Römers Reich:
Gedachtes Sprechen
Nun hat es also den Udo Lindenberg mit seinem Lied „Sonderzug nach Pankow“ erwischt. Das im Text vorkommende Wort „Oberindianer“ schmeckte Vertretern der Berliner Stiftung Humboldt Forum nicht. Es könnte Indigene auf dem amerikanischen Kontinent verletzen. Dass viele Native Americans die Bezeichnung „Indian“ selbst verwenden, blenden die Wortstreicher aus. Sie hätten vielleicht einfach die Indianer selbst fragen sollen. Doch heute urteilen Nichtbetroffene so gern über Betroffene.
Seit vielen Jahren begegnet uns nun das Ansinnen, Begriffe aus dem Sprachgebrauch zu verbannen oder ihnen durch Zusatzzeichen wie beim Gendern eine andere Bedeutung einzuhauchen. Ganz oben wird von den Befürwortern dieser Zunft das Argument angebracht: Sprache hätte sich doch immer geändert, was sollte also an solchen Eingriffen schlimm sein? Schließlich würde es ja um eine gute, fortschrittliche Sache gehen. Leute, die das wiederum kritisieren, gelten als Fortschrittverhinderer, „Alte weiße Männer“ oder gar politisch ziemlich weit rechts stehende Menschen.
Die schöne Erzählung von einer gerechteren Sprache ist jedoch eine abstrakte Idee mit fatalen Kehrseiten und falschen Annahmen. Worte, die heute unter Kritik gestellt werden, stammen in der Regel aus früheren Epochen. Sie streichen, weglassen oder durch andere ersetzen zu wollen, verschleiert den Ursprung und den historischen Zusammenhang. Dass sich um uns herum permanent Bedingungen ändern, ist nun einmal der Lauf der Dinge. Und damit erhalten Worte eine neue bzw. veränderte Bedeutung. Heute wird z. B. vielfach vom Netzwerken gesprochen. Damit ist das Knüpfen nützlicher Kontakte zu anderen gemeint. Ein Netz diente ursprünglich dem Fang von Tieren und ist dem Vorbild des Spinnennetzes entnommen. So kann sich ein Wort durch neue Zusammenhänge in einem Gebrauch ändern. Übrigens geht das mit jedem Begriff.
Was wir benötigen sind Erfahrungen, damit sich eine Wortbedeutung anreichert. Bei Kindern kann man das ausgezeichnet bei der Sprachentwicklung beobachten, nämlich wie das Verständnis zu Worten wächst, wenn sie lernen mit Dingen umzugehen, die vorher nur ein Wort waren. Nun will man diesen Prozess permanent umdrehen, weil man glaubt, dass andere Bezeichnungen die Vorstellung von einer Sache oder einer Person verändern. Im Kern unterstellt man Menschen, dass sie aus der Abstraktion von Worten keine differenzierte, ambivalente Vorstellung erzeugen könnten. Abstraktion ist eine der wichtigsten Leistungen unseres Denkens. Worte auszumerzen oder ihnen Zeichen anzuhängen, ist nur die Veränderung eines Sprachcodes, aber noch lange keine abstrahierende Denkleistung. Eigentlich müsste man Menschen, die diese Sprachänderungsmethodik anwenden, zurufen, dass ihnen offenbar ein geringeres Abstraktionsvermögen zugeschrieben werden müsste. Alle anderen machen neue Erfahrungen mit Menschen, mit der Gesellschaft oder anderen Geschlechterrollen. Das bildet tiefer als eine politisierte Vorschrift.
Axel Römer
Nr. 267 vom 5. November 2024, Seite 3
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