Lady in Blau und Weiß

Magdeburgs führender Frauenfußball-Verein MFFC wird sich dem FCM anschließen.

Von Rudi Bartlitz

Während im fast schon ewig anmutenden Kampf zwischen Wolfsburg und dem FC Bayern weitere Rasen-Duelle anstehen, versucht ein kleiner Flecken im Osten, den Anschluss an die zuletzt rasante Entwicklung in Deutschlands Frauenfußball nicht gänzlich zu verlieren. Die Rede ist, das soll keinesfalls despektierlich klingen, von Magdeburg. Denn während es anderenorts mit wahren Siebenmeilenstiefeln vorangeht und immer mehr Bundesligisten mit eigenen Lady-Formationen aufwarten, drohen die ehemals „Neuen Länder“ nach unten durchgereicht zu werden. In dieser Saison werden in der höchsten Spielklasse nun elf von zwölf Teams Vereine repräsentieren, deren Kerngeschäft professioneller Männerfußball ist.

Es ist unübersehbar: Frauenfußball boomt. Die Zuschauerzahlen schnellen empor. Inzwischen öffnen sich peu à peu sogar die großen Stadien in Frankfurt, München oder Wolfsburg den Frauen (vor drei, vier Jahren noch undenkbar). Östlich der Elbe – sieht man einmal vom wirtschaftlichen Sonderfall RB Leipzig ab, das sich 2023 erstmals in die Elite-Liga einreihte – droht der Frauenfußball langfristig im Niemandsland zu verschwinden. Zumal der früher gesamtdeutsche Titel sammelnde 1. FFC Turbine Potsdam – einst eine Weltmarke seines Genres und so etwas wie eines der wenigen Aushängeschilder des Ostfußballs – gerade sang- und klanglos aus der Ersten Liga abgestiegen ist.

Nun also kommt aus Sachsen-Anhalt zumindest ein kleines Zeichen der Hoffnung. Zweitligist 1. FC Magdeburg und der Magdeburger FFC, ein reiner Frauen-Verein, kündigten dieser Tage an, demnächst fusionieren zu wollen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Regionalligist MFFC wird sich dem blau-weißen Platzhirsch anschließen; alles andere zu behaupten wäre horrender Blödsinn. Wenn die letzten Abstimmungen so laufen, wie es beide Vereine durchblicken ließen, soll der Schritt zum 1. Januar 2024 vollzogen sein. Damit würden die 181 Mitglieder und das Spielrecht der insgesamt sechs MFFC-Mannschaften ab 1. Juli 2024 zum 1. FC Magdeburg wechseln. Der dann, so die Hoffnung allenthalben, weiterhin der 2. Liga angehört.

Nicht alle Klubs gehen hierzulande den Weg, den nun auch Magdeburg einschlagen will. Nämlich, dass ein Kleiner sich einem Großen anschließt. Ausgerechnet Schwergewicht Borussia Dortmund entschied sich anders. Erst seit 2021 hat der BVB überhaupt eine eigene Frauenmannschaft. Damals begann man den Marsch durch die Institutionen, startete in der Kreisliga A, anstatt direkt in einer höheren Klasse aufzulaufen. Diese Art von Einstieg wäre „möglich gewesen, aber das wollten wir nicht“, unterstrich BVB-Boss Hans-Joachim Watzke. „Wir wollten andere nicht killen, und wir werden nicht von vornherein Subventionsfußball betreiben. Wir werden es nicht so machen, dass wir das Dreifache von anderen Mannschaften in der Liga zahlen, nur weil wir Borussia Dortmund sind.“ Bemerkenswert allemal.

Es ist freilich immer mit ein wenig Wehmut verbunden, wenn Sportgemeinschaften – Tradition hin, Tradition her – so einfach von der Landkarte verschwinden. Wie wohl demnächst der MFFC. Seine Wurzeln liegen bei der SG Handwerk, bis sich 1991 die komplette Frauenfußballabteilung dem SV Fortuna anschloss, ehe 1997 mit dem FSV Fortuna Magdeburg/Wolmirstedt ein eigener Verein gegründet wurde. Ab 1. Juli 2003 lautete der Name dann Magdeburger FFC. Beim MFFC, der Sachsen-Anhalts Frauenfußball zwei Jahrzehnte dominierte, ginge eine „nur“ 21 Jahre währende Ära zu Ende.

In diesem Fall sprechen aber schlagkräftige Faktoren für den eingeschlagenen Weg. Die Rot-Schwarz-Weißen sehen sich, vor allem mit Blick auf die Zukunft, als allein vom Ehrenamt lebender Verein vor nahezu unlösbare Zukunftsaufgaben gestellt. Mit einem Etat von 80.000 Euro sind wahrlich keine großen Sprünge zu machen. Von einem professionellen Umfeld ganz zu schweigen. „Wir möchten die vorhandenen Strukturen festigen und Top-Spielerinnen auf höchstem Niveau ausbilden“, sagt Präsident Christian Brachvogel. Ersteres scheint machbar, letzteres wird Zeit benötigen. Zumindest mittelfristig, das erscheint realistisch, wird die 2. Liga ins Visier genommen.

Komme jetzt keiner und behaupte, der ballspielende Magdeburger Frauen-Sektor sei doch ohnehin einer der ewig Namenlosen der Branche gewesen. Almuth Schult, die spätere Olympiasiegerin und Welttorhüterin, steht als schlagender Gegenbeweis. Beim MFFC, bei dem die Wendländerin 2008 anheuerte, legte sie die Grundlagen ihrer glanzvollen Karriere. Nicht zuletzt ihr war es zu verdanken, dass die Sachsen-Anhalterinnen seinerzeit den Gipfel in der Vereinshistorie erklommen und drei Jahre lang die 2. Bundesliga halten konnten. Und da wäre der Name Simone Borris. Über zwei Jahrzehnte, zuletzt beim BSV 79, hatte sie im defensiven Mittelfeld vieles weggeräumt. Erst 2019, mit 56 (!), stellte sie ihre Töppen für immer in die Ecke. Heute ist sie Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt.

Seite 33, Kompakt Zeitung Nr. 243

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