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Eine unendliche Geschichte

Nach mehreren gescheiterten Versuchen erwägt Deutschland jetzt eine neue Bewerbung für Olympische Spiele. Doch noch bauen sich eine Reihe von Hürden auf.


Von Rudi Bartlitz

Vor gut einem Jahr noch wurden (oft billige) Witze darüber gerissen, nun auf einmal scheint es ein ernsthaftes Thema geworden zu sein: Olympische Spiele in dieser Republik. Wieder einmal, muss man wohl hinzufügen. Denn sieben Mal haben es die Deutschen nach München 1972 versucht, sieben Mal sind sie gescheitert. Zum Teil kläglich. Nach Berchtesgaden 1992, Berlin 2000, Leipzig 2012, München 2018, München 2022 und Hamburg 2024 war das auf einer Privatinitiative fußende Ansinnen, die Rhein-Ruhr-Region für 2032 ins Rennen zu schicken, das letzte gescheiterte Olympiaprojekt der Deutschen.


Schließlich ist seit München, das die Spiele als letzte deutsche Stadt austrug, ein halbes Jahrhundert vergangen. Frankreich, Spanien, Großbritannien, Italien und Russland empfingen seither die Jugend der Welt, nur das wirtschaftlich stärkste Land Europas wurde vom IOC nicht mehr berücksichtigt. Die Bewerbungs-Arie der Deutschen um die Spiele erzählt über Jahrzehnte vom Verlieren am laufenden Band. Mal scheiterte der organisierte Sport kläglich (Berlin), mal entschied er sich für den falschen Bewerber (Leipzig), mal überschätzte er sich maßlos. Zuletzt verweigerten sich sogar die Bürger in und um München (für 2022) und Hamburg (2024) – auch mit Blick auf den Ruf des IOC, auf dessen Spiele, überladen mit Gigantismus, Pomp und Kommerz.


Doch jetzt, das Spektakel in Paris tagtäglich vor aller Augen – grandios: Eröffnung auf der Seine, Beachvolleyball am Fuße des Eiffelturms, Fechten im imposanten Grand Palais, Tennis in Roland-Garros –, scheint in der Sportlandschaft zwischen Kiel und München auf einmal so etwas wie ein spätes Frühlingserwachen zu spüren zu sein. Motto: Das wollen wir auch!


Letzter Anstoß war eine Meldung, die im vorolympischen Trubel fast ein wenig unterging. Der Bund, besagte sie, will sich bis 2027 mit 6,95 Millionen Euro anteilig an den Kosten einer Olympiabewerbung beteiligen. „Wir wollen Olympia in Deutschland verbinden mit 50 Jahren deutscher Einheit“, erklärte Innen- und Sportministerin Nancy Faeser. Das heißt: Die Bewerbung dreht sich um das Jahr 2040; die Wiedervereinigung trat am 3. Oktober 1990 in Kraft. Ein deutsches Thema, zweifellos, heute mehr denn je. Aber nichts, was die Welt interessiert. Schon gar nicht das IOC. Deutschland sei eine Sportnation und ein großartiger Gastgeber für internationale Sportereignisse, argumentiert die Ministerin. „Olympische und Paralympische Spiele sind eine große Chance für unser Land. Sie wecken nicht nur Sportbegeisterung, sondern können auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und Impulse für die Wirtschaft setzen.“ Auch die Zusage des Bundes, den Spitzensportetat trotz massiver Einsparung im Haushalt für 2025 um 30 Millionen Euro auf 330 Millionen zu erhöhen, spricht für Bewegung auf diesem Spielfeld.


Mit der Zielvorgabe des Bundes für 2040 scheint zudem ein früheres Ansinnen des Sports, sich für 2036 mit Berlin zu bewerben – genau 100 Jahre nach den Nazi-Spielen dort – vom Tisch. Es war ohnehin stets kontrovers diskutiert worden. Noch ein anderes Argument spricht gegen 2036. Im IOC, dessen Asien-Affinität zuletzt unübersehbar war, gilt es als ziemlich sicher, dass dann Indien ernste Ansprüche anmeldet. Und die größte Demokratie der Welt hätte sicher gute Chancen. Selbst wenn die Inder nicht wollen (oder können), stände sofort die finanziell potente Golf-Region bereit. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der letztlich eine deutsche Bewerbung abgeben müsste, will sich jedoch für informelle Gespräche mit dem IOC noch eine Option für 2036 offenlassen.


Berlin, Hamburg, Leipzig, München und die Region Rhein-Ruhr haben in der Vergangenheit ihr Interesse an einer Bewerbung mit Absichtserklärungen konkret bekundet. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur zu einer möglichen Bewerbung gemeinsam mit Berlin: „Es kommt darauf an, das Konzept überzeugend darzulegen. Nach meiner Einschätzung ist das gut möglich.“ Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) machte sich für olympische Segelwettbewerbe vor Warnemünde stark. DOSB-Chef Thomas Weikert stellte eine außerordentliche Mitgliederversammlung im ersten Halbjahr 2025 in Aussicht, die dann eine deutsche Bewerbung endgültig auf den Weg bringen könnte.


Rückenwind erhofft sich die deutsche Sportführung von einem Event, dass im vergangenen Jahr für Furore sorgte, die in München ausgetragenen Europameisterschaften in neun Sportarten. Aber lässt sich die Begeisterung für diese Championships, wie sie genannt wurden, wirklich übertragen auf Olympia mit den so viel größeren Dimensionen? Mit dem Milliarden-Aufwand? München war jetzt deshalb erfolgreich, sagen Kritiker, weil es eben gerade nicht Olympia war.


Keine Frage, dem deutschen Sport an sich täte Olympia gut. Die Antwort auf die Frage nach dem warum ist simpel: Weil der nationale Sport, mit Ausnahme des Profifußballs, so schwach daherkommt. Seit Jahrzehnten beweisen Untersuchungen, dass Bewegung die Entwicklung von Körper und Geist stark und positiv beeinflusst. Kinder blühen auf, Eltern bleiben gesund, Senioren mobil. Olympia könnte da wie ein Katalysator wirken. Auch für die vielen maroden Sportstätten. Auf 31 Milliarden Euro berechnete der Deutsche Städtetag den Sanierungs- und Investitionsbedarf für Sportstätten der Kommunen und Vereine.


Olympia in Deutschland, muss das sein?, fragen wiederum andere. 50 Jahre ist es ohne in diesem Land gegangen. Die sinkende Medaillenausbeute seit 1992 kann jedenfalls kein überzeugendes Argument sein, mit der Ausrichtung eines Milliarden Euro kostenden Sportfestes deutschen Athleten wieder auf die Sprünge helfen zu wollen. So schön es andererseits wäre. Jüngste Erhebungen wirken zudem nicht gerade als Beschleuniger und Mutmacher. Beim Bürgerinteresse an Olympia landet Deutschland, trotz der beeindruckenden Bilder aus Paris, keineswegs auf der ersten Position: Lediglich 35 Prozent der Befragten hierzulande geben an, sich für die Sommerspiele 2024 zu interessieren. Damit landet die Bundesrepublik von allen abgefragten Ländern nicht etwa in der Spitzengruppe (angeführt von Australien mit 52 Prozent), sondern – auf dem hintersten Rang. Für eine eventuell angedachte Bürgerbefragung zu einer Olympiabewerbung sicher nicht gerade die beste Empfehlung.

Nr. 261 vom 6. August 2024, Seite 30

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