Gedanken- und Spaziergänge im Park: Wundern und Erschrecken
Paul F. Gaudi
Am 2. Juni 2016 hatte der Bundestag beschlossen, dass die Massentötung von hunderttausenden Armeniern 1916 im Osmanischen Reich, der heutigen Türkei, ein Völkermord gewesen sei. Natürlich nicht ohne nebenbei festzustellen, dass das deutsche Kaiserreich als damaliger militärischer Hauptverbündeter des Osmanischen Reiches mitschuldig sei, weil es dieses Verbrechen nicht gestoppt habe. Aber 1916 waren fast alle europäischen Mächte die Kriegsgegner Deutschlands und Österreich-Ungarns, nur die Türkei war neben Bulgarien ihr einziger Verbündeter! Und welche Möglichkeiten hätte Deutschland denn gegenüber der Türkei überhaupt gehabt? Aber es scheint ein ungeschriebenes Gesetz für viele Politiker und Historiker zu sein, dass Deutschland fast immer an allem mindestens mitschuldig ist. Aber das nur nebenbei. Es ist wohlfeil, nach hundert Jahren über eine Person oder über ein Land den Stab zu brechen. Das kostet nicht viel. Anders ist das in der Gegenwart. Wieder werden die christlichen Armenier vertrieben, diesmal aus ihrer Heimat Berg-Karabach vom islamischen Aserbaidschan, das eng mit der Türkei verbunden ist. Und was sagt der Bundestag zu diesem Unrecht? So gut wie nichts! Es gab eine Anfrage der AfD, eine der Linken und eine kurze Debatte und das war’s. Kein großartiger Beschluss wie 2016, keine Verurteilung der Regierung Aserbaidschans. Wie auch, das könnte ja unangenehme Folgen haben: Für Deutschland ist Aserbaidschan der wichtigste Wirtschaftspartner im Kaukasus. Aserbaidschan gehört schließlich zu den zehn wichtigsten Rohöllieferanten Deutschlands. Das ist die Gegenwart und nicht einhundert Jahre her!
Objektiver Rechtsmissbrauch
Unsere Politiker protestieren durchaus, wenn Muslime unterdrückt werden, wie z. B. die Uiguren in China und äußern das sogar bei Staatsbesuchen. Wenn aber armenische Christen – übrigens ein Volk, dass schon am Anfang des 4. Jahrhunderts einen der ersten christlichen Staaten gründete – verfolgt und vertrieben werden, dann sind die Verlautbarungen spärlicher. Auch im August dieses Jahres, als in Jaranwala, einer Stadt in Pakistan, die Häuser von rund 100 christlichen Familien sowie ein Großteil der christlichen Kirchen beschädigt und zerstört wurden. Tausende extremistische Muslime zerstörten Kirchen und zündeten christliche Wohnhäuser an, so dass viele Christen sich zur Flucht gezwungen sahen. Von der Bundesregierung gab es dazu keine Proteste oder Verlautbarungen. Ein Abgeordneter der AfD stellte die schriftliche Frage, „wie oft und bei welchen Gelegenheiten sich die Bundesaußenministerin seit 2021 bis heute gegen die Diskriminierung bzw. Verfolgung von Christen öffentlich ausgesprochen habe“, etwa in offiziellen Stellungnahmen, Pressemitteilungen oder Veranstaltungen. Die Antwort vom 11. September war ebenso allgemein wie nichtssagend: „Die Bundesministerin des Auswärtigen setzt sich wie die Bundesregierung insgesamt konsequent für die Achtung und Wahrung der Menschenrechte weltweit ein.“ Das war alles.
Eine neue Welle illegaler Einwanderer bringt Gemeinden, Städte und Bundesländer in arge Schwierigkeiten. Von der merkelschen „Wir-schaffen-das“-Euphorie ist nichts mehr zu spüren. Ministerpräsidenten der Bundesländer, Bürgermeister und Landräte beklagen bei der Regierung, dass sie finanziell und räumlich an ihre Grenzen gekommen wären. Aber aus Berlin kommen weder helfende Antworten noch Maßnahmen. Selbst in den Talkshows werden diese Probleme nicht mehr wie vorher bagatellisiert oder ganz beiseitegelassen, sondern lautstark angesprochen, wie kürzlich von Friedrich Merz. Mit seinem Beispiel löste er erwartungsgemäß lauten Protest bei Mitgliedern der Regierungsparteien und sogar in den eigenen Reihen aus, weil er vielleicht ein nicht ganz passendes spezielles Beispiel anführte, aber im Prinzip hatte er nicht unrecht. Viele medizinische Facheinrichtungen sind immer spärlicher besetzt und klagen über Nachwuchsmangel, aber die Patientenzahl nimmt zu. Wohl haben die Migranten in der Regel erst nach 18 Monaten den vollen Anspruch auf alle Kassenleistungen, aber das sind dann fast alle, da auch abgelehnte Asylbewerber in den meisten Fällen nahezu unbegrenzt „geduldet“ bleiben und viele mangels regulärer Beschäftigung keinen Cent in eine Krankenkasse einzahlen. So stöhnen selbst die Kassen über ein sich stetig verschlechterndes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben. Das ist jedoch nur ein Teil der Kosten. Gerd las kürzlich in einer Annonce eines kirchlichen Sozialdienstes, dass Reinigungskräfte für Flüchtlingsheime gesucht würden. „Da fragt man sich, ob die gesunden jungen Leute ihre Unterkunft nicht selber sauber halten könnten?“, sagte er kopfschüttelnd dazu. Aber das ganze Dilemma fängt eigentlich schon bei der Bezeichnung der Einwandernden an. Nur auf einen Teil von ihnen trifft die Bezeichnung Asylsuchende oder Flüchtlinge zu. Einen größeren Teil müsste man richtiger als Immigranten, also Einwanderer bezeichnen, die hier ein besseres Leben suchen als das, was sie in ihrem Herkunftsland hatten. Das ist ein verständlicher Wunsch. Aber für das Einwandern gibt es gesetzliche Regelungen und Möglichkeiten und nicht illegale Grenzdurchbrüche. Das ist übrigens keinesfalls die Ansicht unbelehrbarer Asylgegner. Auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sieht das ähnlich. In einem Interview Anfang dieses Monats sagte er: „Die Durchführung der aufwendigen Asylverfahren auch für all die vielen Menschen, die offenkundig kein Recht auf Asyl und auf internationalen Schutz haben, weil sie ersichtlich weder politisch verfolgt noch als Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge anzuerkennen sind, war und ist dysfunktional und objektiv Rechtsmissbrauch.“ Aber es gibt bislang keine entsprechenden Maßnahmen der Bundesregierung, weder der jetzigen noch der vorangegangenen.
