Trophäen für die Ewigkeit

Rudi Bartlitz

SCM-Geschäftsführer Marc Schmedt spricht im KOMPAKT-Interview über die bevorstehende Saison, die wirtschaftliche Situation beim Champions-League-Gewinner, den neuen TV-Kanal Dyn und die damit verbundenen Veränderungen im Liga-Spielplan sowie den Umzug in die neue Geschäftsstelle.

In der Geschäftsstelle des SC Magdeburg stapelten sich in den vergangenen Wochen in Räumen und Fluren die Kisten. Beim Handball-Bundesligisten war Umzug angesagt: Raus aus der neben der MDCC-Arena gelegenen engen „Villa“, wie das marode kleine Häuschen hochtrabend genannt wurde, rein ins zwei Steinwürfe entfernte neue Sportzentrum. Ungewöhnlicher Anblick dabei: Im schmalen Raum von Geschäftsführer Marc Schmedt standen, an die Wand gelehnt und ziemlich verloren wirkend, drei überdimensionale Pokale. Trophäen, nach denen man sich anderswo bei Top-Vereinen dieser Welt wahrscheinlich die Finger lecken würde – nämlich die für den aktuellen Champions-League-Besten und jene zwei Cups, die von Siegen bei den Vereins-Weltmeisterschaften 2021 und 2022 künden. Im höchsten Umzugsstress stellte sich Schmedt den Fragen der KOMPAKT-Zeitung.

 

KOMPAKT: Froh, endlich der wahrlich unübersehbaren Enge der bisherigen Geschäftsstelle zu entkommen?
Marc Schmedt: Das kann man wohl sagen. Die baulichen und vor allem sanitären Umstände waren schon seit längerem schwierig, vor allem für unsere Mitarbeiter. Man wagte es zuletzt kaum, hier einen Gast zu empfangen. Das hat sich verstärkt, seit wir regelmäßig im internationalen Geschäft tätig sind. Da kommen eben Berater und Spieler aus Paris oder Barcelona, oder Partner aus dem In- und Ausland. Um nicht falsch verstanden zu werden, es ging nicht darum, einen Glaspalast zu haben, sondern einfach darum, den SC Magdeburg angemessen zu vertreten. Und unseren Mitarbeitern einen akzeptablen Arbeitsplatz zu bieten. Im Obergeschoß, direkt unterm Dach, war im alten Gebäude bei der Hitze der vergangenen Wochen kaum an vernünftiges Arbeiten zu denken.

 

Bessere Bedingungen und die Vergrößerung der Bürofläche waren aber nicht alles?
Nein, wir sind jetzt nicht nur noch ein wenig näher an die Halle herangerückt, sondern auch räumlich untereinander. Kurze Wege machen in der Kommunikation vieles einfacher. Auch für Nachwuchskoordinator Yves Grafenhorst und die jungen Spieler bietet der neue Ort eine günstige Anlaufstelle.

 

Zum Sport. Könnten Sie folgender These zustimmen: Die zurückliegenden knapp zwei Jahre waren die erfolgreichsten in der Geschichte des SCM-Handballs überhaupt. Gewinner der Champions League, deutscher Meister, Vizemeister, zweimal Vereins-Weltmeister. Mehr geht eigentlich kaum.
Gewiss, das sind unbestreitbare Erfolge. Aber ich sehe die Sache dennoch ein wenig anders. Es gibt aus meiner Sicht drei Epochen, in denen der SCM sehr erfolgreich war. Jede Zeit – mit eigenen Rahmenbedingungen – stand beziehungsweise steht für sich. Da ist die Vorwendezeit mit den großen nationalen und internationalen Siegen des SC Magdeburg, dann die Jahre zu Beginn des neuen Jahrtausends mit deutscher Meisterschaft 2001 und Champions-League-Gewinn 2002 – und dann die Gegenwart mit den von Ihnen aufgeführten Erfolgen. Dabei ist eines fast schon kurios: Wir haben als SCM im Vereinshandball in den zurückliegenden Jahren wirklich alles gewonnen, was es an großen Titeln in der Welt zu gewinnen gibt. Mit einer Ausnahme allerdings, dem deutschen Supercup.

 

Entsteht nun bei Ihnen und in der Mannschaft gewissermaßen ein Druck, das alles in der kommenden Saison bestätigen zu müssen?
Nein, für mich gilt das nicht. Ganz im Gegenteil, ich fühle mich eher befreit. All die Pokale, die wir errungen haben und die gerade hier stehen (Schmedt deutet auf die Trophäen von Champions League und Vereins-Weltmeisterschaft, d. Red.), die sind für die Ewigkeit. Die kann uns keiner mehr nehmen. Und noch etwas: Wir sind nicht, wie manchmal zu hören ist, die Gejagten. Das Rennen ist vorbei. Wir haben es gewonnen. Jetzt gibt es ein neues Rennen. Natürlich überlegt man sich nach einem solchen Erfolg wie dem Champions-League-Sieg, wie geht man damit persönlich um.

