Wann schwimmen sie denn?

Im deutschen Hochleistungssport wird derzeit über ein nationales Schwimm-Zentrum in Magdeburg diskutiert. Noch fehlt das grüne Licht für das 50-Millionen-Euro-Projekt.

 

Von Rudi Bartlitz

Er geistert seit Monaten durch die Öffentlichkeit: Der Plan für ein deutsches Schwimm-Leistungszentrum in Sachsen-Anhalts Metropole. Kein Zweifel: Für die Sportstadt Magdeburg wäre dies ein weiteres unübersehbares Markenzeichen. Der Olympiasieg von Lukas Märtens in Paris und das insgesamt blendende Abschneiden der Athleten-Gruppe um Bundestrainer Bernd Berkhahn hat die Diskussion nun neu entfacht. Zuletzt meldete sich sogar Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zu Wort. Die Kompakt-Zeitung versucht, den aktuellen Stand der Vorbereitungen zu umreißen.

 

Bleiben wir zunächst bei einigen Eckzahlen, die den Planungen bisher zugrunde liegen. Fertiggestellt werden soll das Projekt 2028. An diesem Ziel wurde, bisher, offenbar noch nicht gerüttelt. Die Investitionskosten werden – jetzt kommt der berüchtigte Einschub: mit Stand heute – auf gut 50 Millionen Euro geschätzt. 90 Prozent davon soll der Bund übernehmen. Den „Rest“ müssten sich dann Land und Stadt nach einem bestimmten Schlüssel teilen. Bis Ende September sollte ein zwischen Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) und Schwimmverband abgestimmtes Konzept für den Bau erarbeitet werden. Danach, so heißt es, erfolge die Beurteilung durch das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium.


Hintergrund für die Idee des neuen Leistungszentrums sind die begrenzten Trainingsmöglichkeiten der Spitzenathleten in Magdeburg. Olympiasieger wie Florian Wellbrock und Märtens, aber auch die anderen SCM-Top-Athleten, müssen sich die Elbe-Schwimmhalle tagtäglich mit Schulschwimmern und normalen Badegästen teilen. Wellbrock meinte einmal, er höre angesichts des Lärms in der Halle oft nicht einmal die Anweisungen seines Trainers am Beckenrand. Über derartige Bedingungen können die Stars aus den USA, Australien oder Großbritannien nur milde lächeln. Märtens hat deshalb nach seiner Rückkehr aus Paris noch einmal ein Plädoyer für eine neue Halle gehalten. Der Goldmedaillengewinner über 400 Meter Freistil sagte dem MDR, die Leistungsschwimmer bräuchten „ein bisschen mehr Platz”. Gut wäre „eine Halle nur für uns”.


Bisher trainieren die Magdeburger Asse in der 1962 fertiggestellten Elbe-Schwimmhalle. Mit ihrer 50-Meter-Bahn war sie dreimal Austragungsort der DDR-Meisterschafen.  Nach einer vorübergehenden Schließung 1997 wurde das Bad zwischen 2001 und 2003 komplett saniert und behindertengerecht ausgestattet. Das Hauptbecken ist 50×20 Meter groß und vom Weltverband World Aquatics geprüft, das heißt, es ist für Weltrekorde anerkannt. Die Tribüne bietet etwa 750 Zuschauern Platz.


Es grenzt mittlerweile schon an ein kleines Wunder, wie unter den derzeitigen Bedingungen absolute Weltspitzenleistungen entstehen. Haseloff erklärte bei der Rückkehr der Paris-Fahrer, er sei sich bewusst, dass eine zeitgemäße Infrastruktur für die Sportler notwendig sei. Die Landesregierung wolle auch in Zukunft Erfolge der heimischen Schwimmerinnen und Schwimmer ermöglichen. Von Seiten des Landes seien „die Weichen dafür gestellt“. Bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz wolle er mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich über das Thema sprechen. Innen- und Sportministerin Tamara Zieschang hatte zuvor gesagt: „Die Zukunft des Schwimmsports für Deutschland liegt in Magdeburg.“


Dabei schwingt möglicherweise auch ein Gedanke mit, der seit längerem im deutschen Sport generell diskutiert wird: die Konzentration der Kräfte an einem oder wenigen Stützpunkten im Land. Gerade hier erweist sich die föderale Grundstruktur der Republik oft als hinderlich. Nationale Olympische Leistungszentren wie sie beispielsweise die Niederlande in Papendal besitzen, sind hierzulande derzeit völlig undenkbar. Rund 550 Spitzensportler diverser Sportarten nutzen die Einrichtungen von Papendal, 400 davon täglich.


