Wie viel Kompetenz vermittelt der Deutschunterricht?
Elisa Wiegmann (Abiturientin)
An unserem ersten Schultag wissen wir noch nicht, dass wir von nun an bis zu unserem Schulabschluss das Fach Deutsch besuchen werden. Bis dahin ist Deutsch als Kernfach eines der wichtigsten Fächer in unserer Schulausbildung. Denn es schafft die Grundlage für alle anderen Schulfächer, unser Lernen und den schulischen Erfolg. Sprache ermöglicht es uns, mit unseren Mitmenschen zu kommunizieren, unsere Gedanken und Gefühle auszudrücken, Konflikte zu lösen, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und uns Wissen anzueignen. Wir haben praktisch unser ganzes Leben um sie herum aufgebaut. Doch spiegelt der Schulunterricht diese Bedeutung der Sprache heute noch wider?
In der ersten Klasse beginnen wir damit, das Lesen und Schreiben zu erlernen. In diesem Alter werden wichtige Grundsteine für unsere spätere Entwicklung und individuellen Interessen gelegt. Vielleicht nehmen wir uns neugierig ein Buch zur Hand und beginnen, erstmals auf eigene Faust darin zu lesen. Wenn uns dieses Buch gefällt, stehen die Chancen gut, dass wir in unserem Leben zu weiteren Büchern greifen werden. Lesen vermittelt uns ein Verständnis von Sprache, wie wir es nur zwischen den geschriebenen Wörtern finden können. Wenn heutzutage nur noch 38 Prozent der Kinder täglich oder mehrmals pro Woche Bücher lesen, dann hat dies auch eine direkte Auswirkung auf deren Sprachgebrauch. Um dem entgegenzusteuern, bieten Schulen Angebote wie Lesestunden, Bibliotheksbesuche oder gut gefüllte Bücherregale in den Klassenräumen, die für alle zugänglich sind.
Im Laufe unserer Grundschulzeit lernen wir neben Lesen und Textverständnis aber auch mit den anderen Komponenten der Sprache umzugehen: Schreiben, inklusive Rechtschreibung und Grammatik, Sprechen und Zuhören. Dafür gibt es unzählige Herangehensweisen, einige besser als andere, aber die Grundelemente bleiben dieselben. Seit der Anpassung des Grundschullehrplans für das Fach Deutsch im Jahr 2019 sind neue Themen wie Medienkompetenz, Internet oder Tastaturschreiben hinzugekommen. Die Welt bleibt nicht stehen. Der Schulunterricht muss sich weiterentwickeln, wodurch sich manche Schwerpunkte verschieben können.
Spätestens in der fünften Klasse, wenn wir alle neu zusammengewürfelt werden, zeigt sich in unseren Leistungsunterschieden, welche große Rolle Lehrkräfte in diesem Zusammenhang tatsächlich spielen. Je nach Lehrkraft, Klasse und Schule, können Lehrmethoden sowie das Lernumfeld sehr verschieden sein, wodurch sich unweigerlich Wissensschatz und Lernweisen der Schüler untereinander unterscheiden werden. Zudem ist entscheidend, ob es den Grundschulen gelungen ist, Kinder mit unterschiedlichen Hintergründen, bedingt durch Lese-Rechtschreib-Störung, Migrationshintergrund, soziale Stellung etc. bedürfnisgerecht zu fördern. Sprachkompetenz ist essenzielle Grundlage für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit.
Im Laufe der weiterführenden Schule geht der Deutschunterricht mehr in Richtung Interpretationen, Analysen schreiben, Klassiker lesen und literarisches Fachwissen aufbauen. Auch das Fremdsprachenangebot wächst weiter und wird durch Angebote wie mehrsprachigen Unterricht oder Austauschprogramme gefördert. Während dieser Phase treten auch die individuellen Interessen und Begabungen Jugendlicher in den Vordergrund. Schließlich muss nicht jeder zum Profi für Sprachen werden, wenn andere Talente vorliegen.
Die PISA-Ergebnisse beweisen jedoch den Rückgang der Lesekompetenz 15-Jähriger. Dass junge Leute vor den Zeiten des Internets noch größtenteils per Brief kommunizierten, ist vermutlich einer von vielen Gründen für ein sichereres Sprachgefühl. Andererseits – wer muss heute noch Briefe schreiben? Das bringt uns in dieser globalisierten Welt nicht viel weiter, vermutlich eher die englische Sprache. Durch die rasante Verbreitung von KI treten Dinge wie Rechtschreibung und Grammatik bereits jetzt in den Hintergrund, beispielsweise auch in der Bewertung von Klausuren. Diese Entwicklungen werden zurecht kritisiert, aber solange sie passieren, sollten Kinder und Jugendliche in den Schulen darauf vorbereitet werden. Doch bei all den Veränderungen dürfen wir nicht vergessen, dass die Sprache Mittel zur Kommunikation ist und diese immer im Vordergrund stehen sollte. Eine gute und differenzierte Kommunikation ermöglicht Zusammenarbeit und somit letztendlich die Teilhabe an der Gesellschaft. Je nach Schulform unterscheiden sich die Lehrinhalte und obwohl sich die Leistungen insgesamt möglicherweise verringert haben, ist die sprachliche Bildung in all ihren Komponenten nach wie vor ein Hauptfokus an den Schulen.
Seite 6, Kompakt Zeitung Nr. 250, 21. Februar 2024