Römers Reich: Treibstoff Trübsinn

Falls Sie zu Unterstützern der AfD gehören, sollten Sie sich jetzt gut festhalten. Die Forscher Maja Adena und Steffen Huck vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung wollen in einer Studie mit 5.000 Befragten herausgefunden haben, dass Sympathisanten dieser Partei unglücklicher seien. Sie behaupten, dass die „Rhetorik der Negativität“ und der „negativen Emotionen und Ängste“, mit denen rechtspopulistische Parteien ihre Anhänger überschwemmen würden, mehr Trübsinn verbreiten würde. Sie wollten damit zeigen, dass nicht die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Bedingungen Treibstoff für Trübsinn sei, sondern wer sich die Unterstützung der AfD bewusst mache, nehme sowohl die persönlichen als auch die eigenen finanziellen Umstände als schlechter wahr. Würde man sich von der Partei abwenden, könne man dagegen eine Verbesserung seines Wohlbefindens erreichen. Aha.


Die Studieninterpretationen der beiden Sozialwissenschaftler sind für mich ein unvollständig herausgerissener Aspekt. Im linken Lager gibt es wohl kaum weniger Negativrhetorik. Das ist der an allem schuldige Kapitalismus, die permanente Ungerechtigkeit zwischen allem und jedem sowie eine generelle Unzufriedenheit mit dem sogenannten System. Dazu kommen die Untergangsszenarien über den Klimawandel, Unterdrückungsbeispiele et cetera. Folgte man den täglichen Aufregungen über’s Wetter, dass ja immer zu warm, zu kalt, zu nass und überhaupt selten das Wohlbehagen nährt, müsste die Menschheit längst an ihrer Schwermut ausgestorben sein.


Um einem wachsenden gesellschaftlichen Trübsinn auf die Spur zu kommen, darf auch der Teil düsterer Verkündigungen nicht ausgeklammert werden, von dem Gefahren für die Demokratie ausgehen. Menschen mit liberalen Wirtschaftsansichten beklagen die Deindustrialisierung, den Abbau von Arbeitsplätzen sowie die Stagnation des Wirtschaftswachstums. Gibt es aktuell überhaupt eine Sichtweise, die dem Weltgeschehen und der Entwicklung in Deutschland positive Seiten abgewinnen kann? Optimisten sitzen hauptsächlich in der Regierung. Von Vertretern der Ampel-Koalition hört man häufig, wie sich in Deutschland etwas zum Guten wenden würde oder dass man insgesamt auf einem guten Weg sei. Solcherlei rhetorische Schönrederei war zu DDR-Zeiten gang und gäbe.


 Im Übrigen ist es keine neue Erkenntnis, dass man sich in einen Teufelskreis des Trübsinns einsperren kann und in der Folge die Steigerung von Unwohlsein erlebt. Ob aber nun der AfD-Trübsinn Menschen unglücklicher mache als Negativparolen anderer politischer Gruppierungen, würde ich bezweifeln. Wer hat denn einen Maßstab eines Objektiv-Trübsinns aufgestellt? Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat also einen Befund kreiert, der dazu dient, dass manche wunderbar mit dem Finger in eine Richtung zeigen können, ohne selbst in den Spiegel blicken zu müssen. Man könnte das Fazit auch einen Blick in eine trübe Glaskugel nennen.       


Axel Römer

Nr. 260 vom 23. Juli 2024, Seite 3

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