Ich spreche Deutsch:
Homonyme, Synonyme, Antonyme
Dieter Mengwasser - Dipl.-Dolmetscher und -Übersetzer

- Die Einstellung unseres neuen Azubis zur Arbeit ist wirklich hervorragend.
- Nach einem Hackerangriff machte sich die Einstellung des gesamten Computersystems mit neuer Software erforderlich.
- Der UNO-Generalsekretär forderte die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen in der Ukraine.
- Die geplante Einstellung neuer Mitarbeiter musste wegen der prekären Finanzlage der Kommune verschoben werden.
- Sein Verteidiger stellte den Antrag auf Einstellung des Verfahrens.
- Seit seiner Einstellung auf neue Medikamente fühlt sich der Patient endlich wieder wohl.
Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, in welchen unterschiedlichen Situationen dieses Wort ‚Einstellung‘ verwendet wird. ‚Einstellung‘ ist ein sogenanntes Homonym. Dasselbe Wort, aber immer mit unterschiedlichem Inhalt, mit unterschiedlicher Bedeutung. Die Bedeutung ist eben vom Kontext abhängig. Was die Ursachen für die Verwendung desselben Wortes in unterschiedlicher Bedeutung sind, darüber streiten sich Sprachwissenschaftler. Für manche existiert nur ein einziges Wort, das dann aber polysem ist, also verschiedene Bedeutungen aufweist. Oder man spricht von Gleichklang (Homophonie) und Gleichschreibung (Homographie) sich eigentlich voneinander unterscheidender Wörter. Auf jeden Fall lässt sich die Bedeutung der Homonyme nur erkennen, wenn sie von anderen Wörtern begleitet werden oder die jeweiligen Umstände einen eindeutigen Hinweis geben: ‚weiß‘ = ich weiß; die Farbe Weiß. Schon zu DDR-Zeiten konnten Sie solche Werbung für den Theaterbesuch lesen: „Du hast ein Anrecht auf ein Anrecht.“: Anrecht = 1. das Recht auf etwas haben; 2. ein Abonnement auf Theatervorstellungen.
Im November und Dezember 2022 konnten Sie auf Magdeburgs Straßen große Reklameschilder lesen. „Gemeinsam wird das unser schönes Fest. Fest versprochen!“, so lautete der Text. Sie, aufgewachsen als Deutsche oder Deutscher in Deutschland, verstehen, was mit dieser auf das Weihnachtsfest gerichteten Werbung gemeint ist. ‚Fest‘, ‚fest‘. Sind das nun Homonyme? Überlassen wir eine Antwort dem Streit unter Sprachwissenschaftlern. ‚Fest‘ als Substantiv wird mit sogenanntem offenen ‚e‘ gesprochen, was ähnlich dem ‚ä‘ klingt; ‚fest‘ hat ein geschlossenes ‚e‘, so wie in ‚Ehre‘. Betrachten Sie auch: ‚der Weg‘ und ‚geh weg da!‘ Wieder geschlossenes ‚e‘: ‚der Weg‘, und offenes ‚e‘: ‚weg!‘.
Jeder Mensch hat eine Mutter, die ihn geboren hat. Aber wissen Sie, wie viele Muttern Ihr Auto hat? Was würde passieren, wenn die Mütter ihre Söhne nicht an die Kriegsfront ließen? – ‚Mutter‘ mit zwei unterschiedlichen Pluralformen!
Mir persönlich fehlt der Band 2 des Buches „Die deutsche Sprache“. Manches Mädchen bindet seine Haare mit einem Band zum Pferdeschwanz. In der Festung Mark spielt öfter eine Band. – der Band, das Band, die Band, das sind Homonyme.
Der Bauer sorgt dafür, dass wir etwas zum Essen haben. Oma Schmecker deckt am Abend ihren Bauer mit einem Tuch zu, damit der Kanarienvogel schlafen kann. (auch: das Bauer).
Unter dem Stichwort Homonymie (griechisch homonymos = gleichnamig) werden auch ganze Sätze genannt: ‚Ich sehe den Mann mit dem Fernrohr.‘ Hier ist nicht eindeutig, ob der Mann selbst ein Fernrohr in den Händen hält oder ich mit Hilfe meines Fernrohrs den Mann erkennen kann.
Gehen wir nun zu den Synonymen. Definiert werden sie als verschiedene sprachliche Zeichen für ein und denselben Sachverhalt. Auf gut Deutsch: Synonyme sind sinnverwandte Wörter. Sie haben ungefähr die gleiche oder ähnliche Bedeutung. Beachten Sie bitte das ‚ungefähr‘, denn Synonyme sind nicht immer miteinander austauschbar. Und dann können diese sinnverwandten Wörter auch noch in unterschiedlichen Stilebenen auftreten. Aus meiner Schulzeit erinnere ich mich, dass der Deutschlehrer einmal sagte, dass das Wort ‚schmeißen‘ nicht gebraucht werden sollte, anstelle dessen solle man ‚werfen‘ verwenden. Diese beiden Verben sind Synonyme, und in meinem Kopf hat sich festgesetzt, dass, wenn ich in den Nachrichten des Rundfunks oder des Fernsehens dieses ‘schmeißen’ höre, ich es für einen öffentlichen Sender als stilistisch unangemessen einordne. An dieser Stelle sei auch angefügt, dass nach meiner Einschätzung das Niveau der Stilebenen in den Medien sich immer mehr nach unten verschiebt.
