Springer Verlag und den Ex-Chefredakteur der Bild-Zeitung, Julian Reichelt, hatte sie dabei wohl ebenso im Blick. Der Sexismus-Vorwurf aus einem Fall gegen Reichelt löst sich indes vor einem Gericht in Hamburg nach und nach auf.


Ich sage es auch ganz deutlich: Jeder Machtmissbrauch und alle sexistischen Übergriffe müssen sanktioniert und geächtet werden. Daraus jedoch einen neuen Normenkatalog ableiten zu wollen, führt dazu, dass Einzelne noch schneller – auch ungerechtfertigt – diffamiert werden könnten. Am Ende wird tatsächlichen Opfern ein Bärendienst erwiesen. Die Handlungen der Schuldigen fallen in einen großen Topf, der konkrete Taten verrührt und verwässert. Außerdem muss gefragt werden, wer soll die Messinstanz sein, die den Kodex vor Übertretung überwacht?


Was in der Initiative von Frau Roth – vor allem in ihren sprachlichen Äußerungen – vermittelt wird, ist eine generalisierte Männer-Beschimpfung. Sonst wird so viel Wert aufs Gendern gelegt, doch bei der Politikerin steht verallgemeinernd ein ganzes Geschlecht am Pranger. Es gibt inzwischen genügend Beispiele, bei denen Frauen bzw. gleichgeschlechtlich lebende Menschen ihre Position ausnutzen oder aufgrund ihrer charakterlichen Prägung nicht angemessen mit ihren Unterstellten umgehen. Fiesheit bleibt Fiesheit – egal ob in einem öffentlich geförderten oder im privatwirtschaftlichen Bereich. Patriarchalisch-matriarchalische Macker*innen entstehen ohne Kodex, und meistens kann man deren Entstehungsparadox nicht ohne den Spiegel ihrer Umgebung erklären. Axel Römer

Seite 3, Kompakt Zeitung Nr. 232

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