In einer anderen Welt
Rudi Bartlitz
Dominique Schaak, Magdeburgs einziger professioneller Automobilrennfahrer, sieht sich in der neuen ADAC GT Germany bisher nicht gekannten Herausforderungen gegenüber.
Insgeheim hatte Dominique Schaak ja schon geahnt, was in diesem Jahr da auf ihn zukommen würde. So sehr sich Magdeburgs einziger professioneller Automobilrennfahrer über den Aufstieg von seiner einstigen Wettbewerbs-Klasse, dem Gran Tourismo Cup (GTC), in die neu ins Leben gerufene „ADAC GT4 Germany“ auch gefreut hatte, er wusste: „Es ist die härteste GT-4-Serie der Welt. Das ist kein Zuckerschlecken, in keiner Sekunde.“ Da klang viel Respekt mit. Wenn er einmal ein Beispiel aus dem populären Fußball bemühen wolle, sagte er dieser Tage im Gespräch mit der KOMPAKT-Zeitung (die seit Jahren zu seinen Unterstützern zählt), sei das „ein Vergleich wie zwischen dritter und erster Liga“. Da lieferten sich superschnelle Tourenwagen, „von denen viele etwa gleichstarke sind, einen Kampf auf Biegen und Brechen. Da geht es schon mit Karacho in die erste Kurve.“
Und genauso kam es. Der 32-Jährige musste schnell erkennen, wie hoch die Trauben 2023 tatsächlich hängen. Freilich, er und sein Teamgefährte Philipp Gogollok, mit dem er sich das Cockpit in einem Mercedes AMG-GT-4 (V-8-Turbomotor, 476 PS, Spitzengeschwindigkeit 260 Kilometer pro Stunde) teilt, sind Neulinge, ihnen fehlt Erfahrung. Zumal Gogollok, der aus dem Kart-Sport kommt, erst 17 Jahre zählt. Dennoch, so realistisch und abgeklärt er sich nach außen gibt, geärgert hat sich Schaak schon, dass zum Auftakt im Motorpark Oschersleben wenig heraussprang, von Punkten ganz zu schweigen. Ausgerechnet auf seiner Hausstrecke in der Börde, vor all seinen Sponsoren, Freunden und Bekannten. Ein Platz unter den ersten 15, für den es Punkte in der Gesamtwertung gegeben hätte, war für das Duo in den beiden Rennen nicht zu holen.
In einer Analyse der Tage von Oschersleben kommt Schaak, der eigene Fehler nicht wegwischen will, dennoch zu dem ernüchternden Resultat: „Wir haben mit stumpfen Waffen gekämpft.“ Das bezog sich vor allem auf seinen Boliden, der, sagen wir es einmal vornehm-salopp, auf dem 3,667 Kilometer langen Rundkurs um einiges von seiner Bestform entfernt war. Hinzu kamen enorme Probleme mit den Reifen. „Es fehlte oft die Haftung. Auf den letzten Runden musste ich mächtig mit ihnen haushalten, um überhaupt noch ins Ziel zu kommen.“
Es konnte also nur besser werden. Das wurde es auch, beim zweiten Renn-Wochenende auf dem Zandvoort Circuit an der niederländischen Nordseeküste. „Da haben wir wirklich zwei gute Rennen hingelegt und sind erstmals in die Punkte gefahren“, rekapituliert Schaak in einer ersten kleinen Zwischenbilanz nach einem Drittel der zwölf Rennen umfassenden Saison. Mit vier Zählern setzte das Eastside-Duo auf der Dünen-Autobahn zumindest ein erstes kleines Zeichen. In der Gesamtwertung ist man vorerst Achtzehnter von 28 Teams. Das erscheint ausbaufähig. Schaak nickt. „Auch wenn uns bewusst ist, dass wir in der ADAC GT Germany in der mit Abstand stärksten Klasse der Welt fahren. Viele ausländische Piloten drängt es hierher.“
Dabei hatte zu Saisonbeginn weitaus Ärgeres gedroht als der Verlust von ein paar Punkten. Da stand nämlich das ganze Abenteuer DTM – zu dessen festem Bestandteil die neue ADAC GT Germany inzwischen zählt – von einem Tag auf den anderen infrage. Eigentlich hatten Schaak und sein Team einen Start im Rahmenprogramm der DTM, in der sogenannten Trophy, geplant, als der damalige Eigentümer (der österreichische Ex-Formel-1-Pilot Gerhard Berger) erklärte, die DTM nicht weiterführen zu können. Viele Rennställe und Fahrer hätten buchstäblich vor dem beruflichen Nichts gestanden. Bis der ADAC die Serie und das Rahmenprogramm kurzfristig übernahm. „Das Wichtigste ist“, erläutert Schaak, „dass wir eng mit der DTM verbunden bleiben, künftig so etwas wie deren Vorprogramm bilden.“ Dort, im Blickpunkt der Öffentlichkeit zu bleiben, das sei er auch seinen inzwischen über 40 Sponsoren schuldig. Gefahren wird auf denselben Strecken, die der große Bruder benutzt.
Derzeit hat die ADAC GT eine Sommerpause eingelegt. Der Magdeburger nutzt sie nicht nur zum Analysieren. Auf dem Programm stehen fünfmal in der Woche Konditionstraining sowie die eine oder andere soziale „Maßnahme“. So traf man sich kürzlich zu einem Charity-Fußballspiel („Schaak & Friends“ gegen den SV Hötensleben – für den Kreisoberligisten war der Pilot einst selbst aufgelaufen) zugunsten der Mitteldeutschen Kinderkrebsforschung. Vor stattlichen 500 Zuschauern standen in der Promi-Elf unter anderem Ex-FCM Kapitän Marius Sowislo, der Botschafter der Stiftung ist, Stürmer-Legende Christian Beck und der Ex-Freiburger Kevin Schlitte. „3.000 Euro sind für den guten Zweck herausgekommen“, freut sich Schaak.
Auf der Piste ist für die verbleibenden acht Rennen (Nürburgring, Lausitzring, Sachsenring, Hockenheimring) die Richtung zumindest vorgegeben. „Wir wollen auf jeden Fall an die guten Auftritte in Zandvoort anknüpfen“, sagt Schaak. „Wenn am Ende ein Rang unter den Top 12 herausspringen würde, wären wir mehr als zufrieden.“ Vielleicht gelingt es Schaak und Gogollok ja sogar, zumindest ein wenig an den Wunsch ihres Teamchefs Florian Möckel anzuknüpfen, der bei der Präsentation vor Saisonstart in der Magdeburger Festung Mark vollmundig verkündet hatte: „Wir wollen zusammen mit Dominique in diesem Jahr eine große Show abliefern.“
Seite 38, Kompakt Zeitung Nr. 236