Keine scharfen Sprüche mehr
Ein Nachruf von Thomas Wischnewski
Wir sehen einen Menschen, wir hören seine Worte und wenn wir Zeit füreinander haben, dann können wir eine Episode miteinander erleben. Die ganze Persönlichkeit bleibt unfassbar. Unsichtbar sind die Gedanken und Gefühle, die wegen schöner Momente entstehen oder aus Verzweiflung. Olaf Bernhardt war nach außen oft präsent und doch in vielem ein Geheimnis.
Wer weiß schon, dass er als junger Kerl Leistungssportler im Zehnkampf war, trainiert von seinem Vater Peter Bernhardt, und von seinem Sportlehrer – einem ehemaligen Amateurboxer – gab’s im Unterricht mit dem Boxhandschuh auch mal eins auf die Nase. Als Currywurst-Experte hat sich Olaf weit über die Stadtgrenzen Magdeburgs hinaus einen Namen gemacht. Doch eine Reduktion auf den prominenten Würstchenverkäufer wird ihm nicht gerecht. Olaf Bernhardt war stets Koch mit Leidenschaft, Kämpfer in allen Lebenslagen und stets ein fröhlicher Sprücheklopfer. Aber genauso war er Sohn, Vater, Freund und ein hilfsbereiter Weggefährte für Menschen, die er schätzte.
Aufgeben war seine Sache eigentlich nicht. Schon in der DDR-Ära stand er in mancher Küche am Herd, so beispielsweise im „Theater Café“, in der „Buttergasse“ oder im „Pliska“. Dann kam die Wende, und mit dem „La Casetta“ im Hopfengarten initiierte er gemeinsam mit einem Italiener Anfang der 1990er Jahre eines der ersten italienischen Restaurants der Elbestadt. Das anfangs beliebte Lokal war wirtschaftlich kein Projekt für die Ewigkeit. Aber in Olaf lebte stets ein Stehaufmännchen und ein „Ich-lass-mich-nicht-unterkriegen-Kerl“. Und so zog er eben bald in die Otto-von-Guericke-Straße 54 an den Hasselbachplatz. Die Hausnummer wurde zum Markenzeichen und der Laden zu einer der beliebtesten Imbissbuden der Stadt. Ohne die Lebenslustigkeit Olafs wäre das nicht denkbar gewesen. Ob er nun auf dem Hinterrad eines Motorrades über den Breiten Weg sauste, als Charmeur Frauenherzen eroberte – Olaf Bernhardt war nicht nur wegen seiner körperlichen Größe ein Mensch mit besonderer Präsenz.
Ob ihm in den vergangenen Jahren ein Knie oder das Sprunggelenk zu schaffen machte, wenn es um den Einsatz für sein Unternehmen ging, biss er alle Zähne zusammen und stand immer seinen Mann. Im „Curry 54“ gab es nicht nur die schärfsten Soßen zur Currywurst, sondern eben immer einen lockeren oder scharfen Spruch als Zugabe. „Queen aus Wien“, „Du Spatzenhirn willst mein Geld?“ oder „Ihr zählt euer Geld, ich schaufle schon“ – das waren stets lustig gemeinte Spitzen, die einem aus Olafs Mund um die Ohren fliegen konnten. Deshalb wurde er ab Oktober-Ausgabe 2013 einmal monatlich als Kolumnist in dieser Zeitung abgedruckt. Ich habe es ihm seinerzeit eingeredet. Und wie es Olafs Art war, kam prompt der Satz: „Dann machen wir das mal…“ Seither veröffentlichten wir unter seinem Namen 132 unterhaltsame, kritische Texte mit küchenphilosophischem Charme und bissiger Wortwürze.
In der Nacht zum 11. Oktober ist Olaf Bernhardt verstummt. Nun gibt es nie wieder „Scharfe Sprüche“ von ihm. Die Kolumne war eine wichtige fröhliche Säule dieser Zeitung. Augenzwinkernd und gelassen, hat Olaf Bernhardt Kuriositäten des Lebens aufs Korn genommen, genauso wie er das mit seinem Wesen verkörperte. In seinen scharfen Einwürfen blieb kein Lebensbereich unkommentiert. Ob Wirtschaft, Politik, Kultur, Bildung, Zeitgeist oder irgendwelche Trends – zu allem hatte Olaf eine augenzwinkernd feurige Küchenbetrachtung parat. Das Austeilen bescherte ihm Anerkennung oder Ablehnung. Typen wie Olaf bringt das Leben nicht so viele hervor. Solche Menschen ernten von den einen Respekt und von anderen Verachtung. Wenn es ein Lied gibt, das Olaf Bernhard auf den Leib geschrieben wurde, dann ist es Udo Lindenbergs „Ich mach mein Ding“. Dadurch hat er sich nicht nur Freunde gemacht und manche Verletzung hinterlassen. Doch welcher Mensch kann oder will schon jedermanns Liebling sein?
Sogar den Schlussakkord seines Lebens hat er selbst gesetzt. Überraschend und schmerzlich für sein gesamtes Umfeld. Wegen seiner Lebensfröhlichkeit hätte ihm das wahrscheinlich niemand zugetraut. Aber Olaf ist sich unter dem Strich sogar im Scheiden treu geblieben. Die Menschen, die ihn gut kannten, ließ er sprachlos und erschüttert zurück. Was bleibt, ist eine riesengroße Lücke. Der Mensch wird vermisst werden, der Gastronom ist in seiner Art unersetzlich und als Magdeburger Original bleibt der Pfundskerl einmalig. Olaf, Du fehlst. Aber Du hast es offenbar genauso gewollt.
Hinweis: Im Onlineshop www.kompakt.media gibt es ein Andenken an Olaf Bernhardt. „Olafs scharfe Sprüche“ wurden von 2013 bis Juni 2020 in einem kleinen Heft gesammelt und bleiben der Nachwelt erhalten. Und vielleicht gibt es bald die weiteren Kolumnen bis zum Oktober 2024 als Erinnerungsedition.
Nr. 266 vom 21. Oktober 2024, Seite 9
Veranstaltungen im mach|werk
TRUST – Eine szenisch-musikalische Lesung
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Tonstunde Nr. 7 mit Andreas Weitersagen
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Rotpeter: Ein Affe im Gespräch mit Wagner
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Watertower Blues Band
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Faquelage trifft auf be-swingt
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Klinge – Solo
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Stereo Affairs
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Too Hot for December – Weihnachtskonzert
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg