Gedanken- & Spaziergänge im Park: Versuche und Pleiten

„Nun, freust du dich über die Rentenerhöhung zum Monatsende?“, begrüßte ich Gerd. „Naja, teils, teils“, brummelte er. „Ein paar Zehner mehr im Portemonnaie, das ist schon erfreulich, aber die allgemeine Teuerung gleicht das längst nicht aus. Und wenn ich bedenke, dass die schon komfortablen Diäten der Landtagsabgeordneten hier und der Bundestagsabgeordneten in Berlin zur gleichen Zeit noch um weitere 6 Prozent erhöht werden, dann kommt mir unsere 4,57- prozentige Erhöhung schon nicht mehr so toll vor. Dabei darf ich gar nicht daran denken, dass wir ein jahrzehntelanges und anstrengendes Berufsleben hinter uns haben, während manche der jüngeren Volksvertreter noch nie in unserem Sinne berufstätig waren oder nur über ein abgebrochenes Studium verfügen. So richtig gerecht kann ich das nicht empfinden.“ „Hättest dich eben nach dem Zusammenbruch der DDR auch in die Politik begeben müssen. Aber ich glaube nicht, dass du da Karriere gemacht hättest, dafür bist du nicht biegsam genug.“ „Da magst du wohl recht haben“, antwortete Gerd und beendete dieses Thema.

 

 

Anschwellende Wirtschaftskrise

 

Unser Erstaunen erregte eine Äußerung Robert Habecks bei einem Bürgerdialog Ende Mai, die er bezüglich des Gebäudeenergiegesetzes machte, das in seiner ursprünglichen Form nicht beschlossen, sondern etwas abgemildert wurde. Er gestand ein, mit dem Gesetz zu weit gegangen zu sein. So weit, so gut. Aber was er danach sagte, fand Gerd sehr bedenklich. Habeck sagte, dass die ursprüngliche Fassung „ein Test gewesen“ sei, wie weit man der Gesellschaft etwas zumuten kann. „Das ist doch eigentlich nicht zu fassen“, meinte Gerd, „da wird einfach mal probiert, wie schafsgeduldig das Volk ist. Hält es still, so legen wir noch einen Zacken zu. Dabei geht es für viele Eigenheim- und Hausbesitzer und ihre Mieter um beträchtliche Summen, die die geforderten Umrüstungen kosten würden. Manche könnten es nur stemmen, wenn sie sich verschulden würden. Das alles für den Klimaschutz. Wo es doch äußerst fraglich ist, ob diese geforderten Umrüstungen auch nur das Geringste am Weltklima ändern könnten.“ „Das glaube ich auch nicht. Die einzige Folge dieser Klimapolitik ist meiner Meinung eine immer mehr anschwellende Krise der Wirtschaft. Durch die verschiedenen und hohen Steuern auf Energien verteuern sich Produktion und Transport und lassen die Preise der Waren des täglichen Bedarfs, und nicht nur diese, inflationär ansteigen. Dazu kommt noch die eigentlich nur rein ideologisch begründete CO2-Bepreisung, die auch stetig erhöht wird und der Kaufkraft der Bevölkerung den Rest gibt. Dagegen machen große Konzerne über angeblich erfolgte CO2-Einsparungen in Entwicklungsländern noch betrügerische Gewinne, wie jetzt zu hören und zu lesen war.“ „Und der Vegetarier Özdemir will auch noch die Steuer auf Fleisch und Fleischprodukte von 7 auf 10 Prozent anheben und meint, das würden wir Bürger kaum merken. Aber dieses Bagatellisieren kennen wir ja schon von Trittin, der als damaliger Umweltminister im Jahr 2004 versprochen hatte, dass die Energiewende den Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten würde. Damals kostete eine Kugel Eis übrigens nur 50 Cent. In Wahrheit kostet die Energiewende die Haushalte ein Vielfaches!“ Es hat sich also in den vergangenen zwanzig Jahren nichts geändert: Um die ideologischen Ziele durchzusetzen wird einfach mal versucht, was man den Menschen zumuten kann und wo ihre Schmerzgrenzen sind. Und wenn die Bürger nicht protestieren, z. B. auch durch ihr Wahlverhalten, wird die Schraube eben noch ein bisschen angezogen.

 

Die Folgen dieser Politik kann jeder in den Nachrichten lesen. Die Zahl der Insolvenzen steigt Jahr für Jahr an. Große Firmen legen Teilbetriebe still und entlassen Arbeiter. Manche verlegen ihre Produktion auch in das Ausland, wie z. B. die seit 1865 bestehende und weltbekannte Chemiefirma BASF, die hier Betriebe schließt und woanders, z. B. in China, welche aufbaut. Die Insolvenzen betreffen auch Handwerksbetriebe, die für die tägliche Versorgung der Bevölkerung wichtig sind. In Magdeburg trifft es als neuestes die seit 1962 bestehende Fleisch- und Wurstwaren GmbH Delikata. Als Grund dafür werden die enormen Energie- und die steigenden Lohnkosten genannt. Özdemir mag’s freuen, uns Kunden nicht. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Kürzlich machten aufgestellte Grabkreuze aus Pappe in der Sternstraße und um den Hasselbachplatz herum auf das Kneipen- und Lädensterben im ehemaligen Szeneviertel aufmerksam. „Wozu brauchen wir eigentlich eine Hasselbachplatzmanagerin? Das ist doch rausgeschmissenes Geld“, kommentierte Gerd die Situation. „Wir brauchen eine Änderung in der Wirtschafts- und Energiepolitik und vor allem viel weniger Bürokratie. Die Zahl der Bundesbeamten nimmt kontinuierlich zu und erreicht jetzt fast 300.000! Bei den Ländern dürfte es ähnlich sein. Diese Berufsgruppe erwirtschaftet kein Geld, sondern kostet es. Der Nährboden dafür aber ist die Bürokratie mit immer neuen Gesetzen und Vorschriften und die Regulierungswut aus Brüssel.“ „Nun hat Scholz im Bundestag für die Haushaltsbeschlüsse einen Wachstumsturbo angekündigt, der alles bessern soll.“ „Solche Wortschöpfungen hat er schnell zur Hand. Aber auf seinen Wumms und seinen Doppelwumms warten wir noch heute. Das Ergebnis der Haushaltsverhandlungen in letzter Minute ist sicher nicht der große Wurf, sondern ein mühsam errungener Kompromiss, den Scholz „ein gelungenes Kunstwerk“ nennt. Vielleicht ist es wirklich eine Kunst, die so verschiedenen Interessen mühsam unter einen Hut zu bringen. Aber dieses Kunstwerk dient nicht so sehr der Wirtschaftsförderung, sondern mehr dem eigenen Machterhalt.“

