Gedanken- & Spaziergänge im Park:
Inflation der Widersprüche
Paul F. Gaudi
Gerd beschäftigte noch der Hochhausbrand in Valencia, wo sich, von einem Wohnungsbrand ausgehend, das Feuer als Fassadenbrand über das ganze Haus ausbreitete, bis es vollständig in Flammen stand. Nach knapp vier Stunden war es völlig ausgebrannt. Fachleute sagten, dass das an dem Dämmstoff Polyurethan gelegen habe, mit dem die Fassade verkleidet war und das, wie jeder Kunststoff, ab einer bestimmten Temperatur sehr brennbar ist. Es erinnerte ihn an den Londoner Grenfell Tower, der 2017 abgebrannt war und wobei 72 Menschen ums Leben kamen. Auch hier hatte das Feuer, das in einem unteren Stockwerk ausgebrochen war, sich rasend schnell über die Fassadendämmung des gesamten Sozialbaus ausgebreitet. „So ist die klimafreundliche Fassadendämmung nicht unbedingt menschenfreundlich“, meinte er. „Stell dir vor, in einer Stadt würde eine ganze Altbaustraße nachträglich mit so einer Fassadendämmung versehen werden, wie es aus Gründen des Klimaschutzes von manchen empfohlen wird. Und sogar Vorschrift werden soll. Wenn dann ein Feuer entstünde, bestände die Gefahr, dass der gesamte Straßenzug in Brand geriete!“ „Mal nicht den Teufel an die Wand“, erwiderte ich. „Tatsache ist aber, dass diese Methode nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile und Risiken mit sich bringt.“ Und damit wendeten wir uns wieder den alltäglichen politischen Nachrichten zu.
Statt weniger wird mehr
Es überraschte uns, dass die Beamtenstellen in Bund und Ländern um etwa 10.000 zugenommen hätten und das, obwohl von den Regierenden ein Bürokratieabbau verkündet wird. Das ist ein Widerspruch, denn mehr Beamte bedeuten auch mehr Bürokratie. Viele neue Gesetze und Verordnungen tun ein Übriges dafür. Irgendwie scheint die stete Beamtenvermehrung ein Selbstläufer zu sein und das fängt schon ganz oben an, wie die Zunahme der Zahl der Staatssekretäre es nach dem Regierungswechsel zeigte. Dagegen geht es mit der Wirtschaft weiter bergab. „Nicht mit der ganzen Wirtschaft“, warf Gerd ein. „Die Rüstungsindustrie floriert so gut wie schon lange nicht mehr. Die Aktie der Firma Hensoldt, die Radaranlagen und Elektronik produziert, stand unmittelbar vor dem Ukrainekrieg bei etwa 12 Euro. Heute ist sie 42 Euro wert. Das ist aber nichts gegenüber dem Konzern Rheinmetall, der schwere Waffen und Munition produziert. Dessen Aktien stiegen in dem gleichen Zeitraum von 96 auf 425 Euro!“ „Da hat doch Scholz erst vor kurzem den ersten Spatenstich für eine neue Munitionsfabrik von Rheinmetall am Standort Unterlüß getan. Das wird der Aktie weiter Auftrieb geben.“ Anders sieht es in der übrigen Wirtschaft aus. BASF, der seit 1865 bestehende Chemiekonzern, verkündete kürzlich, dass er einige Anlagen in Ludwigshafen stilllegen und stattdessen in China produzieren wolle. Ursache dafür sind die hohen Energiepreise in Deutschland, die durch ideologisch begründete Steuern belastet sind. Alle Teuerungen treffen letztendlich die Verbraucher. Unsere Tageszeitung titelte kürzlich schönfärberisch: „Die Inflation ist auf dem Rückzug“. Und das deshalb, weil sie nicht so stark angestiegen war wie im Vormonat! Gerd fand für diese euphemistische Interpretation einen treffenden Vergleich: Das wäre so, als würde ein General bei der Feststellung, dass der Vormarsch des Feindes etwas langsamer geworden sei, widersinnig behaupten, dass der Gegner sich zurückziehen würde! Wir Kunden merken es aber an unseren Portemonnaies, dass geschwindelt wird. Nach wie vor ist die Haushaltslage des Bundes schlecht und noch keinesfalls ausgeglichen. Im Bundesetat für 2025 fehlen trotz zahlreicher Sparmaßnahmen immer noch Milliarden. Deshalb schlägt der Wirtschaftswissenschaftler Raffelhüschen vor, dass es für die Rentner dieses Jahr keine Rentenerhöhung geben sollte. Im Widerspruch dazu steht, dass die unabhängig von ihrer Qualifikation schon sehr gut verdienenden Bundestagsabgeordneten eine sechsprozentige Erhöhung ihrer Diäten bekommen sollen. Also statt bisher 10.591,70 Euro nun monatlich 11.227,20 Euro. „Quod licet iovi non licet bovi“, bemerkte Gerd dazu, der immer gerne mit seinen restlichen Oberschulkenntnissen angibt.
