Standpunkt Breiter Weg
Soziale Ungleichgewichte
Thomas Wischnewski
Die Ampel streitet über das Rentenpaket. Grüne und SPD lehnen die Vorschläge von Bundesfinanzminister Christian Lindner ab, der mit einem Fünf-Punkte-Papier die Ausgaben für Rente, Bürgergeld und Entwicklungshilfe infrage stellt. Die Ablehnung soll den sozialen Anstrich für Rote und Grüne bewahren. Solidargemeinschaft, soziale Verantwortung, gesellschaftliches Miteinander – das sind wundervolle Wortfloskeln, die jedoch nur in eine Richtung gelten. Um all diese Solidarsysteme wie Renten, gesetzliche Krankenversicherung, Bürgergeld etc. unterhalten zu können, trägt die größte Last daran Otto- und Lieselotte-Normal-Bürger.
Es gibt da ein paar gesellschaftliche Bereiche, die sich nur halbherzig an der Finanzierung des gesellschaftlichen Miteinanders beteiligen. Der gewaltige Apparat mit rund 1.750.000 Beamten, davon sind 934.000 Frauen, zahlt nichts ins Rentensystem ein. Die Pensionen für den Ruhestand müssen aus dem Steueraufkommen gezahlt werden. Wer seine Dienstjahre ableistet, erhält am Ende eine Pension in Höhe von 71 Prozent des letzten Bruttogehaltes. Die Regierung klopft sich aber auf die Schulter, dass sie für Arbeitnehmer zumindest eine Rentenhöhe von 48 Prozent vorerst gesichert habe. Dass dafür außerdem oft 45 Beitragsjahre für Abzüge auf dem Lohnstreifen sorgen, fällt im Eigenlob der Regierung unter den Strich. Der Finanzierung der Solidarsysteme entziehen sich außerdem Berufspolitiker sowie vielfach freie Berufsgruppen wie Ärzte, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater und manche Angestellte des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Im Bereich der sozialen Lastenverteilung ist in Deutschland schon lange eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstanden. Und die Kluft zwischen diesen Gruppen wird größer. Diese unsolidarische Behandlung birgt Sprengkraft.
Keine der großen Parteien will an diesen Pfründen des Staatsapparates rütteln. Die AfD schreibt zwar in ihr Programm, dass sie Politikerpensionen abschaffen will, aber das eigentlich viel größere unsolidarische System zwischen allgemeinen Beitragszahlern und den davon nicht betroffenen Berufsgruppen bleibt auch bei der Partei unberührt. Das Beispiel Österreich, in dem ein Gesellschaftsmodell existiert, in das alle Bürger einzahlen, wird hierzulande ausgeblendet.
Wenn also Politiker über das Schultern höherer Lasten, z. B. bei den Renten oder längere Lebensarbeitszeiten, reden, sind das stets nur Forderungen in Richtung des ohnehin benachteiligten Bevölkerungsanteils. Man ist sich offenbar unter den Berufsgruppen, die weniger soziale Lasten tragen müssen, stillschweigend einzig, die eigenen Versorgungvorteile nicht anzurühren. Politik- und Beamtensphären sind eng miteinander verwoben. Das könnte eine mögliche Erklärung sein, warum niemand am Ungleichgewicht bei der Finanzierung der Sozialsysteme Hand anlegen will. Beim Zetern über Protestwahlverhalten wird der Bereich der ungleichen Lastenverteilung ebenfalls ausgeblendet. Der ist aber ein wichtiger Nährboden für die Abwendung von einem System, dass diesbezüglich keine Reform will.
Nr. 255 vom 14. Mai, Seite 2
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