 

 

Wir brauchen mehr Diplomatie

 

Viktor Orbán, der neue EU-Ratspräsident, machte sich auf den Weg nach Moskau zu Putin, nachdem er vorher in Kiew war. Und das ohne vorher Frau von der Leyen um Genehmigung zu bitten! Ein Skandal in den Augen mancher Politiker und Redakteure. Prompt wird er als Putin-Freund bezeichnet. Vielleicht sollte man diese Kritiker mal an den Ausspruch von Charles de Gaulle erinnern, der sagte: „Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen.“ Das gleiche gilt im Prinzip auch für Politiker, die ihren Staat vertreten. Man weiß nicht, ob und welche Ergebnisse das Gespräch erbracht hat. Aber dass es überhaupt stattgefunden hat, ist diplomatisch wichtig. Wir brauchen mehr solche Diplomatie und keine Abbrüche der Brücken, auch wenn sie nur noch schwer begehbar sind. Die Schweizer Friedenskonferenz vor vier Wochen in Bürgenstock war für einen Frieden unnütz, da die andere Kriegspartei auf ihr nicht vertreten war. Die westliche Unterstützung der Ukrainer mit Waffen ist enorm, wenn auch manchmal nicht ausreichend. Aber hat man sich einmal darüber Gedanken gemacht, was werden soll, wenn die letzten ukrainischen Soldaten verwundet oder tot sind? Wollen die NATO-Länder dann auch Soldaten schicken? Das mag man sich gar nicht vorstellen!


Deutschland hat nun im Fußball gegen Spanien verloren und ist ausgeschieden. „Das ist traurig, denn sie haben hart gekämpft. Aber manche werden sich darüber freuen und zufrieden sein“, sagte Gerd. „Spinnst du? Wie kommst du denn darauf?“ „Es gibt einige, die anscheinend nichts weiter fürchten, als dass ein schwarz-rot-goldenes Flaggenmeer über Deutschland hereinbrechen würde wie bei der Weltmeisterschaft 2006, dem sogenannten Sommermärchen. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) hatte kürzlich ein wieder einkassiertes Video veröffentlicht, dass ein Erstarken des Nationalismus und der rechten Kräfte auf dieses Ereignis zurückführte.“ „Leider gibt es Leute, die ein gesundes Nationalgefühl als etwas Negatives ansehen und es als Nationalismus oder sogenanntes völkisches Denken verteufeln.“ Dieser Fall zeigte uns aber, dass die Forderung der altachtundsechziger Linken nach dem „Marsch durch die Institutionen“ für sie und ihre ideologischen Nachfolger erfolgreich war. Sie sind dort angekommen und bestimmen teilweise den Ton. „Vielleicht sollte sich die BpB in Bundeszentrale für Propaganda umbenennen?“, kommentierte Gerd sarkastisch den Vorgang.

 

 

Ideologisch geprägte Vorurteile

 

Ein groß‘ Geschrei ging durch den Landtag, weil etwas eigentlich ganz Normales geschehen war. Mit Stimmen der CDU wurde in Quedlinburg ein parteiloser AfD-Kandidat in das Amt des stellvertretenden Stadtratsvorsitzenden gewählt. SPD, Linke und Grüne sind empört. Pfarrer Martin Michaelis, der sich nie etwas zuschulden kommen ließ, wurde schon vorher durch die Kirche von seinem Pfarramt entbunden, weil er sich von der AfD aufstellen ließ. Wohl gemerkt: er ist nicht Mitglied der AfD. Man achtet nicht auf die Person und nicht darauf, wie er bei den Menschen geachtet ist, sondern folgt nur den eigenen ideologisch geprägten Vorurteilen und vergisst dabei, dass es auf der kommunalen Ebene, wo man sich oft auch privat gut kennt, auf Sacharbeit ankommt. „Aber“, sagte ich, „die AfD wird als rechtsextremistisch eingeschätzt und vom Verfassungsschutz beobachtet!“ „Dieser Satz beinhaltet zwei Aussagen“, erwiderte Gerd mir, „ja, sie wird als rechtsextremistischer Verdachtsfall auf eventuelle Verfassungsfeindlichkeit hin beobachtet. Das ist die eine Aussage. Die andere, die auch darin steckt, besagt: Trotz dieser Beobachtungen konnte das Urteil der Verfassungsfeindlichkeit bisher nicht gefällt werden, sonst würde sie verboten werden.“ Nachdenklich ging ich meines Weges.


Paul F. Gaudi

 

 

Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Frisch erschienen ist jetzt Teil III. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder im Online-Shop bestellt werden.

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