Es hat Boom gemacht
Rudi Bartlitz
Die zweite Fußball-Bundesliga befindet sich im steilen Aufstieg. Das Fan-Interesse hat enorm zugenommen – und mit ihm die Zuschauerzahlen.
Die Zeiten, da der Kauf eines FCM-Tickets hinter vorgehaltener Hand noch als Teilnahme an halblegalem Glücksspiel galt, sind vorbei. Längst vorbei. Heute – würde es in einem der (zu) oft gebrauchten journalistischen Fertigstücke heißen – strömen die Fans in Massen ins Stadion. Erst recht, seit die Magdeburger in der zweiten Liga auch mal länger als eine Saison mitmachen dürfen. Mit einem Zuschauerschnitt von derzeit 24.442 streben die Blau-Weißen ein neues Nachwende-Hoch an. Weitere Zahlen bekräftigen den Trend: Die MDCC-Arena weist eine beeindruckende Auslastung von knapp 90 Prozent aus, drei Partien waren bisher ausverkauft. Nie waren weniger als 20.000 Besucher in der Arena, die meisten kamen gegen Eintracht Braunschweig (28.350), die wenigsten gegen Holstein Kiel (20.097).
Aber Magdeburg ist kein einsamer Hoffnungsstreif am Zweitliga-Himmel. Das Interesse der Fans wächst seit Jahren stetig. Mitte Februar, genauer gesagt am 22. Spieltag, waren dann dort sogar mehr Zuschauer in den Stadien als bei den Partien der ersten Liga. Ein absolutes Novum. Das liegt auch daran, dass im „Unterhaus“ inzwischen zahlreiche Traditionsvereine mit großen Arenen und einer breiten Anhängerbasis spielen. Der Zuschauerschnitt ist im Vergleich zu 2018/2019 (19.000) um mehr als ein Drittel extrem angewachsen. Elf der zwölf zuschauerreichsten Spieltage seit Ligagründung im Jahr 1974 stammen aus dieser Saison.
Mit ihrem aktuellen Zuschauerschnitt hat die zweite deutsche Liga inzwischen sogar die französische Eliteklasse (Ligue 1) überholt. Wird der Stand Anfang März zugrunde gelegt, rangiert sie mit durchschnittlich 28.247 Besuchern auf Platz fünf aller europäischen Ligen. Die Bundesliga (39.508) ist hier Spitze vor der englischen Premier League (38.594), der italienischen Seria A (30.620) und der spanischen La Liga (29.277). In Frankreich passierten 26.859 Zuschauer die Stadiontore.
Wie gesagt, an Klubs mit starkem Fanaufkommen mangelt es der 2. Liga nicht. 13 frühere Bundesligaklubs gehen an den Start, acht Teams spielten bereits im Europapokal der Landesmeister oder der Champions League. Zu den neun Klubs, die seit 1903 die Deutsche Meisterschaft (im DFB-Bereich) am häufigsten gewannen, gehören vier Zweitligisten (1. FC Nürnberg, Schalke, HSV, 1. FC Kaiserslautern). Insgesamt sind in Liga zwei augenblicklich sogar 13 ehemalige Deutsche Meister vertreten, während es im Oberhaus derzeit tatsächlich nur neun sind. Jede Menge Tradition also – und das schlägt eben auch auf die Zuschauerzahlen um.
Entscheidend für den Run auf die zweite Liga ist natürlich – vor allem für die vielen neutralen Beobachter im Land – immer die spielerische Qualität, die geboten wird. Und gerade hier machte die „Zweite“ einen riesigen Schritt nach vorn. Es zeigt sich, dass mittlerweile immer mehr Trainer und Teams den Fokus auf fußballerische Lösungen legen und sich nicht mehr ausschließlich über das Spiel gegen den Ball definieren. So lag in der Saison 18/19 die durchschnittliche Passquote noch bei 79 %, während sie in dieser Saison bei starken 83 % liegt.
Ein zweites wichtiges Argument für das gestiegene Interesse liegt in der Spannung. Während ganz oben – von dieser Saison einmal abgesehen – die Meisterfrage in den zurückliegenden zehn Jahre stets früh geklärt war, ging es eine Klasse darunter ganz anders zur Sache. Allein in diesem Jahr können sich acht Spieltage vor Ultimo mehr als ein halbes Dutzend Mannschaften noch (zumindest theoretische) Aufstiegschancen ausrechnen.
Bei aller berechtigten Euphorie, dunkle Wolken, die sich am Himmel über der zweiten Liga zusammenziehen, sollten nicht übersehen werden. Eine endgültige Trennung zwischen Bundesliga und zweiter Liga, wie sie im Sommer nach dem damaligen Scheitern des Deals um einen Investoreneinstieg trotzig in den Raum geworfen wurde, erscheint zwar höchst unwahrscheinlich. Was schon allein daran liegt, dass mit Hertha, Schalke und dem HSV „markenbildende Klubs des deutschen Fußballs“, wie das Fachblatt „Kicker“ anmerkte, aktuell im Unterhaus „festsitzen“. Und das sei mit Blick auf die zwischenzeitlich auch abgestiegenen VfB Stuttgart, 1. FC Köln oder Werder Bremen keine Ausnahme, auch Hannover 96, der 1.FC Nürnberg oder der 1. FC Kaiserslautern sind potenzielle Zuschauer- wie Interessemagneten.
Spekuliert wird dagegen über eine Teilautonomie. Dass die Kämpfe um die Geldverteilung nun kommen werden, ist dem „Kicker“ zufolge „ohnehin normal und passiert in schöner Regelmäßigkeit alle vier Jahre, wenn der nationale Medienrechte-Deal ausgehandelt wird“. Allerdings stehe die 2. Liga unter einem gewissen Druck, weil beispielsweise die Mehrheit der Bundesligisten im Dezember mit 14 Vereinen für den Investoren-Deal doch erheblich war. Und die Großen haben bei eventueller Forderung nach mehr Umverteilung der TV-Gelder – zu ihren Gunsten wohlgemerkt – nicht die schlechtesten Argumente.
KOMPAKT
Die zweite Bundesliga
Die zweite Bundesliga bildet die zweithöchste Spielklasse im deutschen Fußball. Sie wurde elf Jahre nach Gründung der Bundesliga 1974 als neue zweithöchste Klasse für Profifußball geschaffen, um die große wirtschaftliche Kluft von Profi- und Amateurbereich zu überwinden, die damals zwischen Bundesliga und den gleichalten, bis dahin als zweite Liga fungierenden fünf Regionalligen entstanden war. Der Umsatz der 18 Vereine belief sich zuletzt auf 868 Millionen Euro. Das größte Stadion der zweiten Liga befindet sich in Berlin. Die Spielstätte von Hertha BSC, das Olympiastadion, fasst rund 75.000 Zuschauer.
Seite 46, Kompakt Zeitung Nr. 252, 20. März 2024