Die Rückkehr der „Reds“
Rudi Bartlitz
Magdeburg erlebt in der ersten Januarhälfte mit dem Pape-Cup eines der renommiertesten europäischen Fußball-Nachwuchsturniere unter dem Hallendach.
Mehr Überraschung, um das Wort Sensation einmal zu umschiffen, ging eigentlich nicht. Als die U-17-Juniorenfußballer vor gut einer Woche den Weltmeistertitel eroberten, rieben sich die Fans zwischen Ostsee und Alpen überrascht die Augen: Der in den zurückliegenden Jahren so oft – zu Recht – gescholtene deutsche Fußball kann es ja irgendwie doch noch. Dank einer aufstrebenden jungen Generation. Auf sie sind plötzlich hierzulande der Fokus und die Hoffnungen gerichtet. Und was die (möglichen) Nachfolger der Helden von 2023 draufhaben, was sie am Ball können, das wird Mitte Januar ausgerechnet in Magdeburg zu besichtigen sein. Dann nämlich steigt in der Getec-Arena, Sachsen-Anhalts größter Sportarena, eines der renommierten europäischen Nachwuchs-Hallenturniere, der traditionelle Pape-Cup.
„Ja, es lohnt sich tatsächlich, den Nachwuchs zu fördern, ihm Möglichkeiten zu geben, sich zu präsentieren“, sagt Lutz Pape, der Cheforganisator der zweitägigen Veranstaltung, im Kompakt-Gespräch. „Davon haben wir uns stets leiten lassen.“ Wer heute in der Liste jener jungen Akteure blättert, die in Magdeburg ihre Visitenkarte abgaben, kommt aus dem Staunen kaum heraus. Damit ließe sich ohne größere Schwierigkeiten eine fast komplette virtuelle deutsche Nationalmannschaft formieren: Marc-André ter Stegen, Jérôme Boateng, Marcel Schmelzer, Mario Götze, Marco Reus, Toni Kroos, Julian Draxler, Julian Brandt, Florian Wirtz, Youssoufa Moukoko.
Seit 2001 wird in der Landeshauptstadt das Turnier der U-15-Kicker ausgetragen. Obwohl es zweimal wegen Corona nicht stattfinden konnte, versicherten die Macher um Pape seinerzeit immer wieder: Wir geben nicht auf, wir halten durch, das Turnier wird nicht sterben, der Fußball sich dem Virus nicht beugen. Was für eine Erleichterung dann in diesem Januar, als die nachgeholte Jubiläumsveranstaltung, die Zwanzigste, vor einer Rekordkulisse von fast 9.000 Besuchern über die Bühne ging. „Das war neuer Turnierrekord“, freut sich Pape. „Das hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet, die Stimmung war der Wahnsinn.“ Dass mit dem englischen Kult-Klub FC Liverpool („The Reds“) erstmals ein Team den Pokal ins Ausland entführte, kommt noch hinzu.
Apropos Liverpool. Die Jungs von der Anfield Road, dem Verein des deutschen Trainers Jürgen Klopp, avancierten auf Anhieb zu Publikumslieblingen. Im Finale verwandelten sie gegen Schalke 04 nicht nur einen 0:2-Rückstand noch in einen 4:2-Triumph, sondern ließen nach der Pokalübergabe erstmals auch das „You`ll Never Walk Alone“, weltweit die Fußball-Hymne schlechthin, durch die Getec-Arena dröhnen. Mancher wischte sich verstohlen die eine oder andere Träne weg. Am 13. und 14. Januar werden die Liverpooler nun ihren Erfolg in Magdeburg verteidigen.
