Die Abschaffung des schlechten Cannabis-Gesetzes erzeugt am Ende nur Verlierer
Cannabis ist nichts Gutes: Fachleute warnen Konsumenten vor Einschränkung der Denkfähigkeiten, Gedächtnisproblemen, einer Wechselwirkung mit psychischen Krankheiten und anderen negativen Folgen für die Gesundheit und das Sozialleben. Es ist also eindeutig besser, die Finger gänzlich davon zu lassen. Verharmlosung als „Bubatz“, wie sie teilweise sogar in Regierungskreise stattfindet, ist also ein gefährlicher Irrweg.
Oppositionsführer Friedrich Merz hält dagegen: Er kündigt an, die Legalisierung der Droge unmittelbar zurückzudrehen, sobald die Union in Regierungsverantwortung zurückkehrt. Ist diese geplante Rückkehr zum Status Quo der letzten Jahrzehnte aber die politisch weiseste Idee?
Die erste Frage wäre, wo eigentlich der Unterschied zum Alkohol liegt. Regelmäßiger Alkoholkonsum führt zu Abhängigkeit und birgt das Risiko schwerer gesundheitlicher Schäden. Das Gesundheitsministerium gibt an, dass es in der Bundesrepublik Millionen Menschen mit einem problematischen Konsumverhalten und jährlich zehntausende alkoholbedingte Todesfälle gibt. Alkohol hat auch massive gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgeschäden. Arbeitsunfälle, Verkehrsunfälle, Gewalt stehen häufig mit Alkoholkonsum in Verbindung. Gerade hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ihre Empfehlungen dahingehend geändert, dass auf Alkohol vollständig zu verzichten sei. Es handle sich um „eine psychoaktive Droge“. Die gesetzliche Ungleichbehandlung dieser Rauschmittel fußt offenkundig offensichtlich nicht auf ihrer unterschiedlichen Gefährlichkeit. Wichtigstes Argument, weshalb das eine verboten sein sollte, das andere aber nicht, ist die kulturelle Tradition.
Unstrittig ist, dass hierzulande schon viele hundert Jahre Alkoholerzeugnisse aller Art genossen werden, wohingegen Cannabis in breiten Bevölkerungskreisen erst seit einigen Jahrzehnten Zuspruch findet. Aber was besagt das? Es gibt beispielsweise andere kulturelle Traditionen, deren Fortbestehen, Wiederaufleben oder (Re-)Import auch oder sogar gerade Konservativen ein Dorn im Auge ist. Nun ist Gesellschaftspolitik nichts, was sich mit mathematischer Präzision und Logik durch Analogien gestalten ließe. Vielmehr hängt alles davon ab, was sich in der jeweiligen Gegenwart im Spannungsfeld aus Rechtsstaatlichkeit, Normen und Werten der Mehrheit und dem Zeitgeist ergibt. Eine willkürliche Unterscheidung in erwünschte und unerwünschte Rauschmittel ist deshalb ebenso wenig eine gute Idee. „Gute“ Drogen gibt es ohnehin nicht, sondern nur unterschiedlich gefährliche, was vor allem Gradmesser für deren Legalität sein sollte. Ist Cannabis für unsere Gesellschaft gefährlicher als Alkohol?
Ein weiterer Punkt, den Friedrich Merz macht, ist, dass das Ampelgesetz dem niederländischen Irrweg nachfolge. Legaler Konsum, aber keine legale kommerzielle Erzeugung. Stattdessen undurchsichtige Anbauclubs und kaum durchsetzbare Regeln für Hobbyanbau in der Privatwohnung. Merz warnt: „Die Freigabe von Cannabis löst in diesen Tagen geradezu eine Explosion der Rauschgiftkriminalität und der organisierten Kriminalität mit Bandenkriegen aus, die wir uns brutaler kaum vorstellen können.“ Hier hat der CDU-Vorsitzende vollkommen recht. Wer einen großen Markt öffnet, ohne seriösen Lieferanten die Möglichkeit zum Einstieg zu geben, subventioniert und fördert das organisierte Verbrechen. Auch sicherheitspolitische Fachleute sagen, die niederländische „Mocro-Mafia“ sei längst hier und gehe mit äußerster Brutalität vor. An dieser Stelle ist der Unterschied zum Alkohol augenfällig: Schwarzbrennerei und Schmuggel sind hier keine drängenden Probleme.