Förderung der Prostitution
Das wird noch unterstrichen durch Berichte des ZDF und der Deutsche Welle sowie auch verschiedener Zeitungen, dass nicht nur leidende Verfolgte hier ankommen, sondern dass auch die nigerianische Mafia in Deutschland und in ganz Europa immer stärker wird. Der Bundesnachrichtendienst (BND) warnte die Regierung schon im Februar 2019 davor, dass sich diese kriminelle Organisation in Deutschland ausbreitet: „Der starke Zuzug nigerianischer Asylbewerber, die vermehrt aus Italien in die Bundesrepublik einreisen, werde zu einem Aufwuchs der äußerst brutal agierenden nigerianischen Strukturen der organisierten Kriminalität führen“, heißt es in dem Geheimdienstpapier. Wurde es zur Kenntnis genommen und darauf adäquat reagiert? Man hat nicht den Eindruck. Neben manchen anderen „Geschäften“ ist ein Geschäftszweig dieser Organisation auch die Zwangsprostitution. Mit falschen Versprechungen oder mit Erpressung und durch Zwang werden junge Frauen zur Auswanderung gebracht, wobei sie sich hoch verschulden und diese Schulden dann in Europa als Prostituierte und in Bordellen „abarbeiten“ müssen. Mehr als 20.000 nigerianische Frauen haben in den vergangenen Jahren das Mittelmeer nach Italien überquert. Die UNO schätzt, dass rund 80 Prozent von ihnen in der Prostitution gelandet sind, wobei ein größerer Teil noch minderjährig ist. Die liberalen Prostitutionsgesetze Deutschlands erleichtern diese Machenschaften der nigerianischen Mafia noch.
Wie wird es kommen?
Die „Letzte Generation“ wird wie alle Weltuntergangssekten immer radikaler und versucht durch spektakuläre Aktionen vermehrt die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wie vor kurzem durch die Besudelung des Brandenburger Tores. Allerdings kann man bezweifeln, ob diese Aufmerksamkeit positiv ist. Die meisten Menschen, mit denen ich darüber sprach, äußerten ihr Unverständnis und ihren Ärger über solche Denkmalsschändung. Aber nicht alle denken so. Eine Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Bundeswehr-Universität München, Hedwig Richter, schrieb auf X, wie Twitter jetzt heißt: „Ein würdiger Gebrauch unseres Nationaldenkmals. Mir fällt momentan kein besserer ein.“ Gerd konnte darüber nur noch den Kopf schütteln und stellte die Frage, welche Ideologie die künftigen Führungsoffiziere unserer Bundeswehr dort wohl eingetrichtert bekommen? Ich sage es nicht gern, da ich froh bin, dass die DDR das Zeitliche gesegnet hat. Aber in der DDR gab es wenigstens Anstand und Ehrfurcht vor geschichtlichen Denkmälern und die SED-Regierung hatte das Brandenburger Tor wieder restaurieren und 1958 die Quadriga wieder herstellen lassen. Aber es gibt auch hierzulande Kräfte, die ähnlich wie in radikalen Regimen die Vergangenheit umschreiben und ihre Zeugnisse verschwinden lassen möchte. Zum Abschied gab mir Gerd ein Buch, das er gelesen hatte: „Die Kandidatin“ von Constantin Schreiber. „Es hat vielleicht nicht so die literarische Qualität wie „Die Unterwerfung“ von Houellebecq, aber aufbauend auf den ideologischen Auseinandersetzungen der Gegenwart schildert es, wohin die Entwicklung gehen könnte. Manchmal karikiert er gewisse Ideologien, man lacht erst – und dann bleibt einem das Lachen vor Schrecken im Halse stecken. Lies es mal!“, sagte er und ging seines Weges.
Seite 8, Kompakt Zeitung Nr. 242