Neben Liverpool werden Nachwuchsvertretungen weiterer drei englischer Klubs ihre Visitenkarte abgeben: die Hochkaräter Arsenal London und Tottenham Hotspur und sowie Stammgast Cambridge United, zum zehnten Mal dabei. Wer zudem weiß, welch führende Rolle die Engländer in der Nachwuchsförderung international spielen, kann Pape zu diesem Meisterstück nur gratulieren. „Nein, leicht war es wirklich nicht, gerade die Jugendvertretungen namhafter Mannschaften aus dem Mutterland des Fußballs nach Magdeburg zu holen“, räumt der 77-Jährige ein. „Daran haben wir seit Jahren gearbeitet. Mein Wunsch war eigentlich immer schon, führende europäische Klubs zu verpflichten und unsere Veranstaltung dadurch noch mehr aufzuwerten. England und Spanien standen auf der Wunschliste an der Spitze.“
Nachdem Real Madrid und der FC Barcelona endgültig signalisiert hatten, dass für ihre U-15-Vertretung Reisen zu Hallenturnieren ins Ausland nicht in Frage kommen, galt alle Konzentration den Jungen von der Insel. Da hieß es, bestehende Netzwerke zu nutzen, neue aufzubauen. Immer eingedenk der Tatsache, dass Magdeburg eben nicht – einige hierzulande mögen das anders sehen – der Nabel der Fußballwelt ist. Inzwischen fragte ein Team aus England sogar an, ob es denn bitteschön möglich sei, einen Spieler mitzubringen, der das Alterslimit überschreitet. Sorry, so leid es ihm tat, da kam Pape um ein „negative reply“ nicht herum.
Es gibt natürlich Dinge, mit denen die Veranstalter selbst bei verwöhnteren Gästen punkten können und die Magdeburg – kräftig unterstützt von großen Sponsoren wie Wobau, MWG, Humanas, Lotto-Toto, MHKW und „Häuser unserer Zukunft“ sowie der Landesregierung – tatsächlich zu einem der am bes-ten organisierten Turniere seiner Art machen. So sind alle Teams in Spitzenhotels untergebracht. Also nichts da mit Jugendherbergen oder dem zweifelhaften Charme von Schulturnhallen. Für An- und Abreise mit Zug oder Flieger werden finanzielle Beihilfen gezahlt (die Arsenal und Liverpool übrigens voll in Anspruch nehmen), für die Plätze eins bis drei sogar Preisgelder gezahlt (1.000, 750, 500 Euro). Vom Bus-Shuttle und Rund-um-die-Uhr-Catering ganz zu schweigen. Für all das und noch viel mehr (z. B. Security, medizinische Versorgung) steht Pape und seiner rund 50-köpfigen Helferschar immerhin ein Etat im knapp sechsstelligen Euro-Betrag zur Verfügung. Unübersehbar also: Magdeburg ist eifrig dabei, seinen Ruf als eines der Zentren des europäischen Jugendfußballs weiter zu festigen.
Ach ja, gespielt wird natürlich auch. Und zwar zur Genüge. Quasi nonstop. Insgesamt 17 Stunden rollt der Ball an beiden Tagen, über 60 Partien stehen auf dem Programm. Der Veranstalter hat dazu ein wiederum hochkarätiges Feld von 20 Teams zusammengestellt. Neben den vier englischen Vertretern sowie Sporting Lissabon und Banik Ostrava kommen davon zwölf von Bundesligisten (Leverkusen, Bremen, Wolfsburg, Augsburg, Mönchengladbach, Union Berlin) oder Zweitligisten (HSV, Hannover, Düsseldorf, Nürnberg, Hertha BSC, FCM). Ergänzt wird die Zahl durch zwei Qualifikanten aus der Region (Germania Halberstadt, Arminia Magdeburg).
Und die Jungs vom Gastgeber FCM wollen da durchaus mitmischen. Zumal sie 2020 sozusagen Blut leckten, mit dem Einzug ins Finale (0:3 gegen den FC Augsburg) die bisher beste Platzierung der Blau-Weißen erreichten, seit es das Turnier gibt. Davor war für sie die Schlusssirene stets vorzeitig erklungen.
KOMPAKT: Der Pape-Cup
Das Turnier um den Pape-Cup erinnert an den 2001 im Alter von nur 29 Jahren an Lymphdrüsenkrebs verstorbenen FCM-Juniorentrainer Matthias Pape. An ihnen nehmen Mannschaften teil, deren Spieler am Stichtag (31. Dezember) nicht älter als 15 Jahre gewesen sein dürfen. Am Start waren in den zurückliegenden Jahren jeweils rund ein Dutzend Jugendteams von deutschen Erst- und Zweitligisten. Die Eintrittspreise für beide Tage liegen diesmal zwischen 14 Euro (Erwachsene) und neun Euro (Kinder). Erstmals ist 2024 das gesamte Turnier im Stream zu verfolgen. Kompakt Media wird das Turnier am 13. und 14. Januar komplett live bei Youtube zeigen: www.youtube.com/@kompaktmedia
Seite 45, Kompakt Zeitung Nr. 246, 10. Dezember 2023