Standpunkt Breiter Weg:
Die Verantwortung teilen nicht alle
Thomas Wischnewski
Terror, ist Terror, ist Terror! Da gibt es keine Zweifel. Doch es ist zum Heulen, dass nun nach dem Russland-Ukraine-Krieg ein weiterer gefährlicher Brandherd im Nahen Osten aufflammt. Und das Ganze bleibt kein Zwist zwischen Israelis und Palästinensern, sondern stilisiert sich als ein vertiefender Grabenkampf zwischen der arabischen und der westlichen Welt. Und nun zieht sich dieser Graben auch durch unser Land.
Ausschreitungen zwischen Muslimen und der Polizei in Berlin und in Nordrhein-Westfalen, betende Islamgläubige vor dem Brandenburger Tor, während die deutsche Politik die Unterstützung Israels als Staatsräson beteuert. Haben wir wirklich geglaubt, dass sich muslimische Migranten in die historische Verantwortung der Deutschen integrieren ließen? Die Besonderheit unserer Holocaust-Geschichte ist unsere kulturelle Eigenheit und keine einforderbare Tradition anderer, insbesondere arabischer, Völker. Auch wenn die Mehrheit der hierzulande lebenden Muslime ein friedliebendes Zusammenleben, ein Nebeneinander der Kulturen und Religion wünschen bzw. nur akzeptieren, kann der Keim von Radikalisierung und Auseinandersetzung aufgehen.
Noch vor seinem Tod 2014 warnte der deutsch-französische Publizist Peter Scholl-Latour: „Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta!“ Der Vergleich muss heute als eine sich erfüllende Metapher gesehen werden. Forderungen für Menschlichkeit und Integrationsreden schaffen weder das eine noch das andere. Heute sitzen in Schulklassen muslimische Migrantenkinder neben deutschen Schülern. Mancherorts sind gar die abendländischen Kinder in der Minderheit. Eine elterliche Kultur- und Einstellungsprägung lässt sich nicht einfach durch Pädagogen wegdozieren. Man mag sich wünschen, dass die eine Welt, die wir haben, eine für alle ist, dass ein friedliches Leben zwischen kultureller Vielfalt, unterschiedlicher Religiosität und Tradition möglich ist, aber Wünschen hilft nicht, wenn Taten in ein Auseinanderklaffen des Verstehens münden. Deutsche Institutionen und Unternehmen proklamieren für sich Diversität in alle Richtungen. Aber wollen sich darin auch jene integrieren, die jetzt Juden- und Israelhass verbreiten? Was wir Deutsche nach drei und vier Generationen türkischer Zuwanderung sehen können, ist, dass Integration in weiten Teilen gelingen kann. Aber das dauert Generationen und erfüllt sich nicht deshalb, weil millionenfache Bekundungen in sozialen Netzwerken erfolgen. Wenn jüdische Menschen in Deutschland heute wieder Angst haben müssen, ist unsere historische Verantwortung, sie ihnen zu nehmen, aber wollen das auch solche, die diese Verantwortung nicht kennen?
Seite 2, Kompakt Zeitung Nr. 243