Etwas bewegen – mit Respekt
und Vertrauen

Das Stück „Nachbarn“ feiert am 19. Oktober am Puppentheater Magdeburg Premiere und erzählt davon, wie Konflikte entstehen können und wie man sie auch wieder beilegen kann – ganz ohne Worte.

 

Tina Beddies-Heinz

„Nachbarn“ wird mit wundervollen Puppen von Barbara und Günter Weinhold inszeniert.
Foto: Moritz von Schurer

Wie durch ein Schaufenster, eingelassen in eine hölzerne Wand, blickt man auf das Geschehen im Garten der Familie Elefant. Ein Grill steht da, ein Tisch sowie Stühle und insgesamt wirkt alles etwas chaotisch. Nun ja, wie es eben aussieht im Garten einer Familie, die gern Feste feiert und das Leben genießt. Dann bewegt Leonhard Schubert die fahrbare Rahmenbühne nach rechts und es eröffnet sich der Blick in Herrn Nashorns Garten, in dem alles ganz akkurat angelegt ist. Von wilden Partys keine Spur. Und so verwundert es nicht, dass es zwischen beiden Parteien ein größeres Konfliktpotenzial gibt, welches sich in der Inszenierung „Nachbarn“ (Premiere: 19. Oktober 2024) am Puppentheater Magdeburg auf amüsante Weise entfalten wird.

Angelehnt ist das Stück für Menschen ab einem Alter von 3 Jahren an das Kinderbuch „Le voisin“ (Der Nachbar) des Luzerner Illustratoren Walid Serageldine. Leonhard Schubert (s. kleines Foto/Kerstin Groh), seit der Spielzeit 2013/14 festes Ensemblemitglied des Puppentheaters Magdeburg, führt – wie schon häufiger – Regie. „Die Seiten des Buchs sind zweigeteilt, sodass man nach jedem Umblättern auf der einen Seite den Garten des Nashorns und direkt daneben den der Elefanten sehen kann. Das auf der Bühne umzusetzen, schien uns allerdings nicht passend“, schildert der 36-Jährige Magdeburger. „Dann wäre viel zu viel los und man könnte in der Kürze der Zeit gar nicht alles erfassen. Und das spielt vor allem eine Rolle, weil wir für ganz junges Publikum inszenieren.“ So sei auch die Idee zur fahrbaren Rahmenbühne entstanden, die wechselnde Einblicke in die Gärten der Protagonisten gewährt.

„Das bedeutet jedoch auch, dass wir die Szenen nicht wie im Bilderbuch parallel darstellen können, sondern die Geschehnisse nacheinander erzählen oder etwas vorwegnehmen müssen. Was an welcher Stelle sinnvoll ist, arbeiten wir in den Proben derzeit heraus“, erzählt Leonhard Schubert, der eigentlich Schauspiel studieren wollte. Doch als junger Magdeburger, dessen Schule – das Hegelgymnasium – häufiger Berührungspunkte mit dem Puppentheater hatte, sei er an dieser Institution nicht vorbeigekommen. „2007/08 habe ich hier ein Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich Regieassistenz absolviert, gefolgt von einem Jahr als Eleve. In dieser Zeit habe ich gemerkt, welchen Reiz die Virtuosität im Umgang mit Material für mich hat – daher habe ich meine Studienfachwahl überdacht.“

 

Leonhard Schubert geht nach Berlin, studiert an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Zeitgenössische Puppenspielkunst und debütiert schon damals im Fach Regie. „In meinem letzten Studienjahr wurde ich als Gast ans Magdeburger Puppentheater geholt und ich erhielt das Angebot, nach meinem Abschluss hier arbeiten zu können.“ Der Plan des 36-Jährigen sah damals anders aus. „Nach Magdeburg wollte ich eigentlich nicht wieder zurückkehren, doch dann wurden auch Freda, Florian und Lennart übernommen. Und das war für mich der ausschlaggebende Punkt, denn wir haben gemeinsam studiert und sind als kleine Gruppe zusammengewachsen.“ Neben Linda Mattern, Jana Weichelt und Anna Wiesemeier wird auch Kommilitone Lennart Morgenstern in „Nachbarn“ zu erleben sein. Der ebenfalls erwähnte Florian Kräuter ist in dieser Inszenierung für die Bühne verantwortlich.

 

Wenn Leonhard Schubert über seine Arbeit und die Menschen am Puppentheater spricht, hallen Respekt und Dankbarkeit in seinen Sätzen nach. „Auch wenn der Weg nicht immer einfach und von einigen Auseinandersetzungen und Debatten geprägt war, bedeutet mir dieser Ort sehr viel. Es gibt kein anderes Puppentheater, das ähnliche Möglichkeiten bietet“, ist sich der gebürtige Magdeburger sicher. „Und ich liebe die Menschen, mit denen ich hier zusammenarbeiten darf – egal, ob es die Ensemblemitglieder sind, die Techniker oder das Atelier-Team. Alle in diesem Haus tragen etwas dazu bei, dass wir großartige Inszenierungen auf die Beine stellen können.“

 

Dabei liege der Fokus natürlich nicht nur auf Unterhaltung. „Wir möchten auch etwas bewegen, aufrütteln, zum Nachdenken anregen – selbst, wenn es ein Stück ist, das wir für Dreijährige inszenieren“, sagt Leonhard Schubert. „Indem wir davon erzählen, wie Konflikte unter ungleichen Nachbarn entstehen, möchten wir auch aufzeigen, wie ein gutes Miteinander mit noch so unterschiedlichen Charakteren möglich ist.“

 

Während Leonhard Schubert über den Entstehungsprozess und die Proben zu „Nachbarn“ spricht, schwingt der Spaß, den das Team bei der Arbeit hat, deutlich mit. Das sei ein großes Privileg und dazu wolle er auch seinen Teil beitragen. „In der Vergangenheit habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: Was für ein Regisseur möchte ich sein? Nicht nur aus künstlerischer Sicht, sondern auch mit Blick auf das Miteinander. Und da ich die Perspektive als Spieler kenne, weiß ich, dass es kein guter Weg ist, andere dafür verantwortlich zu machen, wenn es Probleme gibt. Stattdessen möchte ich den Beteiligten Respekt und Vertrauen entgegenbringen. Es muss ein künstlerisches Konzept umgesetzt werden, was jedoch nur dann gut funktioniert, wenn ich meinen Mitmenschen Luft unter die Flügel bringe, damit wir miteinander Lösungen finden. Und wenn es mal eine Krise gibt, muss ich das aushalten können, ohne die anderen darunter leiden zu lassen.“

 

Von Krise kann bei den Proben zu „Nachbarn“ jedoch keine Rede sein. Das Stück, das mit wundervollen Puppen von Barbara und Günter Weinhold inszeniert wird (s. Foto: Moritz von Schurer), ist bereits ausverkauft. Weitere Termine folgen im nächsten Jahr. Übrigens kommt „Nachbarn“ – wie auch das Buch von Walid Serageldine – ohne Sprache aus und tritt damit in die Fußstapfen von „Der Mann, der eine Blume sein wollte“ (im November erneut auf dem Spielplan). Auch hierbei führte Leonhard Schubert Regie. Wer den gebürtigen Magdeburger auf der Bühne erleben möchte, hat u. a. bei „Nikolaus und der dumme Nuck“, „Der Wolf, der aus dem Buch fiel“ oder bei „Sein oder Nichtsein“ Gelegenheit dazu.

Nr. 265 vom 9. Oktober 2024, Seite 14

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