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„Magdeburg ist Handball“

Rudi Bartlitz

„Magdeburg ist Handball, und Handball ist Magdeburg.“ Besser – und vor allem griffiger – als der einstige SCM-Star Joel Abati hätte wohl kaum jemand den Stellenwert dieser Sportart in der Elbestadt auf den Punkt bringen können. Der Satz gäbe geradezu ein Leitmotiv her für einen Tripp durch die hiesige Historie des Spiels mit dem kleinen Ball. Immerhin, formuliert von einem Mann, für den Deutsch, so gut er es auch spricht, eine Fremdsprache ist. Was der französische Olympiasieger und Weltmeister, der ein Jahrzehnt (von 1997 bis 2007) das Gesicht der Grün-Roten mitprägte, später zum Ehrenbotschafter der Landeshauptstadt ernannt wurde und in die Hall of Fame des Magdeburger Handballs Aufnahme fand, damit meint: In den Mauern der Stadt schlägt das Herz des Handballs wohl so wuchtig wie kaum anderswo in diesen Breiten. Hier existiert eine enge Symbiose zwischen Mannschaft und Fans, die sich über viele lange Jahre entwickelt hat. Hier ist, im Sinne des Wortes, Handball tatsächlich Volkssport. Und hier wurden Erfolge gefeiert, die zum Besten gehören, was in dieser Sportart auf Vereinsniveau vorzufinden ist – nicht nur in Deutschland. 
Es waren Leute wie Hans-Jürgen „Bubi“ Wende, der 1959 mit dem deutschen Feldhandball(!)-Team Weltmeister wurde und später das SCM-Team trainierte, die die Grundlagen dafür legten. Mit der Generation um Ernst Gerlach und Wolfgang Lakenmacher verbinden sich dann schon die ersten größeren Erfolge des SCM, der 1965 aus dem SC Aufbau hervorgegangen war. 1970 feierte das Team den ersten DDR-Meistertitel. Sieben Jahre später folgte der zweite. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis sich auch die internationalen Triumphe einstellten. 1978 und 1981 wurde der Europapokal der Landesmeister (nach Siegen gegen Slask Wroclaw und Slovan Ljubljana) an die Elbe geholt. Auf dem Kontinent sprach man plötzlich über Magdeburg.


„Der SCM hatte eine extrem starke Zeit vor der Wende“, sagte Marc Schmedt, der heutige Geschäftsführer, dieser Zeitung einmal in einem Interview. „Eine zur Jahrtausendwende – und jetzt haben wir mit drei Titeln (European-League-Gewinner, Vereinsweltmeister, deutscher Meister, d. Red.) in 13 Monaten eine extrem starke Zeit in der Gegenwart.“


Was Schmedt damit auch meint: Zu Beginn der neunziger Jahre, in den Nach-Wende-Wirren, waren es die Grün-Roten, denen es als einzigem Ost-Team gelang, sich durchgehend in der neuen Bundesliga zu behaupten. Zusammen mit den Berliner Eisbären waren sie es vor allem, die in den Mannschaftssportarten die Fahne des Ostens hochhielten und sich der Übermacht der finanziell überlegenen Westvereine entgegenstemmten. Der damalige Manager Bernd-Uwe Hildebrandt wusste, an welchen Fäden zu ziehen war, um eine Profimannschaft aufzubauen, die mit der starken Gegnerschaft aus Gummersbach, Großwallstadt, Wallau-Massenheim und später Kiel und Flensburg zumindest weitgehend mithalten konnte. Bei den Punktspielen platzte die ehrwürdige Gieselerhalle mit ihren knapp 2.500 Plätzen da schon oft aus den Nähten. Der Pokalerfolg 1996 war der erste große sichtbare Lohn. Bis dann Trainer Alfred Gislason kam und ein Team aufbaute, das ganz oben im Konzert mitspielte. Die Meisterschaft 2001 und der erste Gewinn der Champions League (vor fast 8.000 Zuschauern in einer nach allen Regeln der Kunst überfüllten Bördelandhalle) einer deutschen Mannschaft im Jahr darauf lösten in der Stadt bis dahin nicht gesehene Jubelstürme aus. Nach einem Autokorso von der Arena zum Rathaus feierten 20.000 Fans ihre Helden anschließend auf dem Alten Markt. Wer wissen will, was eine Stadt des Sports auch zu sein vermag, sollte sich die Videos von diesem Tag ansehen.


Zur Geschichte des Magdeburger Handballs gehört allerdings ebenso, was sich in den Folgejahren abspielte. Finanziell, das tritt in der Rückschau deutlich ins Blickfeld, hatte sich der Verein mit der Verpflichtung vieler teurer Spieler ganz einfach übernommen. Er schlitterte in eine schwere Krise, für die vor allem der frühere Manager Bernd-Uwe Hildebrandt verantwortlich gemacht wurde. Was folgte, war der Sog einer Abwärtsspirale, die auch der Gewinn des EHF-Pokals 2007 nur vorübergehend zu kaschieren vermochte. Die Grün-Roten schrammten zweimal nur knapp an einer Insolvenz vorbei.  Am Ende gelang es nur unter Aufbietung aller Kräfte, sie abzuwenden. Sportlich jedoch schleppte der Verein noch jahrelang diese Last mit sich. Die Bundesliga-Tabelle wies höchstens Mittelfeldplatzierungen aus.


„Bis 2015 hat sich der SCM über zehn Jahre nicht für ein Finalfour-Turnier qualifiziert“, rekapitulierte Schmedt in der jüngsten Ausgabe des Vereinsmagazins. „Seit 2015 kommen wir nun auf zehn Teilnahmen, national und international. Auch das zeigt die Entwicklung, die wir in den letzten Jahren nehmen konnten.“ Als Ursachen dafür sieht der Geschäftsführer unter anderem die starke Verankerung des Vereins in der Stadt – Stichwort: Sportstadt Magdeburg – und der Region. „Unser Partnerpool umfasst mittlerweile 600 Unternehmen – Tendenz weiter steigend. Auch wenn der SC Magdeburg durch seine Strahlkraft national und auch international für Aufsehen sorgt, das Rückgrat bildet die regionale Wirtschaft, die sich im Besonderen der identitätsstiftenden Wirkung des SCM für Magdeburg und Sachsen-Anhalt bewusst ist.“ Das sei in der Vergangenheit so gewesen, gerade während Corona, „und das wird auch zukünftig die Basis für einen wirtschaftlich gesunden Spitzenverein in der Handball-Bundesliga sein“. Oder, um es mit den Worten der „Frankfurter Allgemeinen“ zu sagen: „Magdeburg hat sich nach Jahren der Tristesse zu einem europäischen Handballzentrum entwickelt.“


Und dieser Spitzenverein mischt auch aktuell, trotz einer in den zurückliegenden Jahren nicht erlebten unvergleichlichen Verletztenmisere, in der Bundesliga weiter ganz oben mit. In einem wahren Kraftakt gelang in der vergangenen Woche die Qualifikation für das Finalturnier der Champions League. Motto: Hier sollte Großes gelingen, und alle ziehen mit. Am Ende stand ein weiteres Novum in der Vereinsgeschichte. Ein ebenso strahlender wie stolzer Trainer Bennet Wiegert: „Wie oft haben wir in den vergangenen Jahren gesagt: Da möchten wir auch dabei sein. Nun haben wir Geschichte geschrieben.“

Seite 19, Kompakt Zeitung Nr. 233

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