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Ich spreche Deutsch:
Deutsch, Deutsche, Deutschland

Dieter Mengwasser - Dipl.-Dolmetscher und -Übersetzer

Wenn wir uns in der Welt so umsehen, dann sind wir Deutsche die einzigen, die sich selbst als Deutsche bezeichnen. Nehmen wir ganz einfach mal das Wort ‚deutsch‘ und sehen nach, wie dies in andere Sprachen übersetzt wird: ‚deutsch‘ – im Englischen: German, im Französischen: allemand, im Italienischen: tedesco, im Spanischen: alemán, im Lateinischen: Germanicus, im Russischen: немецкий. So gut wie keine Ähnlichkeit mit ‚deutsch‘ in den anderen Sprachen. Dementsprechend auch die fremdsprachigen Bezeichnungen unseres Landes Deutschland: im Englischen: Germany, im Französischen: Allemagne, im Italienischen: Germania, im Spanischen: Alemania, im Lateinischen: Germania, im Russischen: Германия. In Finnland gar heißt Deutschland ‚Saksa‘, im Niederländischen ‚Duitsland‘. Diese Namen sind ursprünglich einmal die Bezeichnung eines Stammes unserer germanischen Vorfahren gewesen, mit dem die anderen Völker in enge Berührung kamen. Später wurde sie auf das ganze, von verwandten germanischen Stämmen bewohnte Siedlungsland übertragen. Die Römer selbst bezeichneten die Gebiete links und rechts des Rheins und nördlich der Donau als ‚Germania‘.

 
Es dürfte interessant sein zu erfahren, wie überhaupt dieses Wort ‚deutsch‘ entstanden ist. Seit wann sprechen wir Deutsch, seit welcher Zeit begannen unsere Vorfahren, sich ‚Deutsche‘ zu nennen?

 
Weit müssen wir zurückgehen. Bereits 500 vor unserer Zeitrechnung haben sich Stämme zwischen Elbe und Rhein, Nordsee und Donau niedergelassen. Wir bezeichnen sie zusammenfassend als Germanen.  Die Angehörigen dieser Stämme ähnelten sich in ihrem Äußeren, im Brauchtum, sie verehrten die gleichen Götter, und auch in der Sprache gab es Gemeinsamkeiten im Wortschatz, im Satzbau und in der Wortbildung. Das alles schließt aber nicht aus, dass sie sich untereinander heftig in kriegerischen Auseinandersetzungen befehdeten. Um das Jahr 500 unserer Zeit kann man vom Bestehen eines Frankenreichs sprechen. Die Franken schieben sich immer mehr in Richtung Westen voran. Im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung haben sie große Teile des heutigen Frankreichs erobert und sich dort angesiedelt. In ihren Eroberungszügen sind sie auf einen Volksstamm namens Volcae getroffen, und sie bezeichneten die dort bereits ansässigen Menschen – nach unserem jetzigen Verständnis romanische Völker – als Walchen oder Welschen. Die aus den germanisch-fränkischen Regionen kommenden Eroberer sehen nun die „Gefahr“, dass sie durch die romanischen Bewohner kulturell und sprachlich allmählich verwelscht werden (offensichtlich rührt ‚Kauderwelsch‘ daher). Die westlichen Franken suchen jetzt festere Bindungen zu den östlichen Brüdern. Sie fühlen sich mit den östlichen Franken „zu einem Stamm gehörig“. Sie sprechen von „theudo“ oder „teuta“, was diese Bedeutung der einheitlichen Stammeszugehörigkeit ausdrückt. „diota“ ist aus der althochdeutschen Literatur in der Bedeutung „Volk“ überliefert. Als „diet“ ist es in den Vornamen ‚Dietmar‘ (= der Volksberühmte) und ‚Dietrich‘ (= der Volksfürst; Theoderich – König der Ostgoten 454 bis 526) noch enthalten. Die Westfranken wählen sich für ihre Stammessprache das Wort ‚theudisk‘ (= theudisch, stammesgemäß, zum Stamm dazugehörig) und grenzen sich gegenüber den Welschen (‚walhisk‘) ab. Die ‚theudiskiu tunga‘ ist die angestammte Zunge, die angestammte Sprache.

 
‚theudisk‘ wird von den germanischen Nachbarn der Franken aufgegriffen und dient, auch als die Sprache der Westfranken allmählich doch romanisiert wird, zur Bezeichnung ihrer eigenen Muttersprache. Als ‚diutisk‘ wird im 8. Jahrhundert von den germanischen Volksstämmen zwischen Elbe und Rhein die gemeinsame Sprache bezeichnet.