Grau ist alle Theorie, deshalb wollen wir ein paar praktische Beispiele von Synonymen bringen. ‘Samstag’ scheint sich mehr und mehr einzubürgern, während wir früher nur immer von ‘Sonnabend’ sprachen. ‚Freude‘ ist ‚Vergnügen‘, ‚äquivalent‘ wird als ‚gleichwertig‘ angesehen. Der ‚Beweggrund‘ kann die ‚Ursache‘ sein. Einige Synonymreihen für: ‚Fehler‘: Lapsus – Schnitzer – Fehlgriff – Missgriff.; ‚Mädchen‘: Teenager – Maid – Jungfer – Backfisch – Göre – Ding – Fratz – Madel – Mädel (gerade an dieser Reihe ‚Mädchen‘ wird sichtbar, was für unterschiedliche Stilebenen mit diesen Wörtern geschaffen werden können; hinzu kommen regionale Unterschiede in der Verwendung der einzelnen Wörter); ‚mager‘: dünn – knochig – hager – schmächtig – dürr (rappeldürr, spindeldürr) – ausgemergelt – abgezehrt – schmal; ‚sich bewegen‘: – sich rühren – sich regen; ‚bewältigen‘: meistern – beherrschen – bestehen – stemmen (letzteres aus der Zeit nach der Wiedervereinigung, es stammt offensichtlich aus Westdeutschland); ‚mitteilen‘: verkünden – benachrichtigen – berichten – melden – verkünden – kundtun – anzeigen – verständigen – informieren – bekanntgeben.
Dass Synonyme als bedeutungsgleiche oder bedeutungsähnliche Wörter nicht beliebig ausgetauscht werden können, ersehen Sie aus der folgenden Reihe. Wenn Sie nämlich den Text für eine Traueranzeige in der Zeitung zusammenstellen sollen, dann werden Sie hier sehr kritisch an die Auswahl der Wörter herangehen: sterben: enden, aufgeben, scheiden, hinscheiden, krepieren, dahinscheiden, erlöschen, ableben, abberufen werden, abgehen, einschlafen, verstummen, verenden, umkommen, dahingehen, entschlafen, verglühen, versterben, abkratzen, verrecken, erblassen, aushauchen, verscheiden, hopsgehen, hinübergehen, hinsterben, endigen, dahinschwinden, entschlummern, draufgehen, einschlummern, zugrunde gehen, heimgehen, sich davonmachen.
Aktualität gewinnt die Frage der Synonyme in der jetzigen Zeit, wenn existierende Begriffe der deutschen Sprache ohne Notwendigkeit durch Anglizismen mit demselben Bedeutungsumfang ersetzt werden. So hörte ich im April dieses Jahres (man müsste sich eigentlich für die Nachverfolgung solcher Ausdrücke Kalendereinträge vornehmen) mehr im Nebenbei in einer politischen Fernseh-Talk-Show das Wort ‘support’. Im ersten Moment glaubte ich, mich verhört zu haben. Aber ein paar Tage später wurde in einer Reportage zu einem Fußballspiel über einen Auswechselspieler berichtet, der nach der Halbzeitpause eingreifen sollte, aber gemäß Einschätzung des Mannschaftskapitäns ‚kein wirklicher support‘ war. Und bei Cannabis-Pflanzen, so erklärte der Mitarbeiter einer legalen Zuchtanstalt, geht dann die ‚power‘ von unten nach oben in die Blätter.
Bleiben noch die Antonyme. Antonyme sind Gegenwörter, das heißt Wörter mit entgegengesetzter Bedeutung: Leben – Tod, schön – hässlich, groß – klein, Zustimmung – Ablehnung, Minimum – Maximum usw. Die mit solchen Gegenwörtern beschriebenen Sachverhalte schließen einander aus (dick – dünn, hoch – niedrig), aber es kann auch vorkommen, dass sie bewusst im Gegensatz zueinander gebraucht werden und sich bedingen: ‚Ich miete ein Auto.‘ – ‚Diese Gesellschaft vermietet nur Neuwagen.‘ (mieten – vermieten); ‚Jedes Jahr geben wir eine Spende.‘ – ‚Die Lebensrettungsgesellschaft erhält Zuwendungen auch von Vereinen.‘ (geben – erhalten); ‚Die Straße B4 hat zahlreiche Gefällstrecken und Steigungen.‘ Manchmal wird auch in bestimmten Situationen eine Antonymie, also Gegensätzlichkeit, erzeugt: ‚Arabische Ziffern sind für Rechenprozesse besser als die römischen Zahlen geeignet.‘ ‚Für das neue Stadion waren Sitzplätze und Stehplätze vorgesehen.‘
Verbreitet ist das Zusetzen der Vorsilbe ‚un-‘, um Gegensätzlichkeit auszudrücken: gefährlich – ungefährlich, schön – unschön, genau – ungenau, geordnet – ungeordnet. Doch nicht überall gibt es ein Grundwort, dem diese Vorsilbe Gegensätzlichkeit zuschreibt: ‚unbeschreiblich‘ – das Wort ‚beschreiblich’ werden Sie kaum finden; ‚unweigerlich‘ – wo gibt es ‚weigerlich‘? Eine Person kann unscheinbar sein (= nicht auffällig), aber gibt es eine ‚scheinbare‘ Person?
Fragen Sie bitte, liebe Leserinnen und Leser, nicht immer nach Regeln in der Sprache. So manche Erscheinung ist doch unlogisch, nicht wahr? Das gehört eben zum Wesen einer lebendigen Sprache.
Seite 26, Kompakt Zeitung Nr. 234