Ist es deshalb angezeigt, wie vom CDU-Vorsitzenden angedacht, zum vorherigen Zustand zurückzukehren? Viele Jahrzehnte des Verbots haben nicht verhindert, dass es in Deutschland Millionen Konsumenten gibt. Auch Prohibition fördert das organisierte Verbrechen. So wird Cannabis erst recht zur Einstiegsdroge, denn auf den illegalen Kanälen, durch welche die riesige Nachfrage gedeckt wird, fließt ebenso gut jedes andere Rauschgift. Die langjährige Verfolgung von Konsumenten und Kleindealern hat gewaltige Ressourcen bei den Strafverfolgungsbehörden gebunden. Es ist auch ein rechtsstaatliches Problem, wenn ein Staat Gesetze macht, die millionenfach augenzwinkernd unterlaufen werden. Das untergräbt die Autorität des Gesetzes im Allgemeinen. Genauso delegitimierend wäre es aber, diese Gesetze künftig im Stile Drakons durchzusetzen, weil dies weite Teile der Bevölkerung als unverhältnismäßig empfinden würden.
Es gibt eine leicht abgegriffene Wendung, welche von reformerisch gestimmten Konservativen gern bemüht wird. Zeitgemäßes Bewahren bedeute, nicht die Asche, sondern die Glut des Überkommenen weiterzugeben. Hier könnte sich ein Leitfaden finden, die bei Konservativen verhasste Cannabislegalisierung zu revidieren, ohne zur eigenen Karikatur des unbeweglichen und uneinsichtigen Dogmatikers zu werden. Eine kommentarlose Rückkehr zum alten Status Quo ist undenkbar, da dieser ordnungspolitisch schon seit vielen Jahren höchst unbefriedigend war. Jetzt, wo der Geist aus der Flasche ist, wäre diesem Unterfangen sicherlich so viel Erfolg beschieden wie den berüchtigten Kaffeeriechern Friedrichs des Großen, welche schnuppernderweise den Konsum von Bohnenkaffee unterbinden sollten.
Ganz im Geist eines modernen Konservatismus handeln, hieße dagegen, das Gesetz zu entbürokratisieren, marktwirtschaftlich zu ertüchtigen und ordnungspolitisch aufzurüsten. Skurrile Regelungen sollten vereinfacht werden. Die Polizei darf sich nicht bei Katz-und-Maus-Spielen zum Gespött machen, weil auf der einen Straßenseite konsumiert werden darf, auf der anderen nicht. Die personell und materiell angespannten Sicherheitsbehörden mit der Durchsetzung kafkaesker Regeln zu betrauen, bringt nichts. Zugelassene seriöse marktwirtschaftliche Produzenten würden für ein kontrolliertes, reguliertes und berechenbareres Produkt sorgen (welches allerdings gleichwohl gefährlich bliebe). Mit den da-raus erzielbaren Steuereinnahmen wäre es möglich, Aufklärung, Prävention und Jugendschutz zu betreiben.
Entschlackte Regeln ließen sich eisern durchsetzen, weil sie lebenspraktisch sind. Freiwerdende staatliche Ressourcen ließen sich für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität verwenden. Friedrich Merz liegt mit seiner Kritik zwar richtig, zieht aber die falschen Schlüsse. Marktwirtschaftliche Konkurrenz und rechtsstaatliche Eindeutigkeit würden mafiösen Strukturen wesentlich mehr schaden als ein erneutes Aufleben der gescheiterten Ansätze der letzten Dekaden, nämlich die halbherzige Kriminalisierung des Konsums mit allerlei Hintertürchen. So schlecht das Cannabisgesetz auch gemacht ist, eine paläokonservative Abschaffung anstatt seiner Verbesserung würde am Ende nur Verlierer kennen: Deren politische Verfechter selbst, die als betonköpfige Spiegelfechter erscheinen müssen. Konsumenten, die bar jeder behördlichen Kontrolle zu irgendetwas greifen. Sicherheitsbehörden und Bürger, die mit der Kriminalität im Gefolge des illegalen Drogenhandels zu kämpfen haben.
Prof. Dr. Markus Karp
Nr. 264 vom 24. September 2024, Seite 9
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