Und täglich grüßt
das Murmeltier

Der SC Magdeburg wehrt sich dagegen, dass er in der neuen Spielzeit vom Jäger zum Gejagten geworden sei. Aber der Triumphator der Vorsaison sucht lange nach seiner Form.


Von Rudi Bartlitz

In der Liga läuft es für den SCM – hier Kreisspieler Tim Zechel beim 35:29-Erfolg gegen die DHfK Leipzig. Foto: Peter Gercke

Dass sie in dieser Saison vom Jäger zum Gejagten werden, davon wollen sie in der Handball-Chefetage des SC Magdeburg absolut nichts wissen. Sowohl Geschäftsführer Marc Schmedt als auch Cheftrainer Bennet Wiegert weisen fast gebetsmühlenartig darauf hin, dass dies nicht der Fall sei. Die Erfolge der Vergangenheit könne ihnen niemand mehr nehmen, betonen sie, und in der neuen Spielzeit beginne alles wieder bei null.


Und doch, in den ersten Spielen dieser noch jungen Saison muss Wiegert manchmal das Gefühl gehabt haben, seine Akteure seien gedanklich anderswo – in der vergangenen Saison nämlich: Meister, Pokalsieger, Vereins-Weltmeister, Champions-League-Halbfinalist, darauf ließ sich nicht nur prächtig aufbauen, sondern wohl auch ein bisschen ausruhen. Zumal neun Profis des SC Magdeburg im Sommer noch bei den Olympischen Spielen waren und praktisch ohne Pause in die Serie 2024/25 starteten. Wiegert hat sie häufig geweckt. Und die erfolgsverwöhnte Magdeburger Öffentlichkeit gleich mit: „Die Titel der Vergangenheit sind Vergangenheit! Das war. Was zählt ist, was ist. Wir müssen schnellstens in der neuen Saison ankommen.“


Das war leichter gesagt als getan. Was Wiegert als „Nach-Olympia-Depression“ bezeichnete, legte sich wie Blei auf manchen Spielerkörper. „Die Aussicht auf das nächste Jahr im Handball-Hamsterrad schien Säulen des Erfolges wie den dänischen Kreisläufer Magnus Saugstrup oder den norwegischen Anführer Christian O’Sullivan zu lähmen“, analysierte die „Frankfurter Allgemeine“. Hinzu kam, dass sich in Paris der unersetzliche Spielmacher und Torschütze Felix Claar schwer am Fuß verletzte und bis Anfang 2025 fehlen wird – plötzlich stand der SCM ohne den wertvollsten Akteur der vergangenen Saison da. Auch andere Magdeburger Profis kamen angeschlagen von Olympia zurück. Neben Claar fehlen derzeit auch der in Paris verletzte Tim Hornke und der nach einer Gehirnerschütterung außer Gefecht gesetzte Daniel Pettersson. Der Einstieg in die Saison verlief, vorsichtig formuliert, entsprechend holprig: mit der Supercup-Niederlage gegen die Füchse, der Heimpleite in der Bundesliga gegen Kiel, dem 33:34 nach Verlängerung bei der Vereins-WM gegen Veszprém und den beiden Heimniederlagen in der Champions League gegen Kielce und Nantes.


Und kein Ende in Sicht. Das berühmte Murmeltier, es scheint beinahe täglich zu grüßen. Der SC Magdeburg hetzt von Spiel zu Spiel. Nach der Klub-WM in Ägypten ging es im Drei-Tage- Rhythmus weiter. „Das ist eine mentale Mammutaufgabe für die Spieler”, sagte Wiegert, der zugab, zuletzt aufgrund des hohen Spielaufkommens auch schon mal selbst bei den Gegnern durcheinandergekommen zu sein. Drei Ansetzungen in einer Woche, insgesamt zwölf Begegnungen innerhalb eines Monats, dazu die Reisen – für Trainer und Mannschaft ist die Herausforderung immens. „Viel Training gibt es momentan nicht”, sagte Wiegert. „In den letzten beiden Wochen“, berichtete er nach der Kielce-Partie, „haben wir einmal trainiert. Aber darauf muss ich verzichten, um das Risikopotenzial für eine Verletzung nicht noch mehr zu steigern. Nichts ist wichtiger als der gesunde Kader.” Denn der Stress nimmt auch in den nächsten Wochen kein Ende. Wiegert: „Das geht bis Weihnachten so weiter.“


Da ist es schon bewundernswert, mit welcher Ausgeglichenheit Wiegert auf all das reagiert hat. Gemeinsam mit Schmedt steht er für Besonnenheit, für Souveränität. „Ich habe ihnen Ruhe gegeben“, nennt Wiegert als einen wichtigen Faktor dafür, dass mitten in der höchsten Stressphase ein überzeugender 29:27-Erfolg beim heimlichen Meisterschaftsfavoriten Flensburg gelang. „Ich bin froh, dass es mir der Verein ermöglicht, einen solch breiten Kader zu haben“, räumt er Fragen nach der aktuellen Magdeburger Titelfähigkeit ab. Schmedt sagte: „Es kann doch niemand von uns erwarten, dass wir zum vierten Mal nacheinander die Vereins-WM gewinnen.“ Im Umfeld des Double-Siegers ist aus Erfolgshunger nämlich eine Haltung geworden, die kommende Titel nahezu als selbstverständlich erachtet.


„Es sind auch andere Fragen“, so noch einmal die „FAZ“, die die Verantwortlichen „zumindest im Hintergrund beschäftigen. Ist der aufwendige Spielstil mit sehr vielen Offensivzweikämpfen und wenigen Toren aus neun Metern von den Gegnern entschlüsselt? Haben die Magdeburger Spieler weiterhin die Physis dafür? Was bedeutet der verschobene Bau des Intel-Werkes für das Sponsoring des Klubs? Und wie geht Torwart Nikola Portner damit um, dass die HBL ihn des Amphetamin-Missbrauchs freigesprochen hat, der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne (CAS) aber erst entscheiden will, wie es in dem Fall weitergeht, nachdem die NADA den CAS angerufen hatte?“


Ein heller Hoffnungsstreifen ist dennoch am Horizont auszumachen: Zumindest in der heimischen Liga, immer noch wichtigster aller Kampfplätze, läuft es. Als Tabellendritter liegt man mit den augenblicklich führenden Teams aus Melsungen und Hannover nach Minuszählern (zwei) gleichauf.

Nr. 266 vom 22. Oktober 2024, Seite 22

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