Römers Reich: Neue Arbeitsbeschaffung

Manche kennen sicher noch den Begriff Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, kurz ABM genannt. Vor allem nach der Deutschen Einheit haben die schnell steigenden Arbeitslosenzahlen im Osten des Landes die ABM zeitweise zu einem Massenphänomen gemacht. Wegen hoher Arbeitslosigkeit wurden von der Arbeitsagentur Tätigkeiten auf dem sogenannten Zweiten Arbeitsmarkt bezuschusst, um Arbeitssuchenden bei der Wiedereingliederung in eine Beschäftigung zu helfen bzw. ihnen ein geringes Einkommen zu sichern. Übrigens wurden seit dem 1. April 2012 keine AMB mehr gefördert. Im Dezember 2010 waren nur noch rund 1.000 Menschen in solchen Maßnahmen beschäftigt. Außerdem habe die Arbeitsmarktforschung negative Wirkung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Form eines verzögerten Übergangs in ungeförderte Beschäftigung festgestellt.


Warum hole ich den verstaubten ABM-Hut aus der Rumpelkammer? Weil es heute ein durch die EU gefördertes und von Deutschland ratifiziertes Arbeitsbeschaffungsprogramm gibt, das Jobs fördert, die es ohne Gesetzgebung gar nicht geben würde. Während große deutsche Traditionsunternehmen Produktionsverlagerungen ins Ausland, Standortschließungen und Arbeitsplatzabbau planen, wächst eine Branche enorm: die sogenannten Managementberatungen. 2022 war ein Rekordjahr für diese Firmen. Zum Beispiel das Unternehmen „Accenture Plc“ mit Sitz im irischen Dublin. Das ist einer der weltweit größten Dienstleister im Bereich der Unternehmens- und Strategieberatung sowie Technologie und Outsourcing, mit etwa 733.000 Mitarbeitern, Stand 2023. In der BRD stieg deren Mitarbeiterzahl von 64.000 im Jahr 2013 auf inzwischen 160.000 (2022). Auch den viel kleineren deutschen Firmen geht es prächtig.  Roland Berger steigerte den Umsatz in neun Jahren von 750 Mio. Euro auf 870 Mio. Euro (2022).


Man könnte meinen, das Management in den deutschen Firmen brauche mehr Beratungsbedarf, weil man selbst zu inkompetent wäre. In der Politik findet man dies ja auch, wobei am Ende die Inkompetenz oft noch häufiger zutage tritt. Die Steigerungen haben mit Gesetzen zu tun. So gibt es z. B. das „Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz“ (TDDDG), die Vereinbarungen „Corporate Social Responsibility“ (CSR) oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Nachhaltigkeits- und Datensicherheitsvorgaben führen dazu, dass in vielen Unternehmen wenig Durchblick herrscht. Hier springen die Beratungsfirmen ein, mit Tagessätzen von bis zu 3.000 Euro pro Mitarbeiter. Die füllen dann die vorgeschriebenen Formulare aus und türmen Datenberge auf. Das ändert zwar alles wenig an Produkten und Dienstleistungen, aber dem Gesetz gegenüber ist das Gewissen erleichtert und die Beratungsfirma hat gutes Geld verdient, natürlich auf Kosten des Unternehmensgewinns. Als noch ein Sauger am Tropf der Gewinne, neben Steuern, Energie- und Personalkosten. Kein Wunder, dass Firmen wegwollen. Der Nutzen für Verbraucher ist nicht zu erkennen. Aber es wurden gut bezahlte Beraterjobs geschaffen, per Gesetzgebung. Wie einst bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

 

Axel Römer

Nr. 265 vom 09. Oktober 2024, Seite 3

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