Römers Reich:
Mehr Staat, weniger Arbeit

Axel Römer

 

Mich wundert, dass das Wort Fachkräftemangel noch nie zum Wort des Jahres gekürt wurde. Schließlich führt es jeder gern im Munde und erklärt damit die demografische Tragödie Deutschlands. Allerdings muss ich stets ein wenig schelmisch grinsen, wenn es Belege dafür gibt, dass sich für den proklamierten Mangel weitere Ursachen finden lassen. Der britische Ökonom Richard Rogerson hat zunächst eine schlichte Überschlagsrechnung aufgestellt. Darin stellt er gegenüber, wie viel in einem Land gearbeitet wird und wie viel sich von dem erwirtschafteten Geld Väterchen Staat abzweigt. Unter die Lupe hat der Volkswirtschaftler übrigens nur Männer genommen, weil die historisch quasi immer arbeiteten. Inzwischen ist das nicht mehr so und eine Überraschung für die Ökonomen.


Zuerst ermittelte Rogerson die Jahresarbeitsstunden pro Kopf der Gesamtbevölkerung, also inklusive Teenies und Greise. Die Koreaner arbeiten im Schnitt 1.230 Stunden pro Jahr, die US-Amerikaner 1.096. In Deutschland kam bei dem Ökonomen heraus, dass hierzulande so wenig arbeiten wie in keinem anderen der untersuchten Länder. Noch interessanter wird Rogersons Vergleich, wenn neben die Arbeitszeit das Steueraufkommen dazugestellt wird. Hohe Steuereinnahmen sind laut dem Ökonomen ein Indiz dafür, dass der Staat seinen Leuten ziemlich tief in die Tasche greift, andererseits wiederum viel Geld umverteilt, ohne dies an konkrete Leistungen zu binden. Für Deutschland kommt unter dem Strich heraus: Je mehr Geld durch die staatlichen Kanäle fließt, umso weniger arbeiten die Menschen. Man muss also annehmen, dass immer mehr Sozialleistungen zum ständigen Sinken der Arbeitsmoral führen. Rogerson stellte weiterhin fest, dass aktuell gerade in Deutschland vor allem die Männer ihre Arbeitszeiten besonders drastisch und schnell reduzieren wollen.


Mich erinnert das Phänomen ziemlich an den wirtschaftlichen Niedergang der DDR, der vom Westen immer kritisiert wurde. Hoffentlich wird das nicht Honeckers späte Rache sein. Auf Rogersons anderer Ergebnisseite steht nämlich das in Ländern, in denen Steuern niedriger sind, dafür die Arbeitsmoral wesentlich höher ist. Die Rogerson-Rechnung muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein, aber überdenkenswert sind die Aspekte gerade für den beschworenen Fachkräftemangel auf jeden Fall.


Gestützt wird Rogersons Analyse von Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Enzo stellte kürzlich fest, dass seit Einführung des neuen Bürgergeldes weniger Arbeitssuchende eine neue Stelle annehmen, als dies für die Arbeitskräftenachfrage erwartet wurde. Also, die Predigten für noch mehr Sozialleistungen und Forderungen nach Steuererhöhungen sind offenbar der falsche Weg. Doch der deutsche Lümmel ist inzwischen so verwöhnt, dass er nur noch tiefer in seine Bequemlichkeitsverblödung strauchelt. Was aus verwöhnten Kindern wird, wissen Eltern nur zu gut. Vati und Mutti Staat hingegen versagen in der Förderung ihrer Söhne und Töchter auf der ganzen Linie.

 

Nr. 256 vom 28. Mai 2024, Seite 3

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