So ist nun mal das Business
Die Handball-Bundesliga startete in eine neue Saison. Ein Problem bleibt das alte: Die Überbelastung der Spieler.
Von Rudi Bartlitz
Völlig losgelöst von der Erde … Ob der schier unkaputtbare Gassenhauer über einen gewissen Major Tom, der im Sommer bei der Fußball-Europameisterschaft in den Stadien zum unverzichtbaren Ohrwurm wurde, nun die Handball-Hallen im Sturm erobert, muss sich erst noch zeigen. Was bereits feststeht, ist allerdings dies: Völlig schwerelos wird die neue Saison, die am Wochenende startete, ganz sicher nicht. Für keinen der Beteiligten. Im Gegenteil. Insbesondere nicht für diejenigen, die mit den olympischen Nachwehen am meisten zu kämpfen haben. Stichworte: Überbelastung, Verletzungen.
Einer, der darunter am meisten zu leiden hat, ist Meister SC Magdeburg. Allein neun Spieler, so viel wie nie zuvor in der Historie, stellten die Grün-Roten für die Ringe-Spiele ab. Beim Heimauftakt gegen die HSG Wetzlar war trotz des am Ende deutlichen Ausgangs (35:28) denn auch unübersehbar, wo es noch knirschte. Insbesondere das Fehlen von Felix Claar, nach den Worten von Handball-Legende Stefan Kretzschmar „der derzeit beste Mittelmann auf dem Planeten“, ist unübersehbar. Über den Grad der offenbar schweren Verletzung des Schweden liegt nach wie vor ein Schleier der Ungewissheit.
Dennoch, Trainer Bennet Wiegert klagt nicht. Er stellt vielmehr ernüchternd fest: „So ist nun einmal das Business”. Die Belastungsfrage werde eigentlich nach jedem Großereignis gestellt. Aber ändere sich etwas? Die klare Antwort des 42-Jährigen: „Ich habe nicht das Gefühl“. In einigen Wochen werde auch „keiner mehr fragen, ob Olympia etwas mit uns gemacht hat, sondern, ob der SC Magdeburg gewinnt oder verliert. Da bin ich nicht naiv.“
Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann plädiert dennoch auf besondere Rücksichtnahme der Bundesligisten: „Gerade in dieser olympischen Saison haben die Spieler, die in Paris und Lille dabei waren, wenig Regenerationszeit. Aus Sicht der Profiligen und vermutlich auch der Spieler müsste die im Januar stattfindende WM nach den Olympischen Spielen eigentlich entfallen“, sagte er der „Handballwoche“. Auf die Idee, den keine drei Wochen nach Olympia-Ende angesetzten eigenen Supercup einmal zu opfern, kommt hingegen offensichtlich niemand. Dabei wäre es so einfach gewesen: Mit dem SCM standen Meister und Pokalsieger in einer Person, respektive Mannschaft, ohnehin fest.
Im Gegenteil, der HBL-Boss sieht „insbesondere in den kommenden Wochen eine große Verantwortung auf die Trainer” zukommen. Hier wird, so der Eindruck, Verantwortung einfach weitergereicht. Das weiß auch Kretzschmar: „Das ist sicher ein besonderes Jahr und wir werden noch viel mehr auf Regeneration achten müssen“, so der Füchse-Sportvorstand.
Wobei, beim Supercup, als die Berliner nach einer Serie von Niederlagen wieder einmal gegen den SCM gewannen, hatten sie mit drei Olympiafahrern sechs weniger als die Elbstädter auf der Platte. Deutlicher wird Hannover-Coach Prokop, der zu den wenigen Tagen Pause zwischen Paris und Saisonvorbereitung in der „FAZ“ konstatierte: „Das grenzt schon an fahrlässige Körperverletzung. Das wissen alle Beteiligten, nur es ändert sich nichts. Die Spieler sind die Leidtragenden. Wir Trainer können nur unser Bestes dafür tun, ihnen immer wieder Pausen zu geben, Trainings anzupassen und sie zu hören und abzuholen. Sei es mental oder physisch. Im Gesamtsystem der Nationalspieler ist es unverantwortlich.“
Ach ja, Handball gespielt wird auch, oder trotzdem, noch. Im Mittelpunkt steht Jahr für Jahr die reizvolle Frage, wer denn Meister werde. Die Champions League kommt da erst an zweiter Stelle. Auch Bundestrainer Alfred Gislason hat über seinen Meisterschaftsfavoriten gesprochen. Der frühere Liga-Coach tippt überraschend nicht auf einen seiner ehemaligen Klubs, SC Magdeburg und THW Kiel. Der Isländer setzt auf einen anderen Klub als Titelfavoriten: die SG Flensburg-Handewitt, die zuletzt 2019 die Schale gewonnen hatte. „Flensburg hat zunächst einmal einen sehr, sehr guten und breiten Kader”, sagte Gislason. „Der Kader ist jetzt eingespielt mit dem Trainer. Für Nicolej Krickau war es letzte Saison das erste Jahr in Deutschland, jetzt hat er ein Jahr Erfahrung in der Bundesliga.“ Außerdem sei Kay Smits nach langer Krankheit gesund und fit zurück. „Zudem hat Flensburg von allen Spitzenmannschaften die wenigsten Verletzungs-Probleme nach den Olympischen Spielen”, sagte Gislason. Die vergangene Saison hatte Flensburg noch als Dritter abgeschlossen und damit die Qualifikation für die Champions League verpasst.
Nach einem angesichts der Kaderstärke enttäuschenden Jahr steht für die Spielgemeinschaft aus dem hohen Norden Wiedergutmachung an. Die schon im Sommer 2023 mit solchen Zugängen wie Smits oder Simon Pytlik stark aufgemotzte Mannschaft dürfte nach der Verpflichtung des dänischen Olympiasiegers Niclas Kirkelökke noch einmal an Wurfgewalt aus dem Rückraum gewonnen haben. „Die Mannschaft ist ein Hammer, ohne Schwachstelle“, meint Kretzschmar. Auch Wiegert sagt zu den Meisterschaftskandidaten: „Es sind die üblichen Verdächtigen. Mit Flensburg ist stark zu rechnen.“
Favorit auf die Meisterschaft ist für viele Experten aber nach wie vor der SC Magdeburg. „Aufgrund der Breite des Kaders und der Finanzkraft des Klubs“, sagte Hannover-Coach Christian Prokop. „Aber auch aufgrund der druckvollen Fangemeinde haben sie einige Pluspunkte auf ihrer Seite.“ Flensburg werde sicher eingespielter sein. „Die Spitze wird bis Weihnachten eng zusammenbleiben, vier Teams plus eine Überraschungsmannschaft, dann wird sich die Kaderqualität durchsetzen – da sehe ich den SCM ein Stück vorn.“
Und die Kieler? Der spektakulärste Coup auf dem Transfermarkt ist dem Rekordmeister gelungen. Für rund 300.000 Euro Ablöse kehrte der vor fünf Jahren nach Kielce abgewanderte Weltklassetorhüter Andreas Wolff zum THW zurück. Eine für Handball-Verhältnisse ungewöhnlich hohe Summe, die aber nötig geworden war, weil die beiden Keeper Tomas Mrkva und Samir Bellahcene in der abgelaufenen Saison nie einen Rückhalt darstellten. Doch ob der deutsche Silbermedaillengewinner von Paris allein hilft, um gemäß dem Kieler Selbstverständnis wieder ganz oben angreifen zu können, bleibt fraglich. Zwar agierte Wolff beim Auftakt im Auswärtsspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen stark, hielt 33,3 Prozent der auf sein Tor abgefeuerten Bälle – verlor aber letztlich mit seinem Team 27:32. Die Meisterschaft hatte ihre erste faustdicke Überraschung. Es wird, so ist zu vermuten, nicht die letzte bleiben.
Nr. 263 vom 10. September 2024, Seite 39
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