 

Wie lautet das Ergebnis?
Da gibt es die eine Möglichkeit zu sagen, das ist ein guter Abschluss. Das haben wir natürlich sofort verworfen. Weil wir nicht nur die Chance haben, sondern die Verpflichtung, jetzt alles dafür zu tun, dass wir für solche Dinge auch zukünftig in Frage kommen. Daran müssen wir uns orientieren. Wir wollen allein durch sportliche Leistung und Arbeitsergebnisse überzeugen, nicht durch große Sprüche. Oder anders gesagt: Wir haben jetzt die Verpflichtung, noch eine Stunde früher aufzustehen als bisher. Freilich wird es auf diesem Weg auch Rückschläge geben. Dennoch: Wir wollen ein Fundament schaffen, um den SCM auf europäischem Spitzenniveau zu etablieren. In allen Wettbewerben möchten wir zu denjenigen wie Kiel, Paris, Barcelona oder Veszprem gehören, die zu den Mitfavoriten gezählt werden. Was am Ende dann dabei rauskommt, hängt im Sport natürlich von vielen weiteren Faktoren ab.

 

Eine Bedingung, diese Ziele erreichen zu können, sind die entsprechenden wirtschaftlichen Voraussetzungen. Wie sieht es da aus?
Der Gewinn der Champions League ist natürlich wirtschaftlich attraktiv, der Wettbewerb ist, wenn man ihn gewinnt oder zumindest das Finalturnier erreicht, ein Ertragsgeschäft. Aber das ist nur eine Seite. Grundlage für alles bleiben unsere regionalen Sponsoren. Uns ist es gelungen, deren Zahl im Lauf der Jahre von einst 350 auf inzwischen 600 zu erhöhen. Soll heißen: Wir sind sehr breit aufgestellt, nicht von einem oder zwei Partnern abhängig. Das gibt uns eine hohe Sicherheit. Im deutschen und europäischen Handball ist der SCM übrigens mit Abstand der Klub, der bei seinen Unterstützern am breitesten aufgestellt ist.

 

Vor acht Jahren haben Sie die Marke „Wir für Magdeburg“ entwickelt, bei der, einfach gesagt, der Brustsponsor von Spieltag zu Spieltag wechselt. Dabei handelt es sich in der Regel um regionale Unternehmen. Angesichts der jüngsten internationalen Erfolge, werden Sie an diesem Modell weiter festhalten?
Auf jeden Fall. Aus der Not geboren sind wir inzwischen dafür auch international gewürdigt worden. So durfte ich beim jüngsten Final-Four-Turnier der Champions League in Köln dieses Modell dem „Forum Group Handball“, der Vereinigung der führenden europäischen Klubs, als beste Vertriebsidee aller Clubs vorstellen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal unterstreichen: Magdeburg und die Region werden auch in Zukunft unser wichtigstes wirtschaftliches Standbein bleiben. Ohne Wenn und Aber.

 

Wenn es um Fragen um Wirtschaftlichkeit und Handball geht, geistert in diesen Tagen oft der Name des norwegischen Klubs Kolstad IL durch die Gazetten. Einst als großer Millionen-Coup angekündigt, musste der Verein schon jetzt die Reißleine ziehen und die Spielergehälter um fast ein Drittel reduzieren. Trotz offensichtlicher Vorspiegelung falscher Zahlen bekam er vom europäischen Verband (EHF) für die kommende Saison dennoch eine Wildcard für die Champions League. Die Handball-Bundesligavereinigung (HBL) hat darauf mit massiver Kritik reagiert. Die Norweger könnten, dies nur nebenbei, ein Kontrahent des SCM werden.
Ich teile die Kritik, die unser Geschäftsführer Frank Bohmann geäußert hat (Bohmann hatte das Finanzgebaren Kolstads als „unseriös“ bezeichnet und deren Ausschluss aus der Champions League gefordert, d. Red.). Das Ganze tut unserer Sportart generell nicht gut. Es ist nicht gut, wenn die EHF sozusagen ohne Kriterien aus geschäftspolitischen und strategischen Gründen, wie es heißt, eine erste Wildcard verteilt. Es war eigentlich von vornherein klar, dass Kolstad sie bekommt. Ich bin ziemlich sicher, dass die Norweger von ihren wirtschaftlichen Problemen wussten, bevor sie die Wildcard erhielten. Und andere Bewerber, wie beispielweise Bukarest, sind leer ausgegangen.

