Wenig Berg, mehr Tal

Von Rudi Bartlitz

Klassenerhalt geschafft. Dennoch legte der 1. FCM in der 2. Fußball-Bundesliga
eine Achterbahnfahrt hin, bei der manchen zwischendurch schwindelig zu werden drohte.

 

Foto: Peter Gercke

 

Jene Kiste abgewetzter Hufeisen, die FCM-Trainer Christian Titz vor dem letzten Zweitliga-Heimspiel beim Besuch auf der Magdeburger Galopprennbahn geschenkt bekam, verfehlte am Ende ihren Zweck nicht. Gute 48 Stunden später machte sein Team, die Glücksbringer symbolisch unter den Füßen, den lange unsicheren Klassenerhalt perfekt. Vorhang zu und alle Fragen offen? Nicht ganz. Festzuhalten bleibt: Das wichtigste Ziel der letzten Monate, nämlich die Klasse zu erhalten, wurde erreicht.


Das sah auch Sport-Geschäftsführer Otmar Schork in der Saison-Abschlusskonferenz so: „Über allem steht, dass wir den Klassenerhalt geschafft haben und nun ein drittes Jahr in der 2. Bundesliga spielen werden.“ Man sei weiter im „Konzert der Großen“ dabei. Gleichzeitig schränkte er ein: „Die Saison war eine Berg- und Talfahrt. Gegen Spitzenmannschaften wie Holstein Kiel und St. Pauli waren wir sehr erfolgreich. Aber es gab auch einige Tiefen.“ Ob es nur „einige“ waren, darüber ließe sich trefflich streiten. Aber genau diese Tiefen – mit der hochnotpeinlichen 0:7-Klatsche in Karlsruhe on top – waren es, die das Publikum öfter als gewollt in Wallung brachte. Und das Publikum, das sollte nicht übersehen werden, das sind eben nicht nur die blau-weißen Hardcore-Fans. Ganz im Gegenteil.


Oft ging in der Rückrunde der Blick bang nach unten; eigentlich zu oft. Die von Schork im Herbst `23 ausgerufene Saison-Zielstellung einer „sorgenfreien Weiterentwicklung“ fand nicht statt. Sie wurde deutlich verfehlt. Für die neue Spielzeit dreht der oberste Sportverantwortliche die Zielstellung deshalb ein wenig zurück. Jetzt gelte es, „ein weiteres Jahr in der 2. Liga zu sein“.


Der Verbleib in der zweithöchsten deutschen Klasse stand im vergangenen Jahr bereits vier Spieltage vor Ultimo fest. In ihrem ersten Liga-Jahr waren die Novizen von der Elbe Elfter mit am Ende 43 Punkten geworden. Diesmal waren es fünf Zähler weniger! Im Ranking ging es also drei Stufen runter, Platz 14. Nur magere sieben von 30 möglichen Punkten aus den letzten zehn Partien sprechen zudem ihre eigene Sprache. Das Team profitierte von seinem blendenden Start im Herbst, als aus den ersten fünf Partien elf Punkte herausgeholt wurden. Es fehlten zum Schluss einfach Kraft und Puste. Die fast permanent schlechteren Laufleistungen als die der jeweiligen Gegner (im Extrem zwischen acht und zwölf Kilometer!) trugen ebenfalls dazu bei, dass nicht mehr he-raussprang.


Aus Vereinssicht lag, neben immer wieder auftretenden Defensiv-Aussetzern, eines der kardinalen Probleme des FCM in der mangelnden Durchschlagskraft im Angriff. „Es fehlte ein Knipser“, konstatierte Schork. Es fehlten Tore. „Unser Grundproblem war, dass wir zu wenige Tore aus unseren Chancen gemacht haben. Sonst wären einige Spiele besser gelaufen“, betonte der Sportchef. Mit mehr Fortune in den vorderen Reihen wären, so die Rechnung, sogar sieben oder acht Punkte mehr drin gewesen. Hinzu kam, dass der „Königstransfer“ (Originalton Schork) überhaupt nicht zündete. Der von Holstein Kiel geholte Ahmet Arslan, der 400.000 Euro gekostet haben soll und für heißersehnte Torgefährlichkeit sorgen sollte, wurde bereits in der Winterpause zu Dynamo Dresden weitergereicht. Aber auch dort konnte er nicht überzeugen.


All jene, die vom Schork-Auftritt Hinweise auf, wie auch immer geartete, Veränderungen der Titz’schen-Spielweise in der neuen Saison erhofft hatten, wurden enttäuscht. Das Publikum muss sich wohl weiter einstellen auf den Versuch, viel Dominanz auszustrahlen, auf Ballbesitz-Fußball mit Stichworten wie: von hinten aufbauen, lange Passagen mit dem Leder, viel verschieben, mitspielender Torwart. Dass Ballbesitz, bei dem der FCM mit über 60 Prozent sogar die höchsten Werte der gesamten Liga erreichte (!), oft für die Katz ist und keine Tore schießt, pfeifen die Spatzen nicht erst seit heute von den Dächern. Bestes Beispiel aus jüngsten Tagen (ausnahmsweise einmal nicht vom FCM): Bayer Leverkusen besaß im Finale der European League gegen Atalanta Bergamo sage und schreibe 67 Prozent Ballbesitz und spielte die doppelte Anzahl an Pässen (680:330) – und ging als 0:3-Verlierer vom Feld. Chancenlos. Noch Fragen?


Über kurz oder lang wird sich der FCM, will er auch künftig die Klasse halten und sogar eines Tages weiter oben mitmischen (Schork zum derzeitigen Kader: „Die Qualität ist vorhanden.“), die Frage stellen müssen, wie es im Mittelfeld weitergehen soll. Schon vor Titz ein leidiges Thema der Magdeburger. Wer an den Kern des Problems kommen will, der muss sich den Kern des Feldes anschauen. Dort, wo im modernen Spiel die Mittelfeldspieler, die „Sechser“ und „Achter“, ihren Mannschaften das Gleichgewicht, den Takt geben. Dazu braucht es keinen stürmischen Eroberer wie Cristiano Ronaldo oder andere Galaktische, aber einen stillen Strategen, einen Leader. Einer, der praktisch wenig Fehler kennt (und macht), dafür alle Arten kennt, einen sogenannten Schnittstellen-Pass zu präsentieren – beides Gold wert in diesem Spiel, in dem die Räume immer kleiner werden und das Tempo immer höher. Bei den Magdeburgern kommen da-für, aus unterschiedlichen Gründen, weder Amara Conde noch Baris Atik infrage. Wenn man denn suchen sollte – es muss ja nicht gleich einer wie Toni Kroos sein.

 

Nr. 256 vom 28. Mai 2024, Seite 23

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