Römers Reich: Fair verliert
Heutzutage ist ja alles auslegbar: Geschichte, Geschehnisse oder Geschlechter. Entweder kommt es auf die Betrachterperspektive, den Wissensumfang oder einfach die Gefühlslage an. Die Auslegungsmöglichkeiten sollen häufig Ausdruck für Vielfalt sein, für individuelle Entfaltung, und man möchte darin gern Meinungsgerechtigkeit verstanden wissen. Was allerdings herauskommt, ist oft genug Streit.
So erstaunt es nicht, dass über die Darbietungen zur Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Paris kontrovers diskutiert wird. Christen oder solche, die das Abendland in Gefahr sehen, reden über eine Art kultureller Verletzung. In diese Kontroverse will ich mich gar nicht einmischen. Es existiert da außerdem der Disput übers Frauenboxen. Imane Khelif, eine 25-jährige Algerierin, besiegt nach wenigen Sekunden ihre italienische Kontrahentin Angela Carini. Wie damit umgehen, dass die Algerierin wahrscheinlich über XY-Chromosomen im Erbgut verfügt und ähnlich wie biologische Männer viel mehr Testosteron produziert. Damit verfügt sie offenbar über physische Vorteile. Warum sie im olympischen Wettkampf antreten durfte, lag daran, dass sie im Vorfeld einen Testosteron-Test absolvieren musste. Man kann die Hormonproduktion mit sogenannten Blockern einschränken., aber wohl kaum den zuvor erlangten Muskelaufbau durchs Training rückgängig machen. Die Diskussionswelt scheidet sich nun in Verteidiger und Angreifer zum Thema Transpersonen im Sport, ganz wie beim Boxen. Mich bewegt ein ganz anderes Argument, dass in der Auseinandersetzung kaum zu hören ist. Sport lebt von Fairness. In der Weltspitze werden Leistungsunterschiede der Top-Athleten oft in Bruchteilen von Sekunden sichtbar. Das garantiert spannende Wettkämpfe. Mir will es sich nicht recht erschließen, dass soziale Geschlechtervorstellungen die fairen Voraussetzungen bei Sportduellen aushebeln sollen.
Vorstellungen, Empfindungen, sexuelle Präferenzen können keine Kriterien sein, um einen Wettkampfrahmen zu setzen. Jahrzehntelang kämpft der Feminismus für Gleichberechtigung der Frauen. Deshalb öffneten sich nach und nach Männerdomänen für das weibliche Geschlecht. Auch wenn ein Mensch sich als Frau identifiziert – was bitte schön sein gutes Recht ist – kann biologisches Erbgut schlecht weggedacht werden. Für Frauen sind in der Vergangenheit Schutzräume entstanden. Solche, die vor sexuellen Übergriffen oder Gewalt schützen sollen. Wenn ein biologischer Körper über XY-Chromosomen verfügt, egal welche soziale Geschlechter-identifikation dort eindringt, werden die Errungenschaften des Feminismus unterlaufen. Was also unter der Idee für mehr Geschlechtergerechtigkeit gedacht wird, schafft für alle Seiten Ansatzpunkte für neue Kontroversen. Und mit der Veränderung einer äußeren Erscheinung werden noch lange keine inneren Konflikte gelöst. Um faire Bedingungen sollte es überall gehen, auch im Sport. Aber Fairness verliert, wenn Gerechtigkeitsattitüden dogmatisch über Unterschiede von Menschen gestellt werden.
Axel Römer
Nr. 261 vom 6. August 2024, Seite 3
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