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Gedanken- & Spaziergänge im Park: Skandalöses

Die Olympischen Spiele in Paris haben mit einem riesigen Spektakel begonnen. Wenn ich ehrlich bin, so muss ich sagen, dass ich es für eine Olympiade recht unpassend fand. Den früheren Einzug der Sportler in das Stadion fand ich besser und angemessener, vielleicht auch würdevoller. Das Vorbeifahren mit den Schiffen auf der Seine hatte irgendwas Touristisches. Wozu da die mühsam ausgewählten Fahnenträger ihre Fahnen schwenken mussten, erschließt sich mir nicht. Zu einem Eurovision Song Contest oder ähnlichen Unterhaltungsfestspielen hätte das alles vielleicht besser gepasst. Es war riesig, bunt und sündhaft teuer. Macron hat sich mit dieser Aufführung anscheinend bemüht, dem französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. nachzueifern. Soweit alte Bilder das wiedergeben können, hatte es aber damals deutlich mehr Stil als dieses Sammelsurium der Eröffnungsfeier. „Ich befürchte“, warf Gerd ein, „dass es nach der Olympiade ein böses Erwachen geben wird, denn die politischen Probleme, die sich nach der vor kurzem erfolgten Nationalratswahl aufgetan haben, werden nach den zwei Wochen mit aller Schärfe eine Lösung fordern.“

 

Skandalträchtige Darstellungen

 

Zwei Darstellungen waren bei der Eröffnungsfeier in meinen Augen ausgesprochen skandalträchtig: Das war zum einen die von queeren und homosexuellen Frauen, Männern, Transfrauen und Transmännern dargestellte Szene, die sehr viele an das Gemälde des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci erinnerte, zumal die Person in der Mitte einen Kopfschmuck trug, der an einen Heiligenschein erinnerte. Andere Kunstverständige meinten, dass es eher die Darstellung eines dionysischen Festes wäre, wie man es von Bildern des Altertums und der Renaissance kenne. Das wäre auch möglich. Allerdings stehen oder sitzen die auf diesen Gemälden Dargestellten meist nicht um einen Tisch herum. Wie dem auch sei, verschiedene katholische Würdenträger beschwerten sich darüber, während von evangelischer Seite eher abgewiegelt wurde. „Das ist ja meist so“, meinte Gerd dazu, „die evangelische Kirche geht oft mit dem Zeitgeist Hand in Hand, während die Katholiken mehr auf ihre Grundsätze pochen. Naja, und die beteiligten Künstler wissen ja auch mit wem sie es machen können.


“Wenn sie ein Thema aus dem Islam oder dem Koran so blasphemisch aufgegriffen hätten, dann könnte es sein, dass sie ihres Lebens nicht mehr sicher wären. Denk nur mal an den Zeichner der Mohammed-Karikaturen Kurt Westergaard, der danach nur noch unter Polizeischutz leben konnte. Die Redaktion der Zeitschrift Charlie Hebdo wurde von islamistischen Terroristen 2015 überfallen und 17 Mitarbeiter fielen diesem Anschlag zum Opfer. Oder der Lehrer Samuel Paty, der 2020 in der Schule einer französischen Kleinstadt im Unterricht die Mohammed-Karikaturen zeigte, um über Meinungsfreiheit zu diskutieren. Zehn Tage später wird er auf offener Straße enthauptet.“ „Vergiss auch nicht den Verfasser der Satanischen Verse, Salman Rushdie, der wegen dieses Buches 1989 von dem damaligen iranischen Religionsführer Khomeini mit einer Fatwa belegt wurde, in der alle Muslime zur Hinrichtung Rushdies aufgerufen wurden, damit niemand weiter den Islam zu beleidigen wagt. Das hatte mehrere Attentate auf ihn zur Folge, das letzte 2022 in New Jersey. Dabei verlor er ein Auge und eine Hand blieb danach gelähmt.“


„Ja, mit Islamisten ist nicht zu spaßen. Aber das zeigt doch auch, dass das Christentum deutlich toleranter ist.“ „Vielleicht. Aber vielleicht ist es nur älter und harmloser geworden.“ „Was willst Du denn damit sagen?“ „Nun, der Islam definiert seinen Anfang nach unserer Zeitrechnung im Jahr 622, als der Prophet Mohammed nach Medina aufbrach. Das ist das Jahr 1 des islamischen Kalenders. Das heißt, der Islam befindet sich jetzt in seinem 15. Jahrhundert. Und wie war das mit dem Christentum, als es sich nach unserer Zeitrechnung im 15. und 16. Jahrhundert befand? Da schlugen sich die Christen verschiedener Konfessionen in Europa gegenseitig die Schädel ein, brachten Abweichler von der „wahren Lehre“ und Reformatoren wie z. B. Jan Hus auf den Scheiterhaufen und veranstalteten Tausende tödlich endende Hexenprozesse. Nach der Entdeckung Amerikas am Ende des 15. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung wurden durch die christlichen Europäer in Mittel- und Südamerika indianische Hochkulturen brutal vernichtet und den Völkern dort das Christentum als einzige Religion und die spanische Sprache aufgezwungen. Vielleicht kann man einem Volk nicht schlimmer schaden, als wenn man es seiner Sprache beraubt.“

 

Brutalität zu friedlichen Spielen

 

