Stadtmensch: Preise

Dass Preise mal ein Thema für diese Kolumne sein könnten, das hätte ich auch nicht gedacht. Aber jetzt ist es so weit. Und das liegt daran, dass ich lange Zeit Verständnis dafür hatte, dass die Preise angestiegen sind. Es begann mit Corona und dann kamen erhöhte Energiepreise und Transportkosten und was weiß ich denn noch alles. Dazu der Personalmangel, welcher natürlich zu höheren Löhnen führte, was ich gut verstehen kann und unterstütze, denn jeder Mensch sollte ordentlich für seine Arbeit bezahlt werden. Es fällt zunehmend schwerer, Arbeitskräfte zu finden, welche auch in den Abendstunden oder am Wochenende willens sind, ihrem Dienst nachzukommen. Das ist für mich nachvollziehbar. Dazu kam die Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomie. Ich weiß zwar nicht genau, warum diese jetzt unbedingt notwendig war, obwohl es sich genaugenommen nur um die Aufhebung eines Steuerprivilegs handelte, welches für schlechte Zeiten gewährt worden war. Aber das alles zusammen führte dazu, dass ich mir mittlerweile sehr genau überlege, wann und ob ich essen gehe. Denn die Preise sind hier tatsächlich explodiert, ohne dass dieser Vorgang Einfluss auf die Qualität hat. Im Gegenteil, mancher Speise merke ich an, dass sie preis-günstiger hergestellt wird.


Das gilt nicht für alle Einrichtungen, aber bei ein paar fällt es schon auf, dass zum höheren Preis eine niedrigere Qualität geboten wird. Und das mag ich nicht akzeptieren. Schließlich kann ich mir sehr gut selber ausrechnen, ob ich mir eine Mahlzeit leisten kann, nicht aber, ob sie weniger gut schmeckt. Das erlebe ich erst bei der Bestellung. Und das ist einfach unfair. Denn nicht nur, dass es sich um eine versteckte weitere Erhöhung handelt, mir wird der Vorgang des Speisens verleidet. Denn ich bin durchaus bereit, wenn ich es mir leisten kann, ein Restaurant zu besuchen. Ich bin dagegen nicht bereit, dort eine mindere Qualität zu bekommen. Aber auch eine gleichbleibend hohe Qualität muss ich mir leisten können. Ein vor ein paar Jahren von mir häufig frequentiertes Restaurant bietet hohe Qualität, aber der Preis hat sich im Vergleich zu vor sechs Jahren nahezu verdreifacht. Damit ist es für mich von einem kleinen Luxus zu einem zu großen geworden. Ich verstehe die Umstände, aber mein Verständnis ändert nichts daran, dass es für mich unerschwinglich geworden ist. Doch darum soll es mir auch nicht gehen, denn das Aufsuchen von Restaurants war immer schon Luxus und daher stören mich Einschränkungen hier nicht.


Schwerer fällt es mir da schon, mit den Erhöhungen beim Einkauf von Lebensmitteln umzugehen. Ich war nie wohlhabend, sondern finanziell einigermaßen ausreichend ausgestattet. Natürlich achte ich auf Preise, das hat sich aus der Studentenzeit bewahrt, wo man normalerweise ab der Monatsmitte äußerst behutsam mit den Mitteln umgehen musste. Aber das geschah zuletzt eher oberflächlich. Diese Zeiten sind vorbei. Und auch hier ärgert mich nicht, dass Dinge teurer geworden sind, sondern dass man diesen Vorgang versucht, vor mir zu verbergen. Mein Eistee wurde mir bis vor ein paar Wochen in 1,5-Liter-Flaschen verkauft. Neulich wunderte ich mich ein wenig über die kompaktere Form der Flaschen. Zu Hause bemerkte ich dann, dass diese Flaschen deswegen kompakter waren, weil sie nur noch 1,25 Liter Flüssigkeit enthielten. Der Preis war kurz vorher noch für die alten Verpackungen erhöht worden und gleichgeblieben, so dass es dadurch innerhalb kurzer Zeit noch eine zweite, gut versteckte Erhöhung dazu gegeben hatte. Ein paar der alten Flaschen standen zum gleichen Preis auch noch im Regal, bis sie abverkauft worden waren. Natürlich hätte ich das auf den extrem kleingedruckten Schildern mit den Literpreisen sehen können, aber ich war nicht auf die Idee gekommen, dass man die Flaschen einfach kleiner gemacht hatte. Und dann fiel es mir überall auf: Kleinere Schokoladentafeln, weniger Inhalt in gleichgroßen Verpackungen und sogar andere Inhaltsstoffe. Durch die gestiegenen Kakaopreise enthielt meine Lieblingsschokolade mehr Zucker und weniger Kakao. Hätte ich das nicht zufällig in einem Verbrauchermagazin gesehen, dann hätte ich es nicht erfahren und erst recht nicht verglichen. Ich bekomme ungesündere Lebensmittel und muss das erraten, weil es mir natürlich nicht direkt vor Augen geführt wird. Es sind Veränderungen, die ich so nicht akzeptiere, denn auch wenn es sich dabei um legale Vorgänge handelt, will man mich doch arglistig täuschen.


Natürlich funktioniert der Kapitalismus so, aber eigentlich erwarte ich von den Herstellern der Produkte, die ich bevorzugt erwerbe, einen faireren Umgang. Spätestens, wenn es meine Gesundheit betrifft, müssen wir mal reden. Ich weiß selber, dass es sich bei Schokolade um kein gesundes Lebensmittel handelt. Aber es noch ungesünder zu machen, stellt eine neue Qualität des Umgangs mit dem Kunden dar. Ich wechsle jetzt diese Hersteller aus, denn ich kann ihnen nicht mehr vertrauen und ein Einkauf hat auch mit Vertrauen zu tun. Ich stelle mir vor, ich wäre auf Bürgergeld angewiesen und müsste ohnehin schon extrem knapp planen. Diese Pläne sind jetzt noch komplizierter geworden. Und das bedeutet auch, zeitaufwändiger. Einkäufe verlangen von uns mittlerweile logistische Bemühungen, die wir den Unternehmen eigentlich in Rechnung stellen müssten. Nun gehören Einkäufe für die Waren des täglichen Bedarfs ohnehin nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Die neuen Veränderungen machen es uns Verbrauchern noch schwerer. Und den Cappuccino danach muss ich mir jetzt auch noch selber zu Hause zubereiten. Ich weiß, dass der ohnehin nur Luxus war. Aber ein Leben ohne diesen hat einfach an Qualität verloren.


Lars Johansen

Nr. 259 vom 10. Juli 2024, Seite 7

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