Verdammt ähnlich

Rudi Bartlitz

Wie sich der 1. FC Magdeburg in seiner zweiten Spielzeit infolge in der 2. Fußball-Bundesliga aufstellt. Ein Saisonziel wie gemeißelt: „Sorgenfreie Weiterentwicklung“.

Das Team für die zweite Saison in der 2. Bundesliga So präsentierte sich das FCM-Team beim Trainingsstart den Fotografen. Hintere Reihe von links: Otmar Schork (Geschäftsführer Sport), Christian Titz (Cheftrainer), Andreas Schumacher (Co-Trainer), Matthias Tischer (Torwart-Trainer), Heiko Horner (Zeugwart), Andre Kilian (Co-Trainer), Tino Meyer (Physiotherapeut), Philipp Brix (Physiotherapeut), Silvio Bankert (Co-Trainer), Kevin Waliczek (Video-Analyst), Zacharias Flore (Physiotherapeut), Jannik Kirchenkampf (Athletik-Trainer). Mittler Reihe von links: Tim Stappmann, Daniel Heber, Leon Bell Bell, Tarek Chahed, Mohammed El Hankouri, Baris Atik, Jason Ceka, Silas Gnaka, Herbert Bockhorn, Alexander Nollenberger, Amara Conde, Maximilian Franzke, Tatsuya Ito, Xavier Amaechi. Untere Reihe von links: Dominik Reimann, David Elfadli, Christiano Piccini, Malcolm Cacutalua, Tim Boss, Noah Kruth, Belal Halbouni, Luca Schuler, Luc Castaignos, Julian Pollersbeck, Jamie Lawrence, Jean Hugonet, Jonah Fabisch. Foto: Peter Gercke

Wenn der Sommer kommt, bricht für Fußball-Fans die eigentlich trostloseste Zeit des Jahres an. In den Ligen ruht still der See, die Finals der internationalen Wettbewerbe sind allesamt gespielt. Und eine WM oder EM stehen ebenso wenig an. Wer nun partout auf innere Erregung nicht verzichten will, schaut zur Nationalmannschaft. Da dort derzeit außer Verdruss allerdings kaum Glücksgefühle einzusammeln sind, konzentriert sich die Aufmerksamkeit eben auf einen ganz speziellen Wettbewerb, den sie in Italien „calciomercato“ nennen. Jenes sommerliche Wettbieten der Vereine um die begehrtesten Spieler, das dieser Tage auch in hiesigen Breiten die Wellen hochschlagen lässt, Gemüter bewegt. Der 1. FC Magdeburg macht da keine Ausnahme. 


In der vergangenen Woche legte Sportdirektor Otmar Schork nach – aus Vereinssicht zu kurz geratener – dreiwöchiger Sommerpause die Karten erstmals auf den Tisch. Was zum Vorschein kam: ein Team, dass jenem, das in der Vorsaison als Aufsteiger einen mehr als respektablen 11. Rang erreichte, verdammt ähnelt. „Bis auf Andreas Müller (den es zu Neu-Bundesligist Darmstadt 98 zog, d. Red.) konnten alle Stammspieler gehalten werden“, freute sich Schork. Inzwischen ist mit Angreifer Moritz Kwarteng ein weiterer Abgang hinzukommen, der sicherlich schmerzt. Er wechselt zu Bundesligist VfL Bochum. Insgesamt sieben Zugänge – unter denen ein sogenannter Königs-Transfer nur schwer auszumachen ist –präsentiert der FCM bisher: Torhüter Julian Pollersbeck, den französischen Abwehrspieler Jean Hugonet, die Mittelfeldakteure Xavier Amaechi, Jonah Fabisch und Ahmet Arslan, Angreifer Ale-xander Nollenberger sowie die Rückkehr von Tarek Chahed (Viktoria Berlin). Hinzu kommt die Vertragsverlängerung des japanischen Wirbelwindes Tatsuya Ito. Viel dürfte sich da jetzt nicht mehr tun. „Von unserer Seite steht der Kader“, bestätigte Schork.


