Standpunkt Breiter Weg: Politische Extremwetterlage
Das Land ist in heller Aufregung. Jedenfalls vermitteln das manche Medienbeiträge und politische Debatten. Am 1. September finden in Sachsen und Thüringen Landtagswahlen statt. In beiden Ländern hat die AfD in den Umfragen die Nase vorn bzw. bietet sich in Sachsen mit der CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und das erst wenige Monate junge Bündnis Sarah Wagenknecht rangiert auf Platz 3. FDP, SPD und Grüne müssen noch um einen Einzug ins Parlament bangen oder sind bereits deutlich unter die 5-Prozent-Hürde gefallen. Wie also eine Regierungsmehrheit ohne AfD organisieren? Das ist die Frage, die viele umtreibt. Erst seit gut einem Jahr werden auf verschiedenen Politikfeldern wie der Zuwanderung und Sicherheit in etablierten Parteien andere Töne angeschlagen. Doch die Bürger treibt mehr um. Preissteigerungen, Wirtschaftsschwäche, Energiewende, Mobilitätsverluste und Waffenlieferungen schüren Ängste. Beschwichtigendes politisches Gerede hilft nichts mehr.
Das Schüren von Ängsten, dass die Demokratie in Gefahr sei oder die Beschwörung, dass von Rechts Schrecken drohten, kommen wie Globuli-Pillen daher. Als 1994 in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt eine rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der SED-Nachfolger PDS gebildet wurde, wogten ebenso Warnungen durchs ganze Land. Sozialismus drohe, wirtschaftlicher Niedergang und fernbleibende Touristen. Schwarzmalerei scheint politisches Handwerk zu sein. Damals erwiesen sich Demokratie, Rechtsstaat, staatliche Institutionen und Gesellschaft als stabile Säulen. Heute vermitteln Politiker den Eindruck, als hätten sie selbst kein Vertrauen in den Staat mehr, wenn Regierungen mit der AfD gebildet würden. Welches Vertrauen wollen sie dann ihren Bürgern abverlangen? Unten erlebt man Veränderungen. Oben verlangt man mehr Schutz für Politiker vor Angriffen von gewalttätigen Extremisten. Aber welcher Schutz kann Menschen geboten werden, wenn sie in der eigenen Stadt von Tätern hören, die Messerattacken gegen Leib und Leben ausführen?
Die Säulen, auf denen der deutsche Staat viele Jahrzehnte solide funktionierte, bröckeln schon länger. Freiheitsrechte werden eingeschränkt – Stichwort Corona –, Verbrenner-Verbot und andere sowie Verhaltensvorgaben in Political Correctness sind der Stoff, der sich in die demokratischen Fundamente frisst. Ich glaube nicht, dass solche Erscheinungen aus Herzenswünschen der Bürger kommen würden. Mit dem Erstarken der AfD drohe eine Partei der einfachen Lösungen. Doch was lösen die hyperkomplexen Antworten, die Politiker anderer Parteien gar nicht geben können?
Untergangsszenarien sind ein destruktiver Nährstoff oder gar ein Brandbeschleuniger. Nur leider existiert heute gar keine Partei mehr ohne apokalyptische Erzählung. Geht die Menschheit nun am Klimawandel zugrunde oder am Schüren kriegerischer Konflikte? Auch in der AfD werden gern Untergänge beschworen. Vielleicht muss die Frage in den Wahlumfragen heißen: Welche Dystopie erscheint den Bürgern als die geringere? Man darf auf das Debatten-Unwetter nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen gespannt sein. Es droht eine politische Extremwetterlage. Aber Extremwetter haben wir ohnehin jeden Tag in den Nachrichten. Bürger haben sich daran gewöhnt.
Thomas Wischnewski
Nr. 262 vom 20. August 2024, Seite 2
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