Scharfe Sprüche:
Berieselung mit Nichts

 

Die Welt steckt heute in der Hosentasche. Das klingt so schön harmlos. Ist es aber nicht. Dass wir diese kleinen Taschencomputer, auch Smartphones genannt, überall mit uns herumschleppen, erweckt den Eindruck, wir hätten jederzeit die Kontrolle über alle möglichen wichtigen Informationen. Nö, sage ich, was wir wirklich erleben, ist ein Kontrollverlust über Banales, Böses und Blödsinn. So viel geistigen Wurstsalat, den man sich da sekündlich reinziehen kann, hat noch keine Generation vor der Internetära in ihr Leben gelassen. Nur wir, die Smart-Junkies, die keine Nadel für eine Drogendosis benötigen, sondern ein Datenvolumen für Bytes-Beschiss.


Die Leute vom Umfrageinstitut Allensbach haben jetzt ermittelt, dass Kinder zu 74 Prozent vom Internet beeinflusst werden. Der Einfluss durch Freunde liegt angeblich bei 42 Prozent und der ihrer Eltern nur noch bei 34 Prozent. Ganz abgeschlagen sind die Lehrer. Ihnen wird ein Einfluss von 14 Prozent zugestanden. Was sagt uns das? Erziehung und Schule sind abgehängt, Bildung aufgegeben und ein reales soziales Umfeld spielen nur noch eine Scheinrolle im Leben kleiner Lümmel und Lümmelienen. Das war eigentlich alles abzusehen. Aber der große Manipulator, den wir alle auf unseren Schultern tragen, ist ein hungriger Dämon, der alles in sich hineinsaugt, was möglich ist. Und die sogenannten Belohnungssysteme im Hirngeschnetzelten funktionieren auch ohne Crack, Extasy und Kokain. Hauptsache Belustigung, Schauderlichkeiten und Wahnkram zieht man sich über Augen und Ohren rein und verheddern die Synapsen. Traum- und Illusionswelten bestimmen das Leben, nicht Aufgaben und Herausforderungen oder das Lernen, wie man Konflikte oder Probleme bewältigt. Ich wünsch mir eine App, die die Apps wegmacht.


Dauerberieselung mit Nichts ist das Motto der Zukunftsgeneration. Man quatscht einfach Müll in ein Mikrofon und wird reich davon – so lauten die modernen Märchenerzählungen der Istzeit. Das böse Erwachen kommt bestimmt. Wenn nämlich die schöne Influencer-Tussi und der Geldvermehrungszauberer im Video keine Brötchen bringen und auch keine Geschenke schicken. Ich gestehe, dass ich selbst gern eine Menge krauses Zeug durch die Weiten des Online-Universums verteile. Damit habe ich mich zum Teil der Blödsinnsteiler gemacht. Dabei möchte ich nur Fröhlichkeit verbreiten, weil das Leben oft so düster erscheint und politische Erlösersprüche wie psychotherapeutisches Kanzel-Latein klingen.


Wisst Ihr, wir sollten uns öfter wieder mal persönlich zusammenraufen, ein frisches Kaltgetränk konsumieren und eine leckere Currywurst über den Geschmackstrieb reiben. Wir können so viel Spaß mit uns haben und würden keine Lebenszeit an Schmink-, Mode und Ernährungsschausteller verschenken. Freunde heißen heute Follower. Aber das ist ein Irrglaube. Ich denke, es wird eine Zeit kommen, in dem der Wahnsinn überkocht und eine Gegenbewegung entsteht. Ob ich das noch erlebe? Keine Ahnung. Aber Würstchenbuden, in denen man echte Freunde treffen kann, die gibt’s dann noch.


Also bis gleich, Euer Olaf vom Hassel.

 

Nr. 254 vom 23. April 2024, Seite 37

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