„Leistungsfähigkeit muss erhalten bleiben“
Geschäftsführer Marc Schmedt im Kompakt-Interview über die Situation beim deutschen Handballmeister SCM, die aktuelle Verletzungsmisere, die Favoriten im Titelkampf, die zunehmende Zahl der Ostklubs in der Liga sowie eventuelle Änderungen bei der Spielstätte Getec-Arena.
Fragen: Rudi Bartlitz
Kompakt: Würden Sie Einspruch dagegen erheben, wenn wir den SC Magdeburg in der neuen Meisterschaft als Favorit bezeichnen? Immerhin geht er als Titelverteidiger und deutscher Pokalsieger ins Rennen.
Marc Schmedt: Dagegen würde ich aktuell Einspruch erheben.
Weil?
Wir sind eine Spitzenmannschaft, keine Frage. Und das letzte Jahr war das beste in der Vereinsgeschichte. Da haben wir drei Titel gewonnen, und es fällt heute manchmal noch schwer, das richtig zu begreifen. Aber das macht uns momentan automatisch nicht zum Favoriten. Hinzu kommt, dass wir nach den olympischen Spielen, zu denen der SCM neun Aktive abgestellt hat, von einer Reihe teils schwerer Verletzungen betroffen sind. Keiner kann im Augenblick sagen, wann einzelne Spieler wieder einsatzfähig sind. Wir werden mit Sicherheit zwei, drei Langverletzte haben.
Wenn der SCM nicht der Topfavorit ist, wen sehen Sie dann als aussichtsreichste Anwärter auf die Meisterschale an?
Dafür kommen natürlich, wie schon seit Jahren, die „üblichen Verdächtigen“ in Frage. Also das Viergestirn Kiel, Flensburg, Füchse Berlin und wir. Daran hat sich nichts geändert. Wobei Kiel, mit Neuzugang Andreas Wolf auf der Torhüterposition, sicher besser abschneiden möchte als letztes Jahr (Platz vier, ohne Champions-League-Qualifikation, d. Red.) Auch Flensburg schätze ich stärker ein als letzte Saison. Bei den Füchsen muss man sicher abwarten, wie sie die Doppelbelastung mit der Champions League bestehen. Nicht aus dem Auge verlieren darf man ebenso Mannschaften wie Gummersbach und Melsungen.
Was diesmal auffällt: Erstmals seit Bestehen der gesamtdeutschen Bundesliga gehen mit Magdeburg, Leipzig, Eisenach und Potsdam vier Vereine aus dem Osten an den Start. Würde man, rein regional gesehen, die Füchse Berlin hinzuzählen, wären es sogar fünf. Also fast ein Drittel der Liga.
Ja, das ist eine durch und durch erfreuliche Entwicklung. Sie zeigt, wie fest der Handball im Ostteil der Republik verankert ist. Hinzu kommt ein weiterer erfreulicher Faktor: Damit wächst die Anzahl der Derbys. Und nicht zu vergessen, Reisewege und Reisekosten minimieren sich. Und nicht zuletzt: Die Kollegen in Leipzig und Eisenach machen einen guten Job, was auch für die Kombination Berlin/Potsdam gilt.
In der vergangenen Saison war es wegen der großen Nachfrage sehr schwer, überhaupt an Karten für Spiele des SCM heranzukommen. Wie sieht es in der kommenden Spielzeit damit aus, zumal sich ja an der Hallenkapazität von 6.600 Plätzen nichts ändert?
Für uns ist die hohe Nachfrage erst einmal natürlich ein erfreuliches Zeichen. Derzeit haben wir beispielsweise bei Dauerkarten für die Bundesliga eine Warteliste von etwa 1.000 Kartenwünschen. Und es gibt ja praktisch keinen, der sein Ticket zurückgibt. Dennoch versuchen wir, pro Spieltag etwa 1.500 bis 1.800 Karten in den freien Verkauf zu geben. Denn eine sozusagen geschlossene Gesellschaft wollen wir in der Halle nicht haben. Anders sieht das Bild bei den größtenteils sehr attraktiven Begegnungen in der neuen Champions-League-Saison aus. Da werden noch Dauerkarten verfügbar sein. Ähnlich wie bei den Tickets sieht es übrigens bei unseren Wirtschaftspartnern aus. Auch da sind wir weitergewachsen. 650 Unternehmen zählen derzeit zu unseren Partnern. Da die Qualität in der Zusammenarbeit erhalten bleiben soll, stoßen wir auch da an die Grenzen unserer Kapazitäten.
