Wo die Trainer-Legende einst lebte
Von Rudi Bartlitz
Die Magdeburger WOBAU will eine Wohnung einrichten, die an den einstigen Meistertrainer Heinz Krügel erinnert.

Es muss so um 2004 oder 2005 herum gewesen sein, da geschah etwas ziemlich Ungewöhnliches. FCM-Trainer-Legende Heinz Krügel rief den Autor dieser Zeilen, damals noch im Sportressort der hiesigen Tageszeitung, an und lud ihn zu sich nach Hause ein. Ungewöhnlich deshalb, weil der einstige Meistercoach nicht gerade dafür bekannt war, Journalisten in seine Wohnung zu bitten. „Komm vorbei, mein Freund, dann kannste noch viel lernen“, rief er aufgekratzt. Auf die Frage, wohin denn, meinte er nur: „Das wisst ihr doch: Breiter Weg 28. Ganz prominent über den Dächern der Stadt.“
Ja, so war er. Man wusste im Gespräch mit ihm nie, meint er es nun ernst oder ist es einer seiner berühmten (und von vielen gefürchteten) Witze. Vorgetragen in tiefem Sächsisch. Bei der Wohnung im Breiten Weg meinte er es jedenfalls ernst. „Ordentlicher Zustand, sauber, eine Miete, die selbst ein Rentner bezahlen kann. Wir waren nie anspruchsvoll.“ Mit letzterem meinte er sich und seine Frau Else, die, wenn Besucher eingeladen waren, stets umtriebig durch die Räume wuselte. Krügel führte den Besucher auf den Balkon im siebten Geschoss: „Siehste, mein Freund, die Stadt liegt mir zu Füßen.“ Er grinste.
Als vor einem Jahr die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Europapokalsieges des 1. FC Magdeburg, dessen Vater zweifellos Heinz Krügel war, ihren Anfang nahmen, kamen bei Wobau-Geschäftsführer Peter Lackner wieder die Erinnerungen hoch, dass der Trainer ja einst auch Mieter in seiner Wohnungsbau-Gesellschaft war. „Krügel hatte eine Dreiraumwohnung, 65 Quadratmeter. Siebtes Obergeschoss, links. Mit Balkon, Miete etwa 350 Euro“, erzählt Lackner im Kompakt-Gespräch. Und ergänzt akkurat: „Eingezogen sind die Krügels bei uns am 15. April 2001, gekündigt wurden die Räume, nachdem der Trainer 2008 verstorben war, zum 1. Mai 2009.“
Schon seit längerem bewegt Lackner der Gedanke, die Erinnerungen an den Meistertrainer in seiner Genossenschaft hochzuhalten. Und damit zu beginnen, eine, wie er es nennt, Krügel-Erinnerungswohnung einzurichten. In dem Haus, in dem Krügel einst lebte – am Breiten Weg 28. Die Gedanken an den Trainer und Dinge, die an ihn erinnern, sollen einfach nicht verloren gehen. „Wir, die Stadt, haben diesem Mann sehr viel zu verdanken“, betont er. „Wir möchten den Zeitgeist dokumentieren, zeigen, wie die Trainerlegende gelebt hat.“ Dabei sollen auch die verschiedenen Epochen, in denen Krügel wirkte, zum Ausdruck kommen.
Bei null muss die Wobau bei ihrer Sammlung nicht beginnen. Lackner: „Wir besitzen einen sehr, sehr großen Grundstock an Erinnerungsstücken, die mit Heinz Krügel verbunden sind. Vieles, da-runter eine Menge Originale, stammt von unseren fußballbegeisterten Mietern und von Wobau-Mitarbeitern.“ Er zeigt auf einen voluminösen Ordner, „mit vielen Unikaten“. Den hat der Wobau-Chef gerade von einem älteren Mieter erworben. Weitere Exponate, fügte er hinzu, nehme das Unternehmen gern entgegen. Das Motto, von dem er sich leiten lässt: „Den Zeitgeist muss man dokumentieren.“
Wie soll es nun aber bei der Wobau-Erinnerungs-Story um Krügel konkret vorangehen? „Große Schritte fangen immer mit kleinen an. 2024 werden wir noch zur Vorbereitung benötigen, aber im kommenden Jahr könnte das Heinz-Krügel-Wohnzimmer, oder auch Wohnung, einzugsbereit sein.“ Auch an gezielte Führungen ist gedacht. Außerdem ist geplant, am Haus eine Gedächtnistafel anzubringen. Dass die gesamte Sammlung eines Tages Teil eines Magdeburger Sportmuseums sein könnte, ist zwar denkbar, vorerst allerdings noch süße Zukunftsmusik.