 
Karl der Große (742 bis 814), König der Franken, im Jahre 800 zum Kaiser gekrönt, erkannte, dass er seine Erfolge in Kriegen, Eroberungen und politischen Maßnahmen durch eine gemeinsame Sprache noch besser festigen konnte. Die verbindende Rolle der Sprache, die wir heute als damaliges Althochdeutsch bezeichnen, war ihm bewusst. Zwar war die lateinische Sprache in der Welt der Gelehrten und im Machtbereich der katholischen Kirche vorherrschend, aber dem gemeinen Volke wurden Anordnungen und Gesetze bereits auf ‚diutisk‘ bekanntgegeben. Entsprechend dem germanischen ‚theudisk‘ oder ‚diutisk‘ wurde das lateinische ‚theodiscus‘ gebildet. Die deutsche Sprache ist die ‚theodisca lingua‘. Und in Kirchenquellen wird von ‚Theodisci‘ gesprochen, womit Deutschsprechende gemeint sind.
Mit ‚diutisk‘ werden nach und nach allgemein im Siedlungsgebiet zwischen Rhein und Elbe übliche Gebräuche, Sitten, Volksfeste u. ä. bezeichnet. Das sich daraus entwickelnde Wort ‚diutsch‘ oder ‚tiutsch‘ ist ungefähr ab dem Ende des 10. Jahrhunderts Allgemeingut geworden. 1198 sprach Walter von der Vogelweide von der ‚tiuschiu zunge‘. Und die Menschen lebten, bei aller politischer Zerrissenheit und territorialer, vor allem feudaler, Zersplitterung, im Land ‚tiutsche lant‘. In einer auf Deutsch geschriebenen Kaiserchronik des Jahres 1150 wird bereits von ‚Dutisklant‘ gesprochen. Ein politisches und kulturelles Zentrum, wie es in England und Frankreich jahrhundertelang durch London und Paris verkörpert wurde, existierte in Deutschland nicht. Die jeweiligen Kaiser entstammten unterschiedlichen Stammhäusern und bevorzugten ihre eigenen Territorien. Dies könnte auch eine Erklärung für das Bestehen von großen Unterschieden in den sprachlichen Dialekten sein.
Das Althochdeutsche, aus der Zeit Karls des Großen, soll klangvoller als heute gesprochen worden sein. So hieß es damals ‚hano‘, ‚haso‘, ‚zunga‘, ‚sunna‘, wofür wir jetzt sagen: Hahn, Hase, Zunge, Sonne. Seit dem 10. Jahrhundert drangen die Deutschen auch weiter über die Elbe hinaus nach Osten vor und setzten sich in Gebieten fest, die bis dahin ausschließlich von Slawen bewohnt waren. Die Ortsnamen mit den Endungen auf -itz, -in, -ow und -au gehen auf die Slawen zurück. Denken Sie an die Ortschaften Strelitz, Wollin, Treptow, Zittau. Auch Familiennamen wie Virchow, Leibniz oder Lessing sind slawischer Abstammung.

 
Jede Sprache entwickelt sich weiter, es gibt keinen Stillstand. Durch die Entwicklung der eigenen Wirtschaft, durch den Handel sowie sonstige Kontakte mit anderen Völkern und Volksstämmen kommen ständig neue Dinge mit neuen Bezeichnungen hinzu. Römische Kaufleute machten bereits zu Zeiten der Völkerwanderung Geschäfte mit Germanen. ‚moneta‘ ist das Geld. Unsere Vorfahren übernahmen diesen Ausdruck als ‚munizza‘, daher unser Wort ‚Münze‘. Vorher hatte das Vieh die Rolle des Tauschmittels, zu damaliger Zeit als ‚scaz‘ bezeichnet. Unser heutiges ‚Schatz‘ als Form des Reichtums rührt daher.

 
Ein starker Impuls in Richtung Deutsch als einheitliche Nationalsprache ging von der Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache durch Martin Luther aus. Er sagte, er bediene sich der Sprache der sächsischen Kanzlei. Von den Vertretern der katholischen Region, hauptsächlich mit ihren Hochburgen in Bayern und Österreich, wurde die Abspaltung der evangelischen Kirche natürlich nicht gern gesehen, und so versuchten sie, zumindest gegen die neue, normgebende Sprache der fürstlichen sächsischen Kanzlei vorzugehen. Sie beharrten auf ‚die Kron‘ (anstelle ‚Krone‘), ‚der Nam‘ (anstelle ‚der Namen‘), ‚die Sonn‘. Offensichtlich war es auch der Einfluss dieser Kirche, dass dann wieder die lateinische Sprache vorherrschend wurde. Dies führte sogar so weit, dass manche Gelehrten ihre eigenen Familiennamen ins Lateinische oder Griechische übersetzten oder an ihre Familiennamen Endungen anhängten, die lateinischen Ursprungs waren (z. B. Agricola – der Bauer, und vielleicht ist auch der Name Pistorius, den unser Verteidigungsminister trägt, damals latinisiert worden). Ihre Kollegen in Frankreich oder England waren jedoch bereits dazu übergegangen, in der Landessprache zu schreiben.

 
Mit dem Wiederaufleben nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) kam es wieder zur Hinwendung zu einer einheitlichen deutschen Nationalsprache. In die nördlicheren Regionen Deutschlands, wo Plattdeutsch vorherrschte, drang das Hochdeutsche immer mehr vor. Die Menschen dort bemühten sich, es möglichst korrekt auszusprechen. Eigentlich war dieses Neuhochdeutsche in Sachsen geschaffen worden, aber dort lagen Hochdeutsch und Umgangssprache sehr nahe beieinander, und noch heute hören wir einen sächsischen Dialekt ziemlich deutlich heraus. Die Theater, auch die Medien Rundfunk und Fernsehen, orientieren sich jetzt an der Aussprache, wie sie in den nördlichen Regionen Deutschlands – frei von Platt – vorherrscht.

 
Behandeln wir unsere deutsche Sprache nicht stiefmütterlich. Auch für sie, unsere Muttersprache, sollte Goethes Wort gelten: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!“


Dieter Mengwasser
Dipl.-Dolmetscher u. -Übersetzer

 

Buch-Tipp: Die Beiträge von Dieter Mengwasser sind als Buch unter dem Titel „Ich spreche Deutsch! – Sprachbetrachtungen eines Sprachkundigen“ erhältlich. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.

Seite 28, Kompakt Zeitung Nr. 233

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