Nun wird derzeit darüber gesprochen, ob in die in die Jahre gekommene Getec-Arena wegen unübersehbarem Modernisierungsbedarf weiter Geld investiert werden soll oder ob ein Neubau nicht die bessere Alternative wäre. Wie sehen Sie als einer der Hauptnutzer die Situation?
Ein Ausbau der Arena an ihrem jetzigen Standort sehe ich auf Sicht nicht. Meines Erachtens kann es realistischerweise also nur darum gehen, aus den jetzigen Gegebenheiten das Beste zu machen. Alles andere, zum Beispiel ein Umbau, würde bedeuten, das sage ich ganz klar, dass sich der Handball für mindestens ein bis zwei Jahre aus Magdeburg verabschiedet und wir in Braunschweig oder anderswo spielen müssten. Was dies für alle Betroffenen – Zuschauer, Mannschaft, Stadt – bedeuten würde, mag und will sich wohl keiner vorstellen. Wir als SCM gehen jedenfalls davon aus, auf Sicht weiter in der Getec-Arena zu spielen. Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: Sollte die positive Entwicklung in der Stadt durch die erwarteten Ansiedlungen weiter anhalten, wäre es ja nicht ausgeschlossen, dass in vier, sechs oder acht Jahren sich ein Investor findet, der eine neue Multifunktions-Arena in Magdeburg errichtet.
Lassen Sie uns noch einmal kurz zum Team zurückkommen. Es umfasst derzeit einen Kader von 18 Spielern. Zwingt die eingangs erwähnte hohe Zahl an Verletzungen eventuell sogar dazu, noch einmal auf dem Transfermarkt nachzulegen?
Ich will das gar nicht ausschließen. Wir müssen abschließend beurteilen, welche Spieler uns wie lange verletzungsbedingt fehlen werden. Höchste Maxime ist und bleibt: Die sportliche Leistungsfähigkeit muss auf jeden Fall erhalten bleiben. Finanziell sind wir solide aufgestellt. Die wichtigere Frage dabei ist jedoch neben dem Geld: Bekommen wir jetzt die notwendige Qualität, die uns weiterhilft.
Apropos Personalien. Im Umfeld wurde in den Tagen von Olympia oft bedauert, dass der SCM Senkrechtstarter Renars Uscins einst ziehen ließ. Können Sie dies verstehen?
Ich sage ganz klar: Es war genau der richtige Weg. Ohne den Wechsel zunächst zum Bergischen HC und dann nach Hannover wäre Renars nicht da wo er jetzt ist. Für seine Entwicklung benötigt er auch umfangreiche Spielzeit. Er hatte als Youngster mit Omar Ingi Magnusson einen der besten Halbrechten der Welt vor sich, da wären seine Einsatzzeiten in Magdeburg sehr begrenzt gewesen. Ohne unsere Teamziele zu vernachlässigen und acht Titel in drei Jahren zeigen, dass auch wir hier richtig entschieden haben.
Mit dem deutschen Supercup Ende August gegen die Füchse Berlin steht für das Team der erste wichtige Wettbewerb schon unmittelbar bevor.
(lacht) So komisch es klingen mag, für Bennet Wiegert (Geschäftsführer Sport und Cheftrainer, d. Red.) und mich wäre es der einzige nationale und internationale Titel, den wir noch nicht gewonnen haben. Mit einem Sieg in einem solchen Wettbewerb startet man außerdem mit einem viel besseren Gefühl in die neue Spielzeit.
Dann folgt auch bald der Super Globe, die Vereinsweltmeisterschaft. Diesmal aber nicht in Saudi-Arabien, sondern in Ägypten. Überrascht Sie das?
Gehört hat man seit längerem davon. Die Saudis haben sich offenbar aus dem Handball verabschiedet. Für uns ändert das nicht viel. Zumal die Reisebelastung nicht größer geworden ist. Es hätte auch passieren können, der Super Globe findet künftig in Japan oder Südamerika statt …
Und die finanziell geringere Dotierung – 350.000 Dollar statt bisher 400.000 für den Gewinner – lässt sich für den Titelverteidiger verschmerzen?
Uns zwingt ja niemand zur Teilnahme. Wir jammern auch nicht über die zusätzlichen Belastungen. Natürlich reizen weiterhin auch die Prämien, sofern man das Finale erreicht. Aber wir fahren nach Kairo, um als erster deutscher Klub vier Mal in Folge Vereinsweltmeister zu werden.
Nr. 262 vom 20. August 2024, Seite 63
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