Auffällig: drei der Neuen (Pollersbeck, Amaechi, Fabisch) besitzen eine HSV-Vergangenheit. Es ist unübersehbar, dass Titz immer mehr frühere Wegbegleiter um sich schart. Nachdem es bei den Spielern Leute wie Amara Conde, Daniel Heber, Moritz Kwarteng und Tatsuya Ito sowie Co-Trainer Andre Kilian an die Elbe gezogen hatte, folgt nun dieses Trio. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen: Unmittelbar an Magdeburgs Profibereich angeschlossen sein werden künftig Andreas Schumacher als neuer Co-Trainer und Zacharias Flore als Koordinator Physiotherapie und Reha. Beide arbeiteten gleichzeitig wie Titz beim damaligen Bundesligisten in Hamburg. Spaß-vögel sprechen schon vom „kleinen HSV“. Obwohl es doch die Sachsen-Anhalter waren, die dem einstigen Europapokal-Gewinner zuletzt sechs von sechs möglichen Punkten wegnahmen …


Ein heikler Punkt bei jedem Saison-Neustart ist für die Chefetage stets die penetrante Frage nach dem Ziel, das sich der Club für die kommende Spielzeit stellt. Hatte Schork im letzten Jahr noch das Motto „sorgenfrei“ ausgegeben, sprach er diesmal von einer „sorgenfreien Weiterentwicklung“. Immerhin. Unter Druck scheint sich jedenfalls niemand zu fühlen. Der „eingeschlagene Weg“, so der Sport-Geschäftsführer, soll einfach weitergegangen werden. Solider Optimismus also. Heißen kann das eigentlich nur: Der FCM will zuallererst an die – zu weiten Teilen spielerisch durchaus überzeugenden – Partien der Rückrunde anknüpfen, als in einer gesonderten Tabelle mit 26 Punkten sogar ein bemerkenswerter Platz acht heraussprang (zum Vergleich: Hinrunde mit 17 Zählern Rang 17). Titz: „Wir haben schon Ziele. So wollen wir weniger Gegentore bekommen und die Defensive stabilisieren.“


Es gibt keine, aber auch gar keine Anzeichen dafür, dass Titz von seinem Spielsystem – kurz umrissen: viel Ballbesitz, frühes aggressives Pressing – in Zukunft in irgendeiner Form abweichen könnte. Warum auch?, wird er fragen. Genau diese Art der Präsentation hat ihm zuletzt viel Lob eingebracht; sogar von etlichen Trainerkollegen. Und die meisten Journalisten waren sich einig: In dieser Verfassung, mit der sie vor allemim Frühjahr auftraten, waren die Aufsteiger aus Magdeburger eine Bereicherung der Liga. In der Eröffnungspressekonferenz ließ Titz keinen Zweifel daran, dass er diesen, seinen Weg weitergehen werde.
So als wolle er eine beliebte These erhärten, dass gute Mannschaften irgendwann aussehen wie ihre Trainer, oder umgekehrt: dass gute Trainer es schaffen, Mannschaften nach ihrem Bilde zu formen. Es wäre spektakulär übertrieben, dem entspannten, klaren, aber gewiss nicht übercharismatischen Trainer Titz einen solchen Einfluss zuzuschreiben – auffällig war aber schon, wie sich die Spieler das Credo ihres Chefs zu eigen machten. Zuerst verbal, später dann auch dort, wo es erst so richtig wichtig ist: auf dem Feld.


Eines sollte nicht übersehen werden: Titz´ Fußball basiert auch in seinen besten Momenten nicht auf bedingungsloser spielerischer Freiheit. Der Ballbesitzfußball, mit dem – um einmal im Regal ganz nach oben zu greifen – beispielsweise Manchester City in England zur dominanten Kraft aufgestiegen ist, basiert auf Disziplin und eiserner Positionstreue, vor allem in den ersten beiden Spielfelddritteln. Wer genau hinsieht, erkennt auch bei den Blau-Weißen, dass das Aufbauspiel in den ersten 45 bis 60 Metern ziemlich rigide durchgeplant ist. Die Freiheiten beginnen erst in der gegnerischen Hälfte – und dort sind sie nicht nur erlaubt, sondern explizit gefordert.

Seite 28-29, Kompakt Zeitung Nr. 235

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