Authentisch den eigenen Einsichten folgen

Johann Friedrich Herbart über Charakterstärke und innere Freiheit

Authentisch zu sein, heißt, so zu handeln, dass dieses Handeln dem eigenen Denken darüber, was jeweils richtig und gut wäre, entspricht. Der Pädagoge und Philosoph Johann Friedrich Herbart nennt diese Handlungsmöglichkeit „Innere Freiheit“.

Der hier veröffentlichte Text ist ein Auszug aus den Konzepten von Frau Prof. Dr. Renate Girmes und ihrem Team von „Omnimundi“. Es geht darum, sich Aufgaben zu stellen – egal, ob persönliche oder berufliche – und diese zu bearbeiten. Allen auf der Welt stellen sich grundlegend 9 Aufgaben. Unter der Internetadresse omnimundi.de findet man weitere Inhalte zum Verständnis über nachhaltige Bildung.

Johann Friedrich Herbarts philosophisches Konzept der „Inneren Freiheit“ bzw. der „Charakterstärke“ hilft zu verstehen, warum es eine Aufgabe ist, sich darin zu üben, seinen Einsichten und Vorsätzen (Herbart nennt das: dem persönlichen „subjektiven Charakter“) zu folgen und sich so gegenüber dem sogenannten ‚inneren Schweinehund’ (Herbart sagt: dem „objektiven Charakter“) mit dessen Vorlieben und Schwächen durchzusetzen. Was sich in dieser Fähigkeit zeigt, lässt sich heute als „inneres Standing“ oder eben mit Herbart als „innere Freiheit“ bezeichnen. Der Grad der inneren Freiheit zeigt sich im persönlichen Verhalten in den eigenen Rollen.

Die Bildungswissenschaftlerin Renate Girmes hat Herbarts Konzept der „Inneren Freiheit“, seine Überlegungen zur Ausbildung des Wollens, von Urteilsvermögen und Charakterstärke so zusammengefasst:
„Wenn man etwas will, dann gilt es zu lernen, das Gewollte zu behalten, was – angesichts mancher Erwachsener, die immer (noch) nicht wissen, was sie wollen – offensichtlich eine kontinuierlich bestehende, aber nicht von allen gelöste Aufgabe ist. Im Behalten des Gewollten entwickelt sich ein Prioritätengefüge, das man, wenn man es in der Adoleszenz in sich vorfindet, mit der dann ausgeprägten Tendenz zur umfassenderen Selbstreflexion betrachtet und für sich zu fassen versucht. Dieser Versuch, ein Selbstverstehen und Selbstbild zu konstituieren, kann zumindest teilweise im Widerspruch zu dem imaginären Bild stehen, das man gerne für sich beanspruchen würde. Das wird dann häufig krisenhaft erlebt. Je mehr Potenzial Menschen/Jugendliche zu diesem Zeitpunkt in sich finden – Potenzial gemeint als fundierte Möglichkeiten ihres Wollens – desto weniger schwierig ist es, gewünschte Selbstbilder und Realität miteinander in Übereinstimmung zu bringen, und desto einfacher wird es sein, sich selbst zu bestimmen, das heißt, seinem Wollen und Wünschen gleichermaßen zu entsprechen. Herbart nennt die Qualität dieser Selbstbestimmung übrigens „Innere Freiheit“ und vertritt die Auffassung, dass die Relevanz und inhaltliche Vielseitigkeit des Bildungsangebots einen entscheidenden Beitrag zur Ermöglichung dieser Qualität der Selbstbestimmung leisten können. Das wird dann der Fall sein, wenn es mit dem Bildungsangebot gelingt, Lernende dazu zu aktivieren, auf der Basis der je eigenen Wunschvorstellungen Erfahrungen mit sich zu machen, die geeignet sind, sich darüber klar zu werden, was sie wirklich wollen und auch, wie das Gefüge der verschiedenen ausgebildeten Willen sich anfühlt und lebenspraktisch miteinander vermittelt werden kann.“ (Girmes 2004, S. 98)

Einen Originaltextauszug von Herbart zum Thema „Charakterstärke“ (Johann Friedrich Herbart (1806) findet man unter https://omnimundi.de/: Allgemeine Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet. Hrsg. von W. Asmus 1965, 3 Bde Bd. 2, S. 104-106).

Seite 30, Kompakt Zeitung Nr. 239

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