Standpunkt Breiter Weg:
Unwetterlagen oben und unten
Thomas Wischnewski
Die Landeshauptstadt geht aktuell mit rund 10 Millionen Euro Defizit ins Haushaltsjahr 2024. Oberbürgermeisterin Simone Borris kündigte zum Jahresauftakt an, dass sich die Stadt nur das Notwendige leisten könnte. Die Planungen für die Intel-Ansiedlung gehen indes weiter. Archäologische Ausgrabungen und die Vorbereitungen für die Einrichtung der Baustelle gehen in diesem Jahr los. Ebenso soll der Bau für die Integrierte Gesamtschule am Universitätsplatz 2024 starten. Noch im ersten Quartal wird die neue Brücke über die Alte Elbe für den Autoverkehr freigegeben. Jedenfalls hat es OB Borris so verkündet.
2024 ist aber auch das Jahr zur Wahl eines neuen Stadtrates. So langsam bringen sich die Parteien dafür in Stellung. Die CDU präsentierte bereits ihren Entwurf des Wahlprogramms und überschreibt ihn mit „Magdeburg zuerst.CDU“. Ob das jedoch unter den Vorzeichen einer bundespolitischen Unwetterlage tatsächlich bei Wähler ziehen wird, ist offen. Durch die Magdeburger Innenstadt zieht sich eine Schlange aus Traktoren. Ein deutliches Zeichen für die Unzufriedenheit mit der Berliner Ampel. Aus dem Regierungsolymp kommt statt neuen Konzepten nur ein „weiter so“. Die Unzufriedenheit bei den kleinen Leuten wird dadurch nicht zurückgedrängt. Im Gegenteil. Und tatsächlich bleibt immer noch die Verwunderung darüber, warum sich in Umfragen Wähler abwenden. Inzwischen drohen einige mit einem AfD-Verbot. Das scheint eine große Anzahl an Menschen nicht zu jucken. Die Partei mit der blauen Grundfarbe kann sich zurücklehnen und von Umfrage zu Umfrage auf neue Höchstwerte anstoßen.
Es ist schade, dass die Themen vor Ort von den Großen der Republik verdrängt werden. Hier wird über Wege, Straßen und Plätze, Schulen, Parks und Spielplätze entschieden. Hier in dieser Stadt und im Stadtrat fallen die Entscheidungen über die Zukunft Magdeburgs. Leider geht die Aufmerksamkeit fürs Lokale in bundespolitischen Fluten baden.
Was mir unter den komplizierten Bedingungen – sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen – fehlt, ist die Einsicht, dass wir uns als Gesellschaft in zu vielen Verkrustungen eingerichtet haben. Während die Rufe nach dem Staat, der alles regeln solle, weitergehen und lauter werden, wächst die Ohnmacht des Einzelnen gegenüber ausufernden Institutionen, wachsender Bürokratie und ansteigendem Regelwahn. Hierin findet man eine Wurzel für den Frust der Leute. Wenn das Engagement, mit dem viele ihren Unmut über eine ideologisierte Politik an der Spitze des Landes kundtun, ähnlich groß für kommunale Belange wäre, könnte sich in Magdeburg eine Menge tun. Das Große und Ganze erscheint aber oft wichtiger. Dabei gäbe es dies gar nicht ohne das Kleine, scheinbar Unwichtige vor Ort.
Die Gründe für den enger werdenden finanziellen Spielraum der Landeshauptstadt findet man nicht im Rathaus. Die muss man in Berlin suchen. Der Widerspruch ist nur, dass der Bund immer mehr Geld z. B. aus Energieabgaben einsammelt, während er nach unten nicht mehr geben will. Auch das merken die Leute vor Ort und es nährt ihren Frust.
Seite 2, Kompakt Zeitung Nr. 247, 9. Januar 2024