Über Dollars und Forum-Schecks

Von Rudi Bartlitz

Erstmals gibt es im Sommer bei den Olympischen Spielen in Paris Geld für die Athleten.

 

 

Wer geglaubt hatte, die oft verkrusteten Strukturen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ließen kaum noch überraschende Veränderungen zu, der wurde Anfang April eines Besseren belehrt. Erstmals bei Olympischen Spielen der Neuzeit wurde da verkündet, also seit Athen 1896, gibt es im Sommer in Paris Prämien für Athleten. Dies kommt einem Paradigmenwechsel beim alle vier Jahre stattfindenden größten Sportfestival der Welt gleich. Über ein Jahrhundert lang wurde der reine Amateurstatus Olympias von den IOC-Chefs wie eine Monstranz vorangetragen. Egal, welche revolutionären Umschwünge sich in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch vollzogen. Kleines Beispiel am Rande: Bis ins 21. Jahrhundert hinein durften Olympioniken vom Austragungsort nicht einmal Kolumnen für ihre Heimatzeitungen schreiben.


Doch halt, so pauschal stimmt das mit den Athleten und den Geldzahlungen doch nicht. Über materielle Anreize können sich zunächst einmal nur Leichtathleten – immerhin die Kernsportart der Ringe-Spiele – die Hände reiben. Und da auch erst einmal nur die Besten, die Goldmedaillengewinner. Der Mann, der den Geldkoffer dafür öffnet, ist kein Geringerer als ein britischer Lord: Sebastian Coe, der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes. „Die Einführung von Preisgeld für olympische Goldmedaillengewinner ist ein entscheidender Moment für World Athletics und den Sport Leichtathletik insgesamt“, sagte er. „Dies unterstreicht unser Engagement, die Athleten zu stärken und ihre entscheidende Rolle anzuerkennen, die sie für den Erfolg aller Olympischen Spiele spielen.“


Für Paris hat Coe dafür 50.000 Dollar (rund 46.500 Euro) lockergemacht. 48-mal. Staffeln müssen sich die Summe teilen. Sein Versprechen gilt ausschließlich für die Besten seiner Sportart. Dafür stünden 2,4 Millionen Dollar (2,2 Millionen Euro) aus der Umsatzbeteiligung des Internationalen Olympischen Komitees zur Verfügung. Der Verband habe 2015 damit begonnen, alles Geld, das er vom IOC für die Spiele erhalte, zurück in seinen Sport zu leiten.


Coe habe am Tag der Verkündung der neuen Maßnahmen „fast wie ein Gewerkschaftsführer gesprochen“, merkte die „Frankfurter Allgemeine“ dazu an. Dass es nicht darum gehen könne, stellte er fest, aus dem Wachstum der Sportart Rücklagen zu bilden, sondern vielmehr ein Ökosystem zu schaffen sei, das es den Athleten erleichtert, ihren Sport auszuüben, und ihnen vielleicht eine finanzielle Zukunft schafft. Es gehe um mehr als Preisgeld.


Die Prämien von Paris sind vor allem ein Symbol. Etliche, die als Kandidaten fürs Podium gelten, dürften allesamt eine Klausel im Vertrag mit ihrem Sponsor haben, die einen Olympiasieg mit höheren Beträgen versilbert, als ihn Coe nun ins Schaufenster stellt. Coe wich den Fragen aus, ob nicht auch in den anderen olympischen Wettkämpfen Prämien gezahlt werden sollten. Ob nicht generell die Teilnahme an den Spielen prämiert werden sollte, wie das Organisationen wie Global Athletes und Athleten Deutschland fordern. Er spreche allein für die Leichtathleten, sagte er. Diese allerdings machten ein Fünftel aller Teilnehmer der Sommerspiele aus, und dies solle anerkannt werden.


In Deutschland ist das Coe`sche Signal jedenfalls auf fruchtbaren Boden gefallen. „Die Entscheidung von World Athletics, einen Teil der IOC-Einnahmen mittels Siegprämien an die Leichtathlet*innen weiterzugeben, erachten wir als großen Fortschritt“, kommentiert Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland: „Wir begrüßen außerdem die Ankündigung, die Prämien künftig auf Silber- und Bronze auszuweiten. Die Athlet*innen und ihre Leistungen bilden den Grundstein des milliardenschweren Geschäftsmodells des IOC.“ Eine solche Einnahmenbeteiligung sollte nicht nur für Medaillengewinner, sondern für alle für die Spiele qualifizierten Athleten gelten.