Von Nazis umzingelt
Daher ist es kein Wunder, dass der Zorn über ein durch Teuerungen vermindertes Einkommen bei Landwirten, Arbeitern und Angestellten in immer neuen Streiks und Demonstrationen zum Ausdruck kommt und verschiedene Politiker, insbesondere von den Grünen, ausgepfiffen und beschimpft werden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die „Enthüllungen“ des Correctiv-Teams und die darauffolgenden vielen Demonstrationen „gegen rechts“ der Regierung gerade recht kamen, um von dem Unwillen der Bevölkerung abzulenken und ihn zu übertönen. Gerd wundert sich immer über den inflationären Gebrauch der Worte Nazis und Faschismus, zuletzt durch die Klimaschützerin Luisa Neubauer in Dresden. Wie oft wurden diese Worte fälschlich benutzt, um etwas zu bemänteln, wie den „antifaschistischen Schutzwall“ – eine groteske Konstruktion – oder die Lüge Putins, dass er die Ukraine von Nazis und Faschisten „befreien“ müsse. Auch in den letzten Wochen der DDR organisierte die SED im Januar 1990 eine Demonstration in Berlin mit Hunderttausenden wegen Schmierereien am Denkmal für die Rote Armee in Berlin. „Unser Land braucht jetzt eine breite Einheitsfront gegen rechts“, titelte das Neue Deutschland damals. „Der gleiche Text wie heute“, sagte Gerd. In Wahrheit kämpfte die SED zu der Zeit nicht gegen einen drohenden Faschismus, sondern um ihre Existenz. Was ihm auch auffiel, waren die verschiedenen Fahnen der Demonstranten. Während man bei den Demonstrationen der Bauern oft Deutschlandfahnen sah, waren bei den Antirechts-Versammlungen hauptsächlich die Regenbogenfahnen verschiedener sexueller Präferenzen, rote Gewerkschaftsfahnen und die schwarzroten der Antifa zu erblicken. Deutschlandfahnen waren nicht zu sehen oder nur ganz selten. Warum ist das so? Gilt diese schwarz-rot-goldene Flagge für manche als nationalistisch? Oder gar völkisch? Das möchten wir nicht glauben. Aber das Fehlen unserer Fahne machte uns schon stutzig. Dazu passt die Kampagne verschiedener großer Medienhäuser gemeinsam mit verschiedenen Verbänden und Stiftungen gegen rechts und die AfD, die sich „Zusammenland“ nennt. Der Wortteil „Deutsch“ wird vermieden. Wäre es denn anstößig, solch eine Kampagne zum Beispiel „Deutschland steht zusammen“ oder im Sinne von Scholz „Deutschland hakt sich unter“ zu nennen? Und wer wird ausgeschlossen in dem Zusammenland? Gerd fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn eine Gruppe AfD-Mitglieder an den Demonstrationen mit einem Transparent teilnehmen würde, auf dem stände: „Gegen Faschisten und Nazis“. Ob sie wohl von den anderen Demonstranten geduldet würden? „Dazu reicht meine Fantasie nicht aus“, sagte ich dazu.
Zum Thema gehört auch der Entwurf des Demokratiefördergesetzes der Ministerinnen Faeser und Paus, mit dem die Demokratie gestärkt werden soll. Wenn man aber von verschiedenen Vorhaben liest, dann taucht die Frage auf, ob auch eine intensivere Überwachung oder die Förderung zur anonymen Denunziation – neuerdings „Hinweise geben“ genannt – Zeichen der Stärke einer Demokratie sind? Sind es nicht eher Symptome einer schwachen und verängstigten Demokratie? Die nicht mehr selbstbewusst auf die eigenen und die demokratischen Kräfte vertraut, die dem Volk innewohnen? Eigentlich schade. „Der Herrgott hat ja nun einen neuen Konflikt zwischen die Parteien gesät“, sagte Gerd. „Nein, nicht der Herrgott da oben, sondern der Landrat Herrgott aus Thüringen, der seit Anfang Februar mit den Stimmen aller anderen Parteien gegen den AfD-Kandidaten Landrat wurde. Er hat vorgeschlagen, dass Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, an mehreren Tagen in der Woche vier Stunden täglich gemeinnützige Arbeit leisten.“ Auch unsere Landesregierung findet diesen Vorschlag ganz gut. Linke und Grüne sowie der Flüchtlingsrat gehen allerdings auf die Barrikaden und nennen diese Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit „menschenfeindlich und absurd“ oder finden es sogar „rassistisch und integrationsfeindlich“. Aber fördert es die Integration nicht besser, wenn man mit einheimischen Beschäftigten gemeinsame Arbeit leistet? Das nützt dem gegenseitigen Verständnis und der Sprachförderung und es ist allemal besser, als wenn die Immigranten beschäftigungslos auf Parkbänken hocken.
Militante Töne aus Brüssel
Sorgen bereiten uns die militanten Töne aus Brüssel. Frau von der Leyen fantasiert von einer gemeinsamen europäischen Armee, natürlich mit einem neuen Posten, einem Kommissar für Verteidigung. Hoffentlich sieht sie sich nicht dafür geeignet, denn die glücklichste Figur machte sie als Verteidigungsministerin Deutschlands nicht. Außerdem: Was soll eine europäische Armee? Schließlich gibt es die NATO. Noch verrückter ist die Idee der Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, die für Europa eigene Atomwaffen erwägt. Wozu? In Europa gibt es doch zwei Nationen, die über Atomwaffen verfügen, Frankreich und Großbritannien. „Die Begeisterung für den Krieg einiger Politiker, auch der SPD, der CDU und der früheren Friedenspartei, den Grünen, macht mir Sorgen“, meinte Gerd. „Aber es gibt auch eine gute Nachricht: 2023 verkündeten die Katastrophen-Propheten, dass der Gardasee austrocknen würde, da sein Spiegel ständig falle. Heute ist er wieder so stark gefüllt, dass sein Wasser über den Fluss Mincio in den Po abgeleitet wird. Immer schön ruhig bleiben.“
Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.
Seite 8, Kompakt Zeitung Nr. 251, 6. März 2024