Gerade erst hat der Aufsichtsratschef der Deutschen Sporthilfe, Christian Seifert, in einem „FAZ“-Interview festgestellt, der Föderalismus im deutschen Sport sei problematisch. „Weil es offenkundig sehr schwerfällt, die Besten bestimmter Sportarten an einem Standort zu konzentrieren, so wie es in England und Frankreich intensiver geschieht.“ Es müsse die Frage gestellt werden, ob es ein ausreichendes Bekenntnis in Deutschland zu echter Elite und zur Konzentration von Mitteln dort gebe, wo es nötig sei. „Gibt es das? Nein“, betonte Seifert. Mit einem Schwimm-Zentrum in Magdeburg würde, wenn auch zunächst nur für eine Sportart, auf jeden Fall ein erster Schritt in diese Richtung gegangen. Was keineswegs heißen soll, dass künftig alle für die Gruppe Berkhahn starten würden. Aber es ist zumindest vorgesehen, im geplanten Objekt für alle deutschen Elite-Schwimmer einen zentralen Anlaufpunkt zu schaffen, hier auch Trainingslager und Lehrgänge durchzuführen.


Und noch etwas würde ein Neubau auf jeden Fall bewirken: Der Magdeburger Sportcampus im Osten der Stadt nahe der Elbe – Fußballstadion, Handball-Arena, Leichtathletik-Halle, Bob-Anschubstrecke, Sportgymnasium und Sportsekundarschule,  medizinische Einrichtungen und Olympiastützpunkt trennen nur wenige hundert Meter – würde weiter wachsen, um eine Attraktion reicher werden. Selbst wenn derzeit in der Stadt noch diskutiert wird, wo genau das Schwimm-Zentrum einmal seinen Platz bekommen könnte. Zur Wahl stehen ein Standort am Gübser Weg hinter der Avnet-Fußball-Arena oder eine Brachfläche südlich der Getec-Arena. Favorisiert wurde, so war zu hören, zuletzt Variante zwei. Wenn sie eines Tages noch durch ein (bestimmt gut frequentiertes) Sporthotel ergänzt werden könnte, wäre Magdeburgs Sport-Glück nahezu grenzenlos zu nennen …

 

KOMPAKT


Fünf Medaillen brachte die in Magdeburg trainierende internationale Schwimmer-Gruppe aus Paris mit. Neben Gold und Bronze der beiden SCM-Athleten Lukas Märtens und Isabell Gose kommen noch Plaketten über 10-Kilometer-Freiwasser von Sharon van Rouvendal (Gold/Niederlande), Moesha Johnson (Silber/Australien) und Oliver Klemet (Silber/SG Frankfurt) hinzu. Olympiatrainer Bernd Berkhahn: „Wenn man sich die Ergebnisse von einigen Verbänden anschaut, dann produzieren wir hier in dieser Halle mehr Medaillen als andere deutsche Verbände.“ Die 16 Starterinnen und Starter aus Sachsen-Anhalt bei Olympia machten im 429-köpfigen Team D einen Anteil von 3,7 Prozent aus. Im Verhältnis der Einwohnerzahl zur gesamten Bundesrepublik (2,6 Prozent) war Sachsen-Anhalt in Paris personell überdurchschnittlich vertreten. Zu den 33 Medaillen im Nationenspiegel steuerte es viermal Edelmetall bei. Damit war das Bundesland an mehr als zwölf Prozent aller deutschen Plaketten beteiligt.

Nr. 265 vom 09. Oktober 2024, Seite 29

Veranstaltungen im mach|werk

Edit Template

Über uns

KOMPAKT MEDIA als Printmedium mit über 30.000 Exemplaren sowie Magazinen, Büchern, Kalendern, Online-Seiten und Social Media. Monatlich erreichen wir mit unseren verbreiteten Inhalten in den zweimal pro Monat erscheinenden Zeitungen sowie mit der Reichweite unserer Internet-Kanäle mehr als 420.000 Nutzer.