Es ist allerdings kaum davon auszugehen, dass vielen deutschen Olympioniken in Paris etwas von den Goldtalern in den Schoß fallen wird. Wenn überhaupt. Daher plant die Stiftung Deutsche Sporthilfe für Paris insgesamt rund 2,1 Millionen Euro an Prämien zu vergeben. Dabei handele es sich um Leistungen, die von der Stiftung ausschließlich privat und ohne öffentliche Mittel finanziert werden. Die Medaillen-Prämien teilen sich wie folgt auf: Für Gold gibt es 20.000 Euro, für Silber 15.000 Euro und für Bronze 10.000 Euro. Darüber hinaus werden auch die Plätze vier bis acht mit etwas kleineren Beträgen prämiert. Die Staffelung gilt sowohl für olympische als auch paralympische Athleten.


Im internationalen Konzert sind die Deutschen damit, was die Höhe der Prämien betrifft, eher näher am Armenviertel angesiedelt als in Promi-Gegenden. Italienische Athleten beispielsweise sahnen bei Olympia im Erfolgsfall richtig ab. Für eine Goldmedaille in Peking gab es zuletzt stattliche 180.000 Euro. Für Silber 90.000 Euro, für Bronze noch 60.000 Euro. Damit führt Italien das Prämien-Ranking im europäischen Ländervergleich klar an. Als Italiener Gold bei den Winterspielen in Peking zu gewinnen, lohnte sich richtig. Arianna Fontana, Siegerin im Shorttrack, oder das gemischte Doppel im Curling wissen, was gemeint ist. Sie haben jeweils 180.000 Euro an Prämie kassiert. Auch in Spanien kann man sich eine „goldene Nase“ verdienen. Für Gold gibt es 90.000 Euro, für Silber 60.000 Euro. In Frankreich lauten die Abstufungen der Medaillen-Prämien 65.000, 25.000 und 15.000 Euro.


Und wie war das damals, wird jetzt vielleicht mancher fragen, im berühmten Sportland DDR, mit den Prämien. Je erfolgreicher die „Diplomaten in den Trainingsanzügen“ wurden, umso mehr zählten für den Staat nur noch internationale Medaillen, besonders bei Olympischen Spielen. Was, nebenbei gesagt, dazu führte, dass weniger medaillenträchtige Sportarten völlig aus der Förderung gestrichen wurden, somit die Mittel auf die erfolgsträchtigen Sportarten konzentriert werden konnten. Zusätzlich wurden Anreize für die Sportler geschaffen in Form eines zumeist inoffiziellen Prämiensystems oder in sonstiger materieller (Hilfe beim Hausbau, bei der Beschaffung von Konsumgütern, wie Autos) aber auch ideeller Unterstützung (Beschaffung eines gewünschten Arbeitsplatzes oder Studiums). So erhielt beispielsweise ein Olympiasieger 1988, dem letzten Auftritt der DDR, 35.000 Mark, davon einen geringen Teil in Forumschecks. Für Spätgeborene: Das waren jene, meist in Hotels und Bahnhöfen angesiedelten Geschäfte, in denen DDR-Bürger gegen ein künstliches Zahlungsmittel (eben Forum-Schecks) Waren und Güter aus dem westlichen Ausland erwerben konnten.


Wer nun glaubt, Geld bei Olympia generell sei ein Novum, der irrt. Bereits bei den Spielen der Antike wurde teils kräftig gezahlt. Es gab eben nicht nur Lorbeerkränze und Palmzweige. Viele der Olympiasieger wurden fürstlich entlohnt. Die reichen Städte ließen sich die Erfolge ihrer Athleten schon etwas kosten. In Athen erhielt ein Sieger nach einem von Solon geschaffenen Gesetz genau 500 Drachmen aus der Staatskasse. Bei einem Tageslohn für einen Handwerker von einer Drachme (entsprach dem Wert eines Scheffels Getreide) eine ganz erhebliche Summe. Da lohnte es für die Teilnehmer schon, einmal einen Schritt zuzulegen oder den Gegner aus einem befreundeten Stadtstaat beim Ringen so richtig mit Schwung auf den Boden zu knallen.

 

Nr. 255 vom 14. Mai, Seite 38

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