Wenn Lackner über Krügel redet, ist Bewunderung fast aus jedem Satz zu hören. „Eine Legende“ nennt er ihn. „Die von ihm geprägte Zeit um 1974 war etwas ganz Besonderes für Magdeburg. Nicht nur, weil er es mit seiner Mannschaft schaffte, auf dem Rasen die einstige Übermacht des BFC zu überwinden. Sondern weil er sportpolitisch Widerstand gegen die damaligen Zustände leistete.“ Nur eines bedauert das heutige FCM-Aufsichtsratsmitglied: „Ich habe Heinz Krügel leider nie persönlich kennengelernt.“
KOMPAKT
„Wer kennt dich denn?“
Heinz Krügel war einer der erfolgreichsten Fußballtrainer der DDR. Seine größte Zeit erlebte er beim 1. FC Magdeburg. Krügel wurde am 24. April 1921 im sächsischen Oberplanitz geboren. Während des 2. Weltkrieges diente er von 1940 bis 1944 in der 5. SS-Division „Wiking“, wurde an der Ostfront verletzt. Nachdem seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS bekannt geworden war, setzte der FCM eine Untersuchungskommission ein, die im vergangenen Jahr zu dem Schluss kam, nach den vorliegenden Dokumenten sei Krügel nicht an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen. 1946 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft zurück. 1948 gehörte er zu der Mannschaft der SG Planitz, die die erste Ostzonenmeisterschaft gewann. 1951 übernahm er als jüngster Trainer der Oberliga die neu gegründete SV Vorwärts Leipzig. Von 1959 bis 1961 war er DDR-Nationaltrainer. Den zuvor abgestiegenen FCM übernahm er 1966 und führte ihn sofort wieder in die Oberliga. 1972 konnte Magdeburg die erste Meisterschaft feiern, unter seiner Regie folgten 1974 und 1975 weitere Titel. 1973 holte der 1. FCM zudem zum zweiten Mal den DDR-Pokal. Alle diese Erfolge wurden 1974 überstrahlt vom Gewinn des Europapokals der Pokalsieger. 1976 wurde Krügel beim FCM entlassen, weil er nicht bereit war, sich den Weisungen der Partei zu fügen. Gegen ihn wurde de facto ein Berufsverbot erlassen. Krügel galt als jemand, der sich nie von der Partei in seine Arbeit hineinreden ließ. „Einige Wichtelmänner der Bezirksleitung haben versucht, sich einzumischen“, erklärte er einmal. „Ich habe zu ihnen gesagt: Ihr seid Politiker, ihr habt dafür zu sorgen, dass es den Leuten gut geht. Fußballtrainer bin ich.“ Dem 2. Sekretär der SED-Bezirksleitung, vor dem er wöchentlich zum Rapport erscheinen musste, soll er gesagt haben: „Wer kennt dich denn? Mich kennt die ganze Welt.“ Er wurde zum Objektleiter bei der BSG Motor Mitte Magdeburg degradiert. Nach der Wende wurde Krügel rehabilitiert. Für kurze Zeit war er noch einmal als Sportdirektor für die Blau-Weißen tätig. Er verstarb am 27. Oktober 2008 in Magdeburg. 2014 ist vor dem Stadion auf Initiative der Fans ein Denkmal zu Ehren Krügels errichtet worden.
Nr. 255 vom 14. Mai 2024, Seite 37
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