Römers Reich: Links polarisiert stärker

Axel Römer

Von der Spaltung der Gesellschaft ist oft die Rede. In der Politikwissenschaft heißt das fachlich korrekt „affektive Polarisierung“. Und die dafür verantwortlichen Spaltpilze sind längst ausgemacht. Die stehen natürlich politisch rechts. Doch das ist offenbar nur so eine einseitige Behauptung mehr aus dem sogenannten Bauchgefühl heraus.

 

An der Technischen Universität Dresden ist ein Team des „Mercator Forum für Migration und Demokratie“ unter der Leitung von Prof. Hans Vorländer der Frage nachgegangen, ob die Polarisierung in Deutschland tatsächlich zunimmt und wodurch sie befördert wird. Dabei haben die Wissenschaftler nicht nur die BRD unter die Lupe genommen, sondern gleich die europäischen Länder Griechenland, Polen, Schweden, Frankreich, Spanien, Ungarn und die Tschechische Republik hinsichtlich politischer Haltungen und der Sichtweise auf den jeweiligen politischen Gegner untersucht. 20.000 Menschen wurden insgesamt befragt.

 

Im Vordergrund polarisierender Themen stehen Klimawandel und Migration. Das Fazit der Untersuchung lautet: Wähler linker und grüner Parteien lehnen Menschen mit anderen Ansichten, vor allem solche, die im rechten Lager verortet werden, stärker ab als andere Wählergruppen. Nur bei den Anhängern der AfD ist der Messwert der Ablehnung ähnlich hoch. Zumindest lässt das Ergebnis die Schlussfolgerung zu, dass insbesondere Gruppierungen, die sich selbst als besonders tolerant bezeichnen, dies gerade gegenüber Themen nicht sind, mit denen sie sich stark identifizieren. Andere Positionen wie beim Klimawandel oder zu den Pandemiemaßnahmen der vergangenen Jahre werden strikt abgelehnt. Die geringste Ablehnung gegenüber konträren Positionen hat die Studie bei FDP-Wählern, Christdemokraten und Nicht-Wählern ausgemacht.

 

Der Ukraine-Krieg hat ebenfalls viel Polarisierungspotenzial. Hierbei wird der Ost-West-Unterschied deutlich. Bei Ostdeutschen rangiert das Thema auf dem zweiten Platz. Bei Westdeutschen spielt die Unterstützung der Ukraine dagegen keine so große Rolle. Ähnlich ist es im Bereich Zuwanderung. Auch da zeigen die Ostdeutschen eine stärkere Ablehnung gegenüber anderen Meinungen. Beim Alter haben die Dresdner Forscher noch einen signifikanten Unterschied gefunden. Demnach sind Menschen über 55 Jahren oft polarisierter als junge Menschen.

 

Nun möchte man meinen, in Deutschland sei die Polarisierung besonders stark ausgeprägt. Laut der Studie liegt jedoch Italien vorn, gefolgt von Griechenland. Rund ein Fünftel der befragten Deutschen rechnet die Studie den „stark Polarisierten“ zu. Aus der affektiven Polarisierung folgt dann, dass Menschen mit ähnlichen Meinungen als besonders positiv angesehen werden. Die entgegengesetzte Haltung schürt die negative Bewertung von Menschen. Übrigens waren in den Niederlanden, der Tschechischen Republik und Frankreich die geringsten Polarisierungstrends auszumachen.

Seite 3, Kompakt Zeitung Nr. 237

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