Kicken zum Nulltarif

Beim 1. FC Magdeburg wird seit dem Sommer erstmals auch Frauenfußball gespielt. Im Kompakt-Interview spricht Abteilungsleiterin Kati Krohn über Strukturen, Werte und Ziele.


Fragen: Rudi Bartlitz

Im dicken Geschichtsbuch des 1. FC Magdeburg ist seit diesem Sommer eine völlig neue Seite aufgeschlagen worden: Nach der Integration des Magdeburger Frauenfußball-Clubs (MFFC) spielt erstmals auch das weibliche Geschlecht für die blau-weißen Farben. Über Ziele und Perspektiven sprach die Kompakt-Zeitung mit Kati Krohn (42), die seit August bei den ballkickenden Frauen und Mädchen das Sagen hat.

 

Kompakt: Zunächst einmal: Wie wird man denn Abteilungsleiterin Frauenfußball bei einem bis dato reinem Männerverein? Durch Fürsprache, Kontakte oder Beziehungen? Durch das berühmte Netzwerken?
Kati Krohn: In diesem Fall tatsächlich nicht – ich habe mich in einem ganz normalen Ausschreibungsverfahren beworben und freue mich, dass ich die Zusage bekommen habe.

 

Ihr Hintergrund, als langjährige ehemalige Zweitliga-Fußballerin, die als Diplom-Betriebswirtin und Sportwissenschaftlerin ebenso über Erfahrungen in der Verbandsarbeit verfügt, dürfte dabei sicher nicht geschadet haben.
Wahrscheinlich nicht. Ich konnte während meiner eigenen Fußballkarriere und dann auch beruflich, unter anderem in den fünf Jahren bei Sky in München, sicher wertvolle Erfahrungen sammeln. Außerdem habe ich quasi von klein auf einen Bezug zum FCM und freue mich, jetzt wieder näher an meiner Heimat zu sein.

 

Heimat, das heißt?
Altmark. Ich bin zwar in Mecklenburg-Vorpommern in Lübz geboren, meine Eltern und Großeltern kommen jedoch aus Stendal und leben zum Teil immer noch da. Daher ist mir der FCM seit Kindheitstagen ein Begriff. Mein Vater besitzt noch Alben mit alten Zeitungsartikeln, die ihn in den sechziger und siebziger Jahren als Jugendspieler von Lok Stendal in Duellen mit dem FCM zeigen. Und mein Opa hätte es fast noch lieber gesehen, ich hätte jetzt bei Lok begonnen … (lacht)

 

Zurück zum Hier und Heute. Der Verein erhofft sich von Ihnen, wie es heißt, „Strukturen für eine optimale Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs im Verein nachhaltig aufzubauen“. Wo beginnt man da?
Das ist eine ebenso spannende wie vielfältige Tätigkeit. Das beginnt erstmal damit, dass wir uns als Abteilung in den Verein integrieren und die Werte, Strukturen und Prozesse kennenlernen. Im nächsten Schritt geht es dann darum, in enger Zusammenarbeit mit meinem Trainerteam, dem Nachwuchsleistungszentrum und dem gesamten Verein Stück für Stück ein Konzept für den Frauenfußball im FCM zu erarbeiten und die Frage zu beantworten, wofür der Magdeburger Frauenfußball steht.

 

Und wie könnte eine Antwort lauten?
Wir wollen alles Schritt für Schritt entwickeln. Aber so viel kann ich schon sagen: Wir orientieren uns natürlich an dem Gesamtkonzept des Profibereichs und des NLZ. Hierzu gehören neben dem Sportlichen auch die enge Verbundenheit mit den Menschen, der Stadt und der Region. Es geht für uns auch darum, eine gute Mischung aus Breitensport und dem Leistungsbereich zu finden.

Stichwort Leistungsbereich: Wie sieht es mit sportlichen Zielen aus? Durch die Integration des MFFC beginnt das neue Team ja nicht ganz unten bei null, sondern übernimmt sozusagen dessen „Erbe“ und startet in der 3. Liga, der Regionalliga der Frauen.