„Ja, wenn man das Verhalten der beiden Religionen als die tonangebenden Ideologien der Gesellschaft in Beziehung zu ihrem jeweiligen Alter betrachtet, ist der Unterschied in puncto Brutalität und Unterdrückung Andersdenkender in der Tat nicht allzu groß. Aber nun sind wir ganz von der Pariser Eröffnungsfeier abgekommen. Eine andere Darstellung bei der Eröffnungsfeier fand ich viel schlimmer und ausgesprochen geschmacklos: In den Fenstern der Conciergerie, einem alten Gebäude, das sich am Seineufer der Ile de France befindet, standen in den Fenstern dutzende geköpfte Marie-Antoinettes, die ihren Kopf in den Händen hielten, der zu allem Überfluss auch noch den Gassenhauer aus der Zeit der Terrorherrschaft Robespierres singen musste:

 

Ah, ça ira, ça ira, ça ira,
Les aristocrates à la lanterne!
Ah! ça ira, ça ira, ça ira,
Les aristocrates on les pendra!   

 

Zu Deutsch:
Ah, wir werden es schaffen,
Die Aristokraten an die Laterne!
Ah, wir werden es schaffen,
Die Aristokraten werden wir hängen!

 

Zum Abschluss dieses grauenhaften Bildes schossen noch blutrote Bänder wie Blutströme aus den kopflosen Hälsen der Figuren. Also, ich fand diese Aufführung brutal und ausgesprochen geschmacklos.“ „Ging mir ebenso“, sagte Gerd, „besonders wenn man weiß, dass während der Französischen Revolution die Conciergerie als Gefängnis für bis zu 1.200 Gefangene diente. Dort fanden auch die Sitzungen des Revolutionstribunals statt, dass während dieser Terrorzeit rund 2.800 Menschen zum Tod durch die Guillotine verurteilte.“

 

„Die falschen Stimmen“

 

Gerd war gerade aus dem Urlaub zurück und hatte gleich wieder an Magdeburg etwas auszusetzen: „Weißt Du noch, wie unser Staatsratsvorsitzender Erich Honecker im September 1987 zum ersten Mal in Westdeutschland war? Da hat er wohl manches gesehen, was ihm zu denken gab. Jedenfalls wurde ab dann begonnen, die erhaltenen Altbauten der Gründerzeit in der Hegelstraße oder in der Sternstraße wieder zu restaurieren, statt den Stuck abzuschlagen und die Fassaden glatt zu verputzen, wie es vorher geschah. Nebenbei, es wurde damals erzählt, dass der einzige Stuckateurmeister, den es in Magdeburg noch gab, sofort die Order erhielt, mehrere Lehrlinge einzustellen. Jedenfalls wurden die Restaurationen nach dem Ende der DDR fortgesetzt, sogar noch intensiviert. Besucher, mit denen ich durch diese Straßen ging, waren begeistert und wollten kaum glauben, dass unsere Stadt im Krieg schwer zerstört worden war. Aber als ich kürzlich wieder einmal in der Sternstraße auf der rechten Seite in Richtung Hasselbachplatz ging, war ich entsetzt. Alle diese schön restaurierten Häuser beschmiert und mit dämlichen Losungen versehen. Besonders schlimm die Sternstraße 30, wo sich ein alternatives Zentrum im Souterrain befindet. Könnten die Verantwortlichen, die doch eine bessere Welt wollen, nicht auf ihre Gäste einwirken? Aber anderswo ist es ebenso. Kaum ist ein Haus renoviert, wird es schon beschmiert. Wenn es wenigstens noch Graffiti á la Banksy wären! Das wäre ja noch was.“ „Ich befürchte, dass da wenig Hoffnung auf Besserung in unserer Heimatstadt ist.“


Wir wunderten uns noch, wie hoch die Empörungswellen bei den Grünen und der SPD unseres Landtages schlagen, weil bei der Wahl zum Kreistagschef in Burg kürzlich die dortige AfD-Fraktion für das CDU-Mitglied Markus Kurze stimmte, er seine Wahl angenommen hat und nun Vorsitzender des Kreistages Jerichower Land geworden ist. Ja, warum denn auch nicht? Sollte er etwa seine Wahl ablehnen, weil die „Falschen“ für ihn gestimmt haben? Wie dumm muss man sein, um es der Opposition recht zu machen? Außerdem: die Grünen und die SPD sollten einmal in ihre eigene Geschichte schauen: Als 1994 die SPD unter Höppner zusammen mit den Grünen/Bündnis90 eine Minderheitsregierung bildeten, waren sie auf die Duldung der in PDS umbenannten SED angewiesen, um bei Abstimmungen eine Mehrheit zu haben. Da gab’s kein Geschrei nach einer Brandmauer! Für dieses Taktieren flog B90/Grüne übrigens bei der nächsten Wahl 1998 aus dem Landtag, da sie an der 5-Prozenthürde scheiterten.


Paul F. Gaudi

 

Buch-Tipp: Die Kolumnen von Paul F. Gaudi sind als Buch unter dem Titel „Der Spaziergänger“ Teil I (Nr. 1 bis 54) und Teil II (Nr. 55 bis 100) erhältlich. Frisch erschienen ist jetzt Teil III. Die Bücher können im KOMPAKT Medienzentrum erworben oder online unter www.kompakt.media bestellt werden.

Nr. 261 vom 6. August 2024, Seite 7

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