Die ganze Woche Handball

 

So etwas nennt man wohl „Handball satt“. Die Bundesliga geht künftig auch am Freitag und am Montag auf Punktejagd. Dies geht aus dem Spielplan der Saison 2023/24 hervor. Bisher wurde an diesen beiden Tagen nicht gespielt. In einer (nicht repräsentativen) Umfrage des Portals „Handball World“ fanden allerdings weniger als ein Viertel der Befragten den Montag als Spieltag „gut“. Mehr als die Hälfte bevorzugen Partien zwischen Donnerstag und Sonntag. Nicht einmal ein Drittel votierten für Begegnungen zwischen Montag und Mittwoch. Durch die neuen Termine erstrecken sich die Liga-Spieltage in Zukunft über fünf Tage: von Donnerstag bis Montag. Mit der European League am Dienstag und der Champions League am Mittwoch und Donnerstag ist somit die gesamte Woche regelmäßig mit Handball gefüllt. Die Anwurfzeiten werden 19 Uhr und 20.30 Uhr sein, an Sonntagen wird in der Regel um 15 Uhr, 16.30 Uhr oder 18 Uhr begonnen. Alle Partien werden ab dieser Saison vom neuen Streamingdienst Dyn Media live übertragen.

 

Zurück nach Deutschland. Ende August betritt die Bundesliga völliges Neuland bei den TV-Übertragungen. Dann übernimmt der Streaming-Dienst Dyn die Geschäfte von Sky. Einhergehen damit wird, das ist ebenso neu, eine Ausdehnung des Spielplans auf die gesamte Woche. Also Handball von Montag bis Sonntag. Ist das für die beteiligten Klubs ein Segen oder eher ein Fluch?
Dyn ist unter anderem mit dem Ziel angetreten, die hierzulande bei der TV-Übertragung herrschende enorme Lücke zwischen den beiden führenden Mannschaftssportarten Fußball und Handball zu verringern und so zur Erhöhung der Wahrnehmung und der Popularität des Handballs beizutragen. Da Dyn keinen Fußball überträgt, sind sie frei in der Wahl ihrer Sendetermine. Aus meiner Sicht könnte beispielsweise der Sonntag ein attraktiver Termin sein. Auch den Montag wollen wir als HBL mit zwei Partien pro Team zunächst testen.

 

Aber gerade der Montag gilt, zumindest beim Fußball, sowohl live im Stadion als auch vor dem Bildschirm als sehr umstritten, um nicht zu sagen: unbeliebt. Aus einigen Quellen ist inzwischen sogar zu hören, Dyn diktiere der HBL quasi den Spielplan.
Hierzu sage ich klipp und klar: Der Spielplan wird von der HBL festgelegt, nichts anderes. Dyn hat uns eigentlich mehr Spielraum gelassen als bisher. Richtig ist, wir wollen zusammen mit Dyn neue Schritte gehen, dazu gehören auch Veränderungen bei den Spieltagen und den Anwurfzeiten. Generell sehe ich in dem neuen System wesentlich mehr Chancen für den Handball als Risiken.

 

Ende August beginnt also wieder der sportliche Ernst des Lebens. Der erste Titel, den der SCM verteidigen kann, und zwar noch in diesem Jahr, ist der des Vereins-Weltmeisters. Zweimal hintereinander haben sie zuletzt die Trophäe nach Magdeburg geholt. Folgt nun sogar der dritte Streich?
Nein, so vermessen sind wir nicht. Natürlich reisen wir im November nach Saudi-Arabien als Pokalverteidiger. Und wir wollen auch diesmal zum Favoritenkreis gehören, soweit würde ich gehen. Was am Ende aber dabei herauskommt, steht auf einem völlig anderen Blatt.

 

Zur Liga selbst. Wie sehen Sie sie in dieser Saison?
Da dürfte sich ganz oben, denke ich, wenig ändern. Wie viele andere sehe auch ich die oft genannten „großen Fünf“, also Kiel, Flensburg, Berlin, die Rhein-Neckar Löwen und den SCM, als die Teams, die zuallererst für die Meisterschaft in Frage kommen. Allein von der Besetzung des Kaders her, das sage ich jedes Jahr, müsste Melsungen noch dazugerechnet werden.

 

Wir können Sie aus dem Interview nicht entlassen, bevor wir Ihren Meistertipp gehört haben.
Das kann ich wirklich nicht sagen.

 

Aber Ihr Trainer hat es gesagt.
Bennet ist mein Kollege und nicht mein Trainer (lacht). Also gut: Aktuell wirkt auch für mich Flensburg wie der Favorit.

Seite 38/39, Kompakt Zeitung Nr. 238

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