Meter 73:
Das „moderne“ Domumfeld

Michael Ronshausen

Erzählungen aus der gotischen Kathedrale

 

 

Über viele Jahrzehnte hinweg gehörte der Magdeburger Dom zu den ältesten und bedeutendsten Gebäuden im Stadtbild. Das änderte sich auch im Rahmen der Neuerrichtung großer Stadtflächen unter Otto von Guericke nach dem 30-jährigen Krieg kaum. Magdeburg hatte sich Stück für Stück und nach und nach in eine moderne Barockstadt verwandelt, etwas abseits der breiten Straßenzüge blieben die mittelalterlichen und hochmittelalterlichen Anklänge an das gewachsene Stadtbild aber erhalten.


Im späten 19. Jahrhundert wurde das bauliche Umfeld des Doms zwar schon einmal neu geordnet, das trug jedoch nur teilweise zur Lösung eines eigentlich unlösbaren Problems bei: man schritt dabei auch zum Abriss. Um 1900 herum entstand unmittelbar vor dem riesigen Dom-Westbau für mehr als zwei Jahrzehnte eine repräsentative Grünanlage und versetzte den Dom zumindest optisch in eine Art Kleingartenanlage.


Das grüne Grundstück nahm ab 1922/1923 mehr oder weniger passgenau den Bau der neuen Magdeburger Reichsbankzentrale auf. Neben dem Hinzufügen einiger Märchengeschichten – wie etwa der von den mit Elbwassern flutbaren Tresorkellern unter dem Dom(felsen) – hatten viele an der Sache interessierte Magdeburger mit dem Reichsbankneubau wesentlich realistischere Probleme. Denn der ebenfalls ausufernde Bankbau im Stile der damaligen Moderne wollte ihnen in seiner schmucklosen Form nicht zur benachbarten Vorzeigekathedrale passen.


Und so hätten es zahlreiche der damaligen Honoratioren liebend gern gesehen, wenn die Freifläche vor dem Dom unverbaut und die damals moderne Sichtachse zwischen Breitem Weg und Dom erhalten geblieben wäre. Gekommen ist es am Ende jedoch ganz anders. Unmittelbar vor dem Dom entstand der neue Bankbau, der einige Jahrzehnte lang in „Weimar“, in der NS-Zeit, in der DDR und kurzzeitig auch in den ersten Jahren nach der politischen Wende von 1989 seine ursprüngliche Aufgabe als zentrales Geldinstitut erfüllte.


Hier wurde der Bau, der zwischenzeitlich von der Reichsbank zur Notenbank und schließlich zur Magdeburger Filiale der Staatsbank der DDR umfirmiert hatte, am Ende seiner „Geldzeit“ sogar für eine besonders interessante Episode rund um den schnöden Mammon herangezogen. Als im Sommer 1990 die D-Mark in den Osten kam, wurden viele Milliarden der neuen Währung in der Staatsbank eingelagert, wenn auch nicht in flutbaren Tresoren. Tatsächlich hatten insbesondere in den letzten DDR-Jahrzehnten viele Magdeburgerinnen und Magdeburger ein besonderes Verhältnis zum heute gut 100 Jahre alten Bankbau. Hier gab es – zum korrekten Verrechnungskurs von 1:1 – das westdeutsche Kleingeld für legale Reisen „nach drüben“, hier konnte (und musste) man nach 1979 legal erworbene „Sorten“ in sogenannte Forumschecks umtauschen, eigentlich ein sozialistisch-währungspolitischer Witz.


Später stand die Reichs-/Noten-/Staatsbank dann ungenutzt vor dem Dom herum, diente aber auch als Ersatzspielstätte für die Kammerspiele und wurde vor wenigen Jahren einem komplett neuen und anspruchsvollen Zweck zugeführt. In Teilen des Bauwerks und insbesondere auch in der Räumlichkeit der früheren Schalterhalle hat zwar der Geldschatz ausgedient, aber dafür ist – nach einem andernortigen Versuch vor mehr als 100 Jahren – der Domschatz in die frühere Bank eingezogen und firmiert nun als Museum. Weiter hat Magdeburgs und Sachsen-Anhalts größter Vermieter, die WOBAU, einen Teil der Firmenzentrale in das historische Geldhaus verlegt.

 

Nr. 255 vom 14. Mai 2024, Seite 15

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