Unser Anspruch ist es natürlich, erfolgreich zu spielen. Das geben die Region, der Enthusiasmus und die Qualität der Spielerinnen auch her. Und dazu müssen wir weiterhin die Strukturen aufbauen, die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Hier ist es mir wichtiger, dass wir nachhaltig erfolgreich sind und nicht nur kurzfristig. Vereinsseitig haben wir da tolle Unterstützung.

 

Aber unter Regionalliga sollte es nicht sein, oder? Zumal der MFFC ja schon einmal zwischen 2009 und 2016 in der zweiten Liga mitgemacht hat.
Der MFFC hat sich über Jahre erfolgreich in der Regionalliga und der Zweiten Liga etabliert. Das möchten wir jetzt natürlich auch in blau-weiß fortführen.

 

Auf welches Potenzial können Sie sich dabei stützen?
In der Abteilung Fußball sind insgesamt mehr als 150 Frauen und Mädchen. Wir haben derzeit sieben Teams im Spielbetrieb: drei Frauenmannschaften, eine U17, zwei U14 und eine U12. Die Spielerinnen sind vor allem Schülerinnen, Azubis und Studentinnen. Einige stehen bereits im Berufsleben. Grundsätzlich sind wir aber eine sehr junge Abteilung – die Erste Frauenmannschaft z. B. hat ein Durchschnittsalter von 21 Jahren.

 

Wir gehen einmal davon aus, dass alle einen absoluten Amateurstatus für sich reklamieren können.
Das ist richtig. Umso bemerkenswerter ist es, dass z. B. die Erste Frauenmannschaft und die U17 viermal pro Woche intensiv trainieren – eben nach dem eigentlichen Alltag aus Schule, Studium und Berufsleben.

 

Aber das muss ja nicht bis in alle Ewigkeit so bleiben. Zumindest wenn man einer jüngsten internationalen Studie glaubt, die dem Frauenfußball eine lichte Zukunft voraussagt. Da ist die Rede von einer Verdreifachung (!) der Zahl der Fans bis 2031. Dem Profi-Frauenfußball sagt die Erhebung sogar eine Verdreifachung des Sponsoringwerts voraus.
Unser Fußball hat sich schon in den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren stark entwickelt. Das betrifft alle Bereiche: Athletik, Technik, Taktik, aber auch die Strukturen ringsherum. Ich habe in meiner aktiven Zeit in der Zweiten Liga zum Beispiel teilweise auf einem Schotterplatz trainiert, der bei Heimspielen der Männer als Parkplatz genutzt wurde. Da ist es sehr erfreulich zu sehen, welche Möglichkeiten es heute schon gibt. Die Entwicklung ist sicher noch nicht am Ende.

 

Trotzdem, immer wieder stößt man auf Argumente, mit den Männern könnten die Frauen, bei allen Fortschritten, am Ende eben doch nicht mithalten. Das deutsche Frauen-WM-Team 2019 hat selbstironisch zu Klischees über seinen Sport gesagt, Frauenfußball sei wie Amateurfußball – nur in Zeitlupe. Können Sie einem Vergleich zwischen Männer- und Frauenfußball generell überhaupt etwas abgewinnen?
Nein, gar nichts. Und ich kenne auch gar keine andere Sportart, in der dieser Vergleich so hartnäckig immer wieder gezogen wird. Aus meiner Sicht ist das nicht sinnvoll. Dafür sind allein die körperlichen Voraussetzungen zu unterschiedlich. Aber man muss sich auch mal überlegen, dass Frauenfußball bis 1970 in Deutschland verboten war. Da waren die Männer schon Weltmeister, hatten ein etabliertes Ligasystem und eine erfolgreiche Heim-WM vor Augen. Da sollten wir die gesamte Entwicklung und Erwartungshaltung im Frauenfußball schon ein bisschen in Relation setzen.

Nr. 263 vom 10. September 2024, Seite 41

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