Keine Zeit zum Lachen
Rudi Bartlitz
Fußball-Zweitligist 1. FC Magdeburg rutscht immer tiefer in den Abstiegskampf. Sport-Geschäftsführer Otmar Schork sieht lediglich eine „Ergebniskrise“.
Angesichts des Fußballs, den der FCM zuletzt anbot, ist den Magdeburgern das Lachen ziemlich vergangen. Das ist schade, denn eigentlich sollen ja schon zwei Minuten Lachen für den menschlichen Körper und Geist so gesund sein wie 20 Minuten Joggen. Lachen lockert die Muskeln. Der Mensch will lachen, will Freude haben. Eben die hatte er bei den Blau-Weißen in den zurückliegenden Wochen nicht mehr – nicht in der heimischen Arena, nicht bei Partien in der Fremde.
Es kommt beim FCM nicht allzu oft vor im Jahr, dass Sportgeschäftsführer Otmar Schork die Medien zur Fragerunde einlädt. In der Regel geschieht dies vor und nach der Saison oder rund um die Winterpause. Diesmal war es anders: Mitte November. Inmitten turbulenter Zeiten. Sicher, eine schonungslose Analyse, verbunden mit deutlichen Worten und Botschaften, präsentierte er nicht. Wollte er wohl auch nicht. Trotzdem war der Zeitpunkt bemerkenswert.
Es muss zwar nicht einer Wagenburg-Mentalität das Wort geredet werden, aber das Motto der Schorkschen Antworten war unüberhörbar: Die Reihen geschlossen halten. Seine Botschaft: Es holpert zwar, aber wir gehen unseren Weg weiter. Gemeinsam. Obwohl in der Praxis längst unübersehbar, nahm er das Wort Abstiegskampf in der 40-minütigen Medienrunde nicht einmal explizit in den Mund. „Wir wissen, wo wir stehen“, antwortete er auf eine KOMPAKT-Frage. Schork gab jedoch zu, dass ihn die letzten Wochen „aufgewühlt“ haben und ihm viele Gedanken durch den Kopf gingen. Der 66-Jährige, der im Gegensatz zu sonstigen strengen Club-Gepflogenheiten seine eigene Vertragslaufzeit bekanntgab („bis 2025“), bezeichnet die augenblickliche Situation beim FCM als eine „Ergebniskrise“.
Nicht anschließen wollte sich der Geschäftsführer der These, dass eine nicht unerhebliche Ursache für das bisher unbefriedigende Abschneiden – neben löchriger Abwehr und Sturm-Flaute – die mangelnden Leistungen im Mittelfeld sind, von dort zu wenig Ideen für schnelles, variables Angriffsspiel kommen. „Ich sehe unsere Mannschaft schon gut, als Mannschaft. Wir spielen uns im Mittelfeld viele Torchancen heraus. Wir sollten eher auf die Fehlerquoten schauen, die zu Gegentoren geführt haben.“
Klar ist für Schork: Trainer Christian Titz (52) ist unantastbar. „Wenn ich spüren würde, es gibt Klüngel oder Grüppchen in der Mannschaft. Oder es stimmt die Chemie nicht zwischen Trainer und Team, dann wäre ich da, um einzugreifen. Aber das ist nicht der Fall“, erklärte er mit Nachdruck. Schork betonte die gute Arbeit des Trainers und zog Vergleiche zur vergangenen Saison. Dort war man ebenfalls „holprig ‚reingekommen“, meisterte diese Situation am Ende jedoch mit guten Leistungen. Hinzu kommt: Ob die Spieler ihrem Trainer (noch) vertrauten, ihm zutrauten, sie wieder in die Spur zu bringen, ist eine Frage, die nur in der Mannschaft und dem innersten Zirkel des Vereins zu beantworten ist.
Natürlich, die Absicht, den Trainer zu tauschen, mag angesichts des Abwärtstrends zumindest eine Überlegung wert sein, zielt aber an den wahren Ursachen vorbei. Vorerst zumindest. Zumal nahezu das gesamte Team, was Spielertypen anbetrifft, nach Titzschem Muster zugeschnitten ist. Noch erscheint nach 13 von 34 Spieltagen genügend Zeit zu sein, den Karren aus eigener Kraft zu wenden. Doch Vorsicht! Im Fußball – Achtung, Binsenweisheit – sind einerseits die Wege oft unergründlich. Andererseits folgen sie unweigerlich den Gesetzen der Branche. Was das heißt, dazu genügt ein Blick rund 170 Kilometer gen Osten.
Nach dem Union-Wunder der letzten drei Jahre hätte man eher auf einen freiwilligen Infantino-Rücktritt wetten können als auf eine Trennung von Coach Urs Fischer. Aber: Trotz vorangegangener Treuebekundungen von Präsident Peter Zingler, der quasi öffentlich eine Lebensversicherung für den Schweizer abgegeben hatte, ist dessen vorzeitiges Ende der Amtszeit letztlich keine Überraschung. Das hatte einen simplen Grund: Die Ergebnisse stimmten nicht mehr. Von den vergangenen vierzehn Spielen gingen dreizehn verloren, in der Bundesliga ist der Champions-League-Teilnehmer bis auf den letzten Platz durchgereicht worden.
Beim FCM wurde seit acht Begegnungen kein Sieg mehr eingefahren. Von einst Platz zwei ging es nahezu im freien Fall runter auf einen Rang, der sich von der Relegationsposition nur noch durch das bessere Torverhältnis unterscheidet. Dennoch hofft der Sportchef, dass die Mannschaft bis zur Winterpause die Kurve kriegt. Schork räumte ein, dass ihn die letzten Wochen „aufgewühlt“ haben und ihm viele Gedanken durch den Kopf gingen. Dennoch beharrt er darauf: „Es ist, wie gesagt, eine Ergebniskrise. Uns fehlt die Effizienz im Abschluss. Und wir kassieren zu viele Gegentore nach Fehlern. Wir müssen einfach besser weg verteidigen.“ Dann hätte man zum jetzigen Zeitpunkt „fünf, sechs Punkte mehr haben können“. Einwurf: Zu wenig Tore vorn, zu viel hinten – irgendwann verbirgt sich dahinter auch eine Qualitätsfrage.
Aber wo liegen sie nun, die Hoffnungen? Eines ist klar: „Heavy-Metal-Fußball“, wie vielleicht im Abstiegskampf zu erwarten, wird von dieser Mannschaft unter diesem Trainer auch in Zukunft nicht zu sehen sein. Das zu fordern würde genauso wirkungslos bleiben wie eine Unterhaltung mit dem Torpfosten. Dazu hängt Titz, auch als Theoretiker, zu sehr an seinem an viel Ballbesitz orientiertem System. Erst hinten dicht machen, dann vorn zaubern, also die Devise: „Safety first“. Das könnte eine der möglichen Lösungsvarianten sein, die – zumindest für den Laien – auf der Hand liegen.
Vielleicht dann mit neuem Personal? Schork: „In der Vergangenheit haben wir es immer so gehandhabt, dass wir in der Winterpause ein bis drei Spieler dazu geholt haben.“ Es waren, wie man spätestens seit Baris Atik und Luc Castaignos weiß, nicht immer die schlechtesten. „Wir beobachten den Markt, das ist ein ständiger Prozess.“ Auf welchen Positionen der Zweitligist nach Alternativen Ausschau hält, ließ Schork noch offen und erklärte: „Vor uns liegen noch vier Spiele in der Liga. Das Transferfenster öffnet sich im Januar. Da ist noch Zeit.“ Stimmt, aber gerade um die Weihnachtszeit herum passieren zuweilen geheimnisvolle, seltsame Dinge. Fußballvereine sind davon nicht ausgenommen.
Seite 38, Kompakt Zeitung